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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 4/04
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
WEG § 16 Abs. 5
WEG § 23
1. Ein Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage ist anfechtbar, aber nicht nichtig, wenn die Sonderumlage für die Bezahlung von Kostenvorschüssen für den Rechtsanwalt der Antragsgegner in einem Beschlussanfechtungsverfahren erhoben wird.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht allein deshalb zu gewähren, weil der Antragsteller davon ausgegangen ist, dass die Anfechtungsfrist erst mit dem Zugang des Protokolls zu laufen beginne.


Gründe:

I.

Die Antragsteller sind mit dem Zusatz "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" im Grundbuch als Wohnungs- und Teileigentümer eingetragen. Die übrigen Wohnungseigentümer dieser Anlage sind die Antragsgegner. Die weitere Beteiligte war Verwalterin.

Am 2.8.2002 fand eine Eigentümerversammlung statt. Unter Tagesordnungspunkt (TOP) I wurden die Richtigkeit der Ladung und die Beschlussfähigkeit festgestellt; ferner wurde der Versammlungsleiter gewählt.

Zu TOP II beschlossen die Wohnungseigentümer die Erhebung einer Sonderumlage in Höhe von 6.000 EURO für die Zahlung von Rechtsanwaltskosten in einem Beschlussanfechtungsverfahren, das die Antragsteller angestrengt hatten.

Die Antragsteller haben am 3.9.2002 beim Amtsgericht beantragt, die in der Eigentümerversammlung zu TOP I und II gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12.2.2003 die Anträge als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht hat am 1.12.2003 die sofortige Beschwerde der Antragsteller mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anträge zu TOP I als unzulässig und die Anträge zu TOP II.1. als unbegründet abgewiesen werden. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie nur noch die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise die Ungültigerklärung des Beschlusses zu TOP II verfolgen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, ausgeführt:

Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage sei nicht nichtig. Eine Umlegung von Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsgebühren für noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren sei zur Wahrung der Liquidität der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschlussfassung möglich. Ein Fall der Nichtigkeit liege deshalb nicht vor. Die Frist für einen Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses hätten die Antragsteller versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ihnen nicht zu gewähren. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liege nicht vor.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Gegen den Beschluss über die Finanzierung der Rechtsanwaltskosten bestehen inhaltliche Bedenken. Nach § 16 Abs. 5 WEG gehören die Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG nicht zu den Kosten der Verwaltung im Sinn des § 16 Abs. 2 WEG. Dies gilt grundsätzlich auch für die vorläufige Aufbringung der Kosten eines solchen Verfahrens (BayObLGZ 1976, 223/226). Mit den Verfahrenskosten dürfen deshalb nicht alle Wohnungseigentümer belastet werden (BayObLG NJW-RR 1992, 1431/1432).

Etwas anderes gilt nur für Wohngeldverfahren, da dort ein Anspruch der übrigen Wohnungseigentümer im Sinn des § 432 BGB geltend gemacht wird (KG WE 1992, 92). Ein Beschlussanfechtungsverfahren ist auch nicht vergleichbar mit den Verfahren, die Gegenstand der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (NJW 1998, 3239) und des Senats (NJW 1993, 603 und NZM 2001, 766) waren. In diesen Entscheidungen ging es nicht um Kosten von Verfahren nach § 43 WEG, sondern um Ansprüche bzw. Zwangsvollstreckungssicherheiten aus Streitigkeiten mit einem Bauträger, der zugleich Wohnungseigentümer war. In diesen Fällen handelte es sich um gemeinschaftliche Angelegenheiten der Wohnungseigentümer, da der Bauträger als Außenstehender in Anspruch genommen wurde und nur zufällig zugleich Wohnungseigentümer war.

b) Der Beschluss ist nicht nichtig (Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 16 WEG Rn. 13b). Nichtig ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nur ein Beschluss, nach dessen Inhalt die gesetzliche Regelung durch eine andere ersetzt werden soll, nicht aber ein Beschluss, der eine gesetzliche Regelung unrichtig anwendet (BGH NJW 2000, 3500). Der verfahrensgegenständliche Beschluss beinhaltet eine konkrete Einzelfallregelung, auch wenn er nach dem Informationsschreiben der Hausverwaltung zur Deckung von Kosten mehrerer Beschlussanfechtungsverfahren dienen soll. Eine generelle Regelung, dass künftighin Vorschüsse für alle weiteren Beschlussanfechtungsverfahren auf alle Wohnungseigentümer umgelegt werden sollen, enthält der Beschluss nicht.

c) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass ein Einberufungsmangel, selbst wenn er vorliegen würde, nur zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des Beschlusses führen könnte. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

d) Der Beschluss ist nicht nach § 23 Abs. 4 Satz 1, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG für ungültig zu erklären, da die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht gewahrt ist.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs. 2 FGG) ist den Antragstellern nicht zu gewähren. Der Rechtsirrtum des Antragstellers zu 3, der für die Antragsteller handelte, ist nicht unverschuldet. Der Antragsteller war sich bewusst, dass ein Beschlussanfechtungsantrag fristgebunden ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er vorträgt, er sei der Meinung gewesen, die Frist beginne erst nach Zugang des Protokolls zu laufen. Wie er zu dieser unzutreffenden Auffassung gelangt ist, trägt er nicht vor. Da ihm aber bewusst war, dass eine Frist einzuhalten ist, hätte er Veranlassung gehabt, den zutreffenden Fristbeginn durch einen Blick in das Gesetz oder durch Einholung von Rechtsrat zu ermitteln. Der Antragsteller zu 3 trägt auch nicht vor, aufgrund welcher Umstände er zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Beschlüsse von vornherein nichtig seien. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum liegt somit nicht vor.

3. Der Geschäftswert bemisst sich entsprechend dem Interesse aller Wohnungseigentümer (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG) nach der Höhe der Sonderumlage (6.000 EURO). In den Vorinstanzen ebenfalls verfahrensgegenständlich war TOP I der Eigentümerversammlung. Den Geschäftswert hierfür schätzt der Senat auf 1.000 EURO. Da die Vorinstanzen den TOP I unberücksichtigt gelassen haben, ist deren Geschäftswertfestsetzung nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO von Amts wegen abzuändern.

4. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragsteller samtverbindlich die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen (§ 47 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren, in dem es nur noch um die Sonderumlage geht, beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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