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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 45/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15
In einer nach der Teilungserklärung ausgewiesenen Seniorenwohnanlage mit erhöhtem Ruhebedürfnis können durch Wohnungseigentümer-Mehrheitsbeschluss Klimaanlagen im jeweiligen Sondereigentum untersagt werden.
BayObLG Beschluss

LG Aschaffenburg 1 T 25/00; AG Aschaffenburg 4 UR II 34/00

2Z BR 45/01

20.03.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr. Delius und Lorbacher

am 20. März 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 23. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalter der weitere Beteiligte ist.

In § 2 des Teilungsvertrags ist zum Umfang der Nutzung folgendes geregelt:

Die gesamte Wohnanlage und alle Gebäude sind vereinbart und bestimmt als Seniorenwohnanlage bei Ausschluss größeren Publikumsverkehrs nach Maßgabe der folgenden Vorschriften...

Jeder Wohnungseigentümer hat im Interesse des friedlichen Zusammenlebens seine Rechte so auszuüben, dass keinem anderen Hausbewohner oder Nachbarn über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Das hiernach nicht zu überschreitende Maß wird insbesondere durch die Zweckbestimmung als Seniorenwohnanlage, im übrigen durch die jeweils geltende Hausordnung und durch die Beschlüsse der Eigentümerversammlung bestimmt.

Da die Wohnanlage als Seniorenwohnanlage konzipiert ist, ist die Nutzung der Wohnungen und des Gemeinschaftseigentums nur durch Personen zulässig, die ein Lebensalter von 50 Jahren erreicht oder überschritten haben...

Die Hausordnung enthält in Abschnitt I. Bestimmungen zur Vermeidung von Ruhestörungen und schränkt u.a. den Betrieb von Maschinen, Haus- und Gartengeräten sowie entsprechende Arbeiten ein.

Dem Antragsteller gehört die Dachgeschosswohnung Nr. 117, der Antragsgegnerin zu 2 die benachbarte Wohnung Nr. 116.

In der Eigentümerversammlung vom 9.5.2000 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 6 bei Stimmenthaltung des Antragstellers mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:

Die Errichtung, Inbetriebnahme sowie die Benutzung von stationären, ortsgebundenen Klimaanlagen in den Wohnungen der WEG-Anlage... wird untersagt. Bereits eingebaute, von der WEG-Versammlung und der WEG-Verwaltung bislang nicht genehmigte Klimaanlagen dürfen nicht mehr benutzt werden und sind sofort von dem jeweiligen Wohnungseigentümer auf dessen Kosten zu entfernen.

Ergänzend ist in der Niederschrift festgehalten, dass ortsveränderliche, lärm- und vibrationsfreie Raumklimageräte innerhalb der Wohnungen zulässig sind.

Mit Antrag vom 2.6.2000 hat der Antragsteller diesen Eigentümerbeschluss gerichtlich angefochten. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 19.10.2000 den Antrag auf Ungültigerklärung abgewiesen, das Landgericht durch Beschluss vom 23.1.2001 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsteller wende sich gegen die Verpflichtung, seine auf dem Balkon seiner Wohnung installierte Klimaanlage entfernen zu müssen. Er habe, um entsprechende Leitungen zu verlegen, die Außenwand durchbohrt, was als bauliche Veränderung zu werten sei; diese bedürfe der Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer. Die Veränderung sei zwar für das Wohnungseigentum des Antragstellers nützlich, jedoch nicht notwendig. Einen Anspruch auf Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer besitze der Antragsteller deshalb nicht. Durch die Anbringung der Klimaanlage unmittelbar neben dem Balkon der Nachbarwohnung entständen bei diesem Wohnungseigentümer auch Beeinträchtigungen.

Die eigenen Rechte des Antragstellers würden nicht verletzt Es bleibe ihm unbenommen, mobile, nicht ortsgebundene Klimaanlagen innerhalb des Raumes zu verwenden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Allerdings wendet sich der Antragsteller nicht gegen eine Verpflichtung zur Entfernung der von ihm auf dem Balkon der Wohnung ortsfest montierten Klimaanlage. Vielmehr bildet die Rechtmäßigkeit des Eigentümerbeschlusses vom 9.5.2000 den Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung. Die Regelungsbefugnis der Eigentümerversammlung ist an § 23 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 2 WEG zu messen. Ob die Gemeinschaft auf der Grundlage des nach Abschluss dieses Verfahrens bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses oder schon deswegen gegen den Antragsteller vorgehen kann, weil er ohne deren Zustimmung eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum nach § 22 Abs. 1 WEG vorgenommen hat, bedarf hier keiner Klärung.

b) Der gerichtlichen Anfechtung steht nicht entgegen, dass sich der Antragsteller in der Abstimmung seiner Stimme enthalten hat. Denn selbst im Falle ursprünglicher Zustimmung zu keinem Eigentümerbeschluss ist nach ganz herrschender Rechtsprechung ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Anfechtung regelmäßig zu bejahen (BayObLG NJW-RR 1988, 1168; 1997, 715/717; OLG Düsseldorf DWE 1989, 28; Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 628).

c) Bei dem Verbot der Errichtung, der Inbetriebnahme sowie der Benutzung stationärer, ortsgebundener Klimaanlagen handelt es sich um eine Gebrauchsregelung in Form einer Nutzungsbeschränkung, zu der die Wohnungseigentümer nach § 15 Abs. 1 und 2 WEG grundsätzlich berechtigt sind. Einem Mehrheitsbeschluss nach § 15 Abs. 2 WEG ist die getroffene Regelung zugänglich, wenn sie, ohne dass hier eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 2, § 15 Abs. 1 WEG entgegensteht, einen ordnungsmäßigen Gebrauch zum Inhalt hat.

Diese kann sich auch auf das Sondereigentum beziehen (siehe dazu Staudinger/Kreuzer WEG Rn. 109, 113 ff.). Es kommt also darauf an, ob der von der Regelung erfasste Gebrauch unter Berücksichtigung der Beschaffenheit seines Gegenstands dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und billigem Ermessen entspricht. Nicht ordnungsmäßig ist demgegenüber ein Gebrauch, durch den einem Wohnungseigentümer ein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht, d.h. ihm einen nach § 14 Nr. 1 WEG zulässigen Gebrauch verbietet (OLG Düsseldorf OLGZ 1985, 437; BayObLG WÜM 1992, 206; WE 1994, 17; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 15 WEG Rn. 4; Staudinger/Kreuzer § 15 Rn. 111; Müller, Rn. 164, 167). Die Beschlussregelung darf schließlich nicht willkürlich sein, sondern nur nach billigem Ermessen und unter Beachtung des allgemeinen Gebots der Rücksichtnahme in Abwägung der beiderseitigen Interessen ergehen (Staudinger/ Kreuzer § 15 Rn. 112; vgl. auch § 15 Abs. 3 WEG).

d) Das gegenständliche Verbot ist eine dem Mehrheitsbeschluss zugängliche Regelung. Sie enthält keine zu weitgehende Beschränkung des Gebrauchs, indem sie Klimaanlagen nicht generell verbietet, sondern bestimmte Geräte ausdrücklich ausnimmt. Die vom Verbot erfassten Geräte sind fest installierte, bei welchen erfahrungsgemäß die erhöhte Gefahr von Lärm und Vibration besteht. Dies wird belegt durch das vom Antragsteller vorgelegte Schallgutachten und die von der Antragsgegnerin zu 2 vorgetragenen Belästigungen. Diese Nachteile gehen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus. Denn für die Bestimmung des ordnungsmäßigen Gebrauchs ist die in § 2 des Teilungsvertrags niedergelegte Nutzung der Wohnanlage als Seniorenwohnanlage bei Ausschluss größeren Publikumsverkehrs maßgebend (dazu Staudinger/Kreuzer § 15 Rn. 111). Die Ausübungsrechte jedes Wohnungseigentümers werden darin ausdrücklich durch die Zweckbestimmung begrenzt.

Das unvermeidliche Maß an Beeinträchtigung des Nachbarn durch eigene Rechtsausübung bestimmt u.a. die Hausordnung, die in ihrem Abschnitt I. dem Ruhebedürfnis der Bewohner in besonderem Masse Rechnung trägt. Bei dieser Vorgabe entspricht es einem ordnungsmäßigen Gebrauch, Geräuschentwicklung durch Geräte weitestgehend zu unterbinden. Dies kommt auch in der Hausordnung mit ihren restriktiven Regelungen zum Betrieb üblicher Hausgeräte in den Wohnungen, wie Staubsauger, Wasch- und Spülmaschinen, Trockner und Trockenschleudern, zum Ausdruck. Bei einem Klimagerät erscheint eine stundenweise, auf Tage und auf Tageszeiten bezogene Nutzungebeschränkung, wie sie bei den eben genannten Geräten angebracht sein mag, nicht sinnvoll. Deshalb ist es willkürfrei, die Nutzung von Klimageräten auf bestimmte Typen zu beschränken. Die getroffene Abwägung trägt den Belangen des Antragstellers als Eigentümer einer Dachgeschosswohnung, deren besondere Temperaturbelastung unterstellt werden kann, auch ausreichend Rechnung. Der Senat kann davon ausgehen, dass der Markt für die Zwecke des Antragstellers geeignete Raumklimageräte anbietet, die nach dem Eigentümerbeschluss erlaubt sind. ob ein vollständiges Verbot von Raumklimageräten noch ordnungsmäßigem Gebrauch entspräche, kann demnach offen bleiben.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, dem in diesem wie schon in den vorangegangenen Rechtszügen unterlegenen Antragsteller neben den Kosten des Verfahrens auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen.

4. Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren ergibt sich nicht aus der Kostenordnung, sondern aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG, welcher eine Sonderregelung für Wohnungseigentumssachen darstellt.

Ende der Entscheidung

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