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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 4/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10
WEG § 29
WEG § 43
Sieht ein Beschluss die Notwendigkeit einer Zustimmung des Verwaltungsbeirats zu einer bestimmten Maßnahme vor, so muß sich der Verwaltungsbeirat als Gremium für die beabsichtigte Maßnahme aussprechen. Die Zustimmung des Vorsitzenden allein genügt nicht.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

§ 2 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung (GO) lautet wie folgt:

§ 2 Nutzungsrecht

1) Der Sondereigentümer hat das Recht der alleinigen und beliebigen Nutzung seines Wohnungs- bzw. Teileigentums sowie der Mitbenützung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie der gemeinschaftlichen Grundstücksflächen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz und dieser Urkunde ergeben.

Zur Mitbenützung stehen insbesondere zur Verfügung:

Hauszugänge, Treppenhaus, nicht im Sondereigentum stehende Garagenflächen, Waschküche, Trockenraum, Luftschutzkeller, Zentralheizung, Warmwasserversorgung, Fahrstuhlanlage, Gemeinschaftsantenne etc.

Bei der Ausübung seines Nutzungsrechts ist der Wohnungseigentümer im Interesse des friedlichen Zusammenlebens aller Hausbewohner ah die Grundsätze von Treu und Glauben, an die Verkehrssitten sowie insbesondere an die Verpflichtungen von § 14 WEG gebunden. Die zur gemeinschaftlichen Benutzung bestimmten Räume, Anlagen, Einrichtungen und Teile des Grundstücks sind schonend und pfleglich zu behandeln.

§ 14 GO bestimmt, dass ein Verwaltungsbeirat nicht bestellt wird und die Einsetzung eines Verwaltungsbeirats der Zustimmung aller Miteigentümer bedarf.

In der Eigentümerversammlung vom 28.11.1996 fassten die Eigentümer mehrheitlich folgenden Beschluss:

Die Verwalterin wird beauftragt und bevollmächtigt, Parabolantennen, die außerhalb der zentralen Antenne von einzelnen Eigentümern oder deren Mietern aufgestellt sind, zu beseitigen zu verlangen und den Beseitigungsanspruch der Gemeinschaft gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Verwaltungsbeirat gerichtlich durchzusetzen.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.11.1998 wurden mehrheitlich vier Wohnungseigentümer zu Mitgliedern des Verwaltungsbeirates bestellt.

Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirates verlangte mit Schreiben vom 17.7.2000 von der Hausverwaltung, auf die Entfernung der Satellitenschüssel in der Wohnung des Antragsgegners mit den gebotenen rechtlichen Mitteln hinzuwirken. Am 14.4.2001 wurde vom Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates die Zustimmung zu einem Vorgehen gegen den Antragsgegner erteilt.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die auf dem zu seinem Sondereigentum gehörenden Balkon angebrachte Parabolantenne zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Der Antragsgegner hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen und den vorerwähnten Beschluss vom 28.11.1996 aufzuheben.

Das Amtsgericht hat am 11.9.2001 den Antragsgegner verpflichtet, die auf der Balkonbrüstung seiner Wohnung angebrachte Parabolantenne zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen (Nr. I). Den als Widerantrag gestellten Beschlussanfechtungsantrag hat es zurückgewiesen (Nr. II). Die Kostenentscheidung ist in Nr. III enthalten. Das Landgericht hat am 19.11.2001 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Verwalterin sei zur Durchsetzung des Beseitigungsverlangens wirksam ermächtigt. Der nicht fristgerecht angefochtene Beschluss vom 28.11.1996 sei nicht wegen fehlender Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig. Es handle sich dabei um eine Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG. Der Verwaltungsbeirat sei in der Eigentümerversammlung vom 26.11.1998 wirksam bestellt worden. Bei der Abweichung von § 14 GO handle es sich um einen Fall unrichtiger Rechtsanwendung im Einzelfall, die nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses führe. Der Antragsgegner habe auch die im Eigentümerbeschluss vom 26.11.1998 enthaltene Vollmacht nicht widerrufen können. Am Bestehen eines Beseitigungsanspruches ändere es nichts, falls die Parabolantenne nicht an der Balkonbrüstung angebracht und kein Kabel durch die Drahtglasscheibe der Brüstung gezogen sei, sondern sich auf einem am Boden befestigten Gestell im Inneren des Balkons befinde. Auch insoweit handle es sich um eine bauliche Veränderung. Die Interessenabwägung zwischen dem Recht auf Informationsfreiheit und dem Eigentumsrecht falle nicht zugunsten des Antragsgegners aus. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beseitigungsanspruch gegenüber dem Mieter nicht durchgesetzt werden könne.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Der Beschluss des Landgerichts ist nicht deshalb nach § 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 551 ZPO a.F., § 26 Nr. 10 EGZPO aufzuheben, weil die Kammer nicht in der Besetzung entschieden hat, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BayObLG ZMR 2001, 472 und zuletzt Beschluss vom 19.12.2001 - 2Z BR 15/01) ist es in Wohnungseigentumssachen nicht erforderlich, dass die Entscheidung von den Richtern getroffen wird, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil es auf besondere Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung für die angegriffene Entscheidung ankommen würde. Die Kammer hat nämlich ihre Entscheidung anhand der Akten und unter Heranziehung des in den Akten befindlichen Lichtbildes getroffen.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung insoweit stand, als der Widerantrag des Antragsgegners zurückgewiesen wurde. Da die Frist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht eingehalten ist und auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestehen, ist der Antrag, den Beschluss aufzuheben als Antrag auszulegen, seine Nichtigkeit festzustellen.

(1) Ein Nichtigkeitsgrund liegt jedoch nicht vor. Insbesondere ist der Beschluss nicht wegen fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500) nichtig. Dabei kann es zunächst dahinstehen, ob es sich um eine Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG oder um eine Klarstellung zur Zulässigkeit einer baulichen Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG handelt. In beiden Fällen fehlt es nämlich nicht an einer Beschlusskompetenz. Für eine Gebrauchsregelung ergibt sich dies aus § 15 Abs. 2 WEG. Beschlüsse in bezug auf bauliche Veränderungen sind zwar nicht erforderlich, in aller Regel aber geeignet, Unsicherheiten zu beseitigen (vgl. BayObLGZ 2001, 196/200).

(2) Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Regelung wie die getroffene durch Vereinbarung der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer entzogen worden wäre. Eine solche Regelung enthält jedoch die Gemeinschaftsordnung entgegen der Meinung des Antragsgegners nicht. Vereinbarungen nach § 10 Abs. 1 WEG, zu denen auch die Gemeinschaftsordnung zählt, sind vom Rechtsbeschwerdegericht nach Eintragung im Grundbuch selbständig auszulegen, wobei es auf die für einen unbefangenen Betrachter nächstliegende Bedeutung ankommt (BGHZ 139, 288). Der Senat legt die Gemeinschaftsordnung nicht dahin aus, dass jedwede Gebrauchsregelung ausgeschlossen sein soll. Zwar enthält § 2 Nr. 1 GO das alleinige und beliebige Recht jedes Sondereigentümers zur Benutzung des Sonder- und Teileigentums und der Mitbenutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz und aus dieser Urkunde ergeben. Im letzten Absatz von § 2 Nr. 1 GO ist aber darauf hingewiesen, dass der Wohnungseigentümer bei der Ausübung seines Nutzungsrechts im Interesse des friedlichen Zusammenlebens, an die Grundsätze von Treu und Glauben, die Verkehrssitten und insbesondere die Verpflichtungen von § 14 WEG gebunden ist. Damit wird im wesentlichen nur die bestehende Rechtslage wiedergegeben. Das alleinige Benutzungsrecht ist also nicht uneingeschränkt gegeben. Darüber, welche Rücksichtnahmen nach Treu und Glauben geboten sind und auch darüber, welche Nachteile unvermeidlich im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sind, können aber durchaus unterschiedliche Meinungen bestehen. Es kann deshalb der Gemeinschaftsordnung nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass jedwede Gebrauchsregelung ausgeschlossen sein soll. Ergänzt wird diese Auslegung durch § 12 Nr. 1 Satz 1 GO, wonach die Wohnungseigentümerversammlung der Besprechung gemeinsamer Probleme, der Beratung und Diskussion der gemeinschaftlichen Verwaltung und der Beschlussfassung dient. Gerade Gebrauchsregelungen sind aber Maßnahmen der gemeinschaftlichen Verwaltung. Angesichts dessen hätte es für den weitreichenden Ausschluss jeder Gebrauchsregelung von der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer einer eindeutigen Regelung in der Gemeinschaftsordnung bedurft.

(3) Der Beschluss vom 28.11.1996 ist auch nicht deshalb nichtig, weil er ein Einvernehmen mit dem Verwaltungsbeirat fordert. Eine Nichtigkeit kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht auszuschließen war, dass ein Verwaltungsbeirat nach § 14 Satz 2 GO mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer bestellt wird. Außerdem ist der Beschluss vom 26.11.1998 über die Bestellung des Verwaltungsbeirates nicht nichtig. Insbesondere fehlt es auch insoweit nicht an der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft. Durch den Beschluss wurde nicht die Regelung der Gemeinschaftsordnung und auch nicht des Gesetzes, das in § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG nur drei Mitglieder vorsieht, über die Bestellung des Verwaltungsbeirats abgeändert. Vielmehr wurde eine Einzelfallentscheidung in Abweichung von der Regelung der Gemeinschaftsordnung und des Gesetzes getroffen. Eine solche ist nicht nichtig (Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 29 WEG Rn. 2).

c) Die Entscheidung des Landgerichts hält jedoch der rechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als die Beschwerde gegen Nr. I des Beschlusses des Amtsgerichts zurückgewiesen wurde.

Das Landgericht ist ohne weitere tatsächliche Feststellungen davon ausgegangen, dass die im Beschluss vom 28.11.1996 vorgesehene Zustimmung des Verwaltungsbeirates vorliegt. Der Antragsgegner hat jedoch bereits in erster Instanz bestritten, dass der gesamte Verwaltungsbeirat die Zustimmung gegeben habe. Die Antragsteller haben hierfür Zeugenbeweis angeboten, der jedoch nicht erhoben wurde. Aus den vorliegenden Unterlagen kann ein Tätigwerden des gesamten Verwaltungsbeirats nicht entnommen werden. Das Schreiben vom 17.7.2000 trägt zwar den Absender Verwaltungsbeirat und den Namen des Verwaltungsbeiratsvorsitzenden, führt aber im Text dann auf "ich bitte Sie ....". Am Ende trägt das Schreiben den Vermerk "Vorsitzender des Verwaltungsbeirates". Der Zustimmungsvermerk vom 14.4.2001 trägt ebenfalls nur die Unterschrift des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und darunter den Zusatz "Unterschrift Herr...".

Wenn ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft die Zustimmung des Verwaltungsbeirats für eine bestimmte Maßnahme vorsieht, reicht es nicht aus, dass diese Zustimmung vom Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats erteilt wird. Dieser kann zwar die Meinung des Gremiums dem Verwalter übermitteln, kann sich jedoch nicht an die Stelle des gesamten Verwaltungsbeirats setzen. Erforderlich ist vielmehr eine Willensbildung des Verwaltungsbeirats.

Da hierzu weitere Ermittlungen erforderlich sind, ist die Sache bereits aus diesem Grunde an das Landgericht zurückzuverweisen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist dem Landgericht vorzubehalten.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

III.

Für das weitere Verfahren ist im Hinblick auf das Vorbringen des Antragsgegners im Rechtsbeschwerdeverfahren folgendes zu bemerken:

a) Sollte eine Zustimmung des Verwaltungsbeirats und damit eine wirksame Bevollmächtigung des Verwalters (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG) vorliegen, wäre ein Vollmachtswiderruf durch den Antragsgegner für das Verfahren bedeutungslos. Denn der bestandskräftige Eigentümerbeschluss vom 28.11.1996 bindet auch den Antragsgegner und kann von diesem nicht einseitig widerrufen werden.

b) Der Eigentümerbeschluss vom 28.11.1996 enthält auch die Verpflichtung zur Beseitigung der von dem Beschluss betroffenen Antennen. Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, ob es sich bei der Antenne um eine bauliche Veränderung handelt oder ob diese nur lose auf dem Balkon aufgestellt ist.

c) Der Antragsgegner kann sich nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht auf eine Unmöglichkeit berufen. Es wird im Vollstreckungsverfahren zu klären sein, ob es dem Antragsgegner möglich ist, eine Verpflichtung zur Beseitigung der Antenne zu erfüllen. Dazu hätte der Antragsgegner alle ihm zumutbaren rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. BGH NJW 1982, 440; BayObLGZ 1988, 440/443). Insbesondere wird der Antragsgegner gegebenenfalls finanzielle Mittel einsetzen müssen, um seinen Mieter zum Anschluss an die gemeinschaftliche Antennenanlage, zum Verzicht auf seine eigene Parabolantenne oder notfalls zum Auszug zu bewegen. Auch der Einsatz rechtlicher Mittel zur Durchsetzung eines mietrechtlichen Beseitigungsanspruchs ist dem Antragsgegner nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zuzumuten. Die Führung eines Rechtsstreits gegen den Mieter i, st nämlich nicht von vornherein aussichtslos. Es wird Sache der Mietgerichte sein, anhand der tatsächlichen Gegebenheiten und des rechtlichen Verhältnisses zwischen dem Antragsgegner als Vermieter und dem Mieter die mietrechtliche Zulässigkeit des Verbleibens der Antenne auf dem Balkon festzustellen.

Ende der Entscheidung

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