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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 45/04
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 107
BGB § 181
BGB § 346
BGB § 528
BGB § 531
BGB § 1629
BGB § 1643
BGB § 1795
BGB § 1821
BGB § 1909
GBO § 79 Abs. 2
1. Zu den Voraussetzungen eines lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäfts bei der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück an Minderjährige unter dem Vorbehalt eines Rücktrittsrechts.

2. Wenn Eltern von der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder beim Abschluss eines Grundstücksgeschäfts ausgeschlossen sind, ist zur Genehmigung des von einem Pfleger abgeschlossenen Geschäfts nicht das Familiengericht, sondern das Vormundschaftsgericht zuständig (Vorlage an den BGH wegen Abweichung von OLG Köln ZMR 2004, 189 = Rpfleger 2003, 570).


Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin eines bebauten Grundstücks eingetragen, das nicht vermietet oder verpachtet ist. Zu notarieller Urkunde vom 4.8.2003 räumte sie für sich selbst auf Lebenszeit den unentgeltlichen Nießbrauch an dem Grundbesitz ein. Abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen trägt hiernach der Nießbraucher auf die Dauer des Nießbrauchs auch die außerordentlichen Lasten, die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die Zins- und Tilgungsleistungen der Verbindlichkeiten, die den eingetragenen Grundpfandrechten zugrunde liegen. Mit gleicher Urkunde überließ die Beteiligte zu 1 den Beteiligten zu 2 und 3, ihren minderjährigen Töchtern, unentgeltlich und schenkungsweise im Weg der vorweggenommenen Erbfolge den Grundbesitz in Form eines je hälftigen Miteigentumsanteils. Der Veräußerer behielt sich das Recht vor,

"vom schuldrechtlichen Teil dieses Vertrages zurückzutreten, wenn bei seinen Lebzeiten einer der Erwerber den an ihn überlassenen Vertragsgrundbesitz ganz oder teilweise ohne vorherige Zustimmung des Veräußerers veräußert oder belastet oder wenn einer der Erwerber vor dem Veräußerer versterben sollte. Der Rücktritt kann auch eingeschränkt nur hinsichtlich des Miteigentumsanteils erklärt werden, der demjenigen Erwerber gehört, bei dem die vorstehenden Voraussetzungen eingetreten sind."

Weiterhin ist bestimmt, dass im Falle der Rücktrittsausübung alle Kosten, Steuern und Gebühren der Erwerber trägt, der zu Lebzeiten des Veräußerers das Vertragsobjekt veräußert oder belastet hat.

Den Antrag auf Vollzug der Urkunde hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 9.10.2003 u.a. dahingehend beanstandet, dass der Überlassungsvertrag, weil er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil für die minderjährigen Erwerber darstelle, von einem zu bestellenden Pfleger zu genehmigen und eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung vorzulegen sei. Der Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Das Landgericht hat am 12.1.2004 die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Der Senat möchte die zulässige weitere Beschwerde zurückweisen. Er hält in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung ebenso wie der anderer Oberlandesgerichte den zum Vollzug vorgelegten Überlassungsvertrag für nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Er sieht sich jedoch an einer Entscheidung in der Sache gehindert, weil er in der Frage des für die Genehmigung des notariellen Vertrags zuständigen Gerichts von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 11.6.2003 (2 Wx 18/03 = ZMR 2004, 189 = Rpfleger 2003, 570) abweichen will. Bei dem Vertrag handelt es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft; das Erfordernis gerichtlicher Genehmigung erfasst den gesamten Vertragsinhalt. Der Senat kann deshalb auch nicht selbständig über diejenigen Auflagen in der Zwischenverfügung des Grundbuchamts entscheiden, in denen er nicht abweichen will.

1. Das Landgericht hat zur Genehmigungsbedürftigkeit des vorgelegten Vortrags ausgeführt:

Die mit dem Vertragsabschluss verbundenen Willenserklärungen der Minderjährigen seien für diese nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Vorteilhaft sei, wenn der Minderjährige aus seinem vorhandenen Vermögen nichts aufgeben und keine neue Belastung auf sich nehmen müsse, damit der Vertrag zustande kommt. Hier stelle bereits die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts ohne Beschränkung der Erwerberhaftung auf die Herausgabe nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung einen rechtlichen Nachteil dar. Fehle nämlich eine Haftungsbeschränkung, so bestehe jedenfalls die abstrakte Gefahr, dass der Beschenkte mit seinem gesamten übrigen Vermögen auf Wertersatz hafte. Zudem komme auch eine Haftung des Minderjährigen auf Schadensersatz in Betracht. Darüber hinaus solle der Erwerber vertraglich für alle Kosten, Steuern und Gebühren aufkommen. Es sei im Vertrag zum einen nicht festgelegt, welche Kosten, Steuern und Gebühren davon erfasst seien; zum anderen stelle die Regelung eine Erweiterung der Erwerberhaftung dar.

2. Der Senat teilt den Standpunkt des Landgerichts.

a) Nach § 20 GBO hat das Grundbuchamt vor der Eintragung einer Eigentumsänderung die Wirksamkeit der erklärten Auflassung nach § 925 BGB zu prüfen. Die minderjährigen Beteiligten bedürfen zu einer Willenserklärung, durch die sie nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, der Einwilligung ihrer Eltern als ihrer gesetzlichen Vertreter (§ 107 BGB i.V.m. § 1629 Abs. 1 BGB). Eltern können grundsätzlich nicht als gesetzliche Vertreter ihres Kindes mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft vornehmen, es sei denn, es besteht ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit (§ 181 BGB i.V.m. § 1629 Abs. 2 BGB und § 1795 Abs. 2 BGB). Bringt das Insichgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil, gilt weder das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) noch das Vertretungsverbot (§ 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1629 Abs. 2 BGB; h.M. siehe nur BayObLGZ 1979, 49/52; OLG Dresden MittBayNot 1996, 288/289). Für das minderjährige Kind muss in diesem Fall kein Pfleger handeln und die Beteiligten zu 2 und 3 brauchen dann auch nicht für die Annahme der Auflassung der Mitwirkung ihrer Eltern als ihrer gesetzlichen Vertreter.

b) Das Geschäft ist als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft einzuordnen.

Ein rechtlicher Vorteil ist zu bejahen, wenn der Minderjährige aus seinem Vermögen, das er bei Abschluss des Vertrags besitzt, nichts aufgeben und auch keine neuen Belastungen auf sich nehmen muss, damit der Vertrag zustande kommt (BayObLGZ 1979, 49/53). Die Frage, ob ein Vertrag rechtlich vorteilhaft ist, kann nicht isoliert für einzelne Teile des Rechtsgeschäfts, insbesondere nicht getrennt für den schuldrechtlichen und den dinglichen Teil, beantwortet werden, sondern ist aus einer Gesamtbetrachtung des Vertrags heraus zu beurteilen (BGHZ 78, 28/34 f.; OLG Köln ZMR 2004, 189/190).

(1) Mit rechtlichen Nachteilen ist der Erwerb des Grundstücks nicht schon deshalb verbunden, weil das Grundstück zu gleicher Urkunde mit einem Eigentümernießbrauch belastet wird. Auch rechtstechnisch erwerben die Beteiligten zu 2 und 3 das Grundstück schon als mit dem Nießbrauch belastet (BayObLGZ 1979, 49/54). Das Geschenk ist gleichsam um den Belastungsgegenstand gemindert. Zudem sind die mit dem Nießbrauch verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen des Eigentümers aus § 1041 BGB und § 1047 BGB abbedungen.

(2) Jedoch ist im Rahmen des vorbehaltenen Rücktrittsrechts nicht hinreichend gesichert, dass die Haftung der Beschenkten auf das unentgeltlich Zugewendete beschränkt bleibt.

Zwar wird der rechtliche Vorteil einer Schenkung nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese nach § 528 BGB zurückgefordert oder nach § 530 BGB widerrufen werden kann und der Beschenkte das Grundstück sodann nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzugewähren hat (§ 528 Abs. 1 Satz 1 a.E. BGB, § 531 Abs. 2 BGB). Denn der Beschenkte haftet nach § 818 Abs. 3 BGB nur, soweit er noch bereichert ist (siehe OLG Dresden MittBayNot 1996, 288/290). Hieraus leitet die herrschende Meinung den Grundsatz ab, dass auch bei einer vertraglichen Einräumung eines Rückforderungsrechts dieses dann nicht als nachteilig einzustufen ist, wenn dem Minderjährigen keine zusätzlichen Pflichten über die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung hinaus auferlegt werden (BayObLG Rpfleger 1974, 309/310; OLG Köln Rpfleger 1998, 159; ZMR 2004, 189/191; Schaub in Bauer/v. Oefele GBO AT VII Rn. 235; Klüsener Rpfleger 1981, 461/467). Die gewählte Klausel schafft aber eine eigene vertragliche Verpflichtung zur Rückübereignung ohne Beschränkung auf einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich und setzt die Erwerber somit der zumindest abstrakten Gefahr aus, aus ihrem sonstigen Vermögen Wertersatz oder Schadensersatz leisten zu müssen (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 BGB i.V.m. §§ 280 ff. BGB; siehe BayObLG Rpfleger 1974, 309 f.; OLG Köln Rpfleger 1998, 159; ZMR 2004, 189/191; Stutz MittRhNotK 1993, 205/213; Klüsener Rpfleger 1981, 258/263 f.; auch Fembacher/ Franzmann MittBayNot 2002, 78/82). Eine Haftungsbeschränkung durch Verweis auf einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich im Fall der Rückabwicklung enthält die Rücktrittsklausel nämlich nicht. Vielmehr lässt sie, auch im Zusammenhang mit der Regelung zur Kostentragung, eher den gegenteiligen Schluss zu. Doch schon dann, wenn die Formulierung der Klausel Zweifel an einer Beschränkung auf das Zugewendete offen lässt, ist die Genehmigung notwendig (so insbesondere OLG Köln Rpfleger 1998, 159; ZMR 2004, 189/191; auch Fembacher/Franzmann MittBayNot 2002, 78/83; kritisch Gschoßmann MittBayNot 1998, 236/237). Würde der beschenkte Minderjährige das Eigentum beschädigen, könnte er sich bei Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs gegenüber dem Schenker wegen Schlechterfüllung oder teilweiser Nichterfüllung schadensersatzpflichtig machen (vgl. BayObLG Rpfleger 1974, 309/310). Das kann dazu führen, dass der Beschenkte zwar das ihm zugewendete Grundstück ohne Gegenleistung wieder herausgeben, die Schadensersatzforderung aber aus dem eigenen Vermögen erfüllen müsste, ohne dass er jemals Nutzungen aus dem Grundstück gehabt hätte. Denn nach dem Vertrag hat er sogleich "ab dem heutigen Tage" die Lasten und Gefahren aller Art zu tragen, soweit sie nicht aufgrund des Eigentümernießbrauchs weiterhin dem Veräußerer zustehen. Aus den Gründen des Minderjährigenschutzes ist an dieser Rechtsauffassung festzuhalten.

Schließlich begründet auch die Regelung zur Kostentragung jedenfalls insofern einen rechtlichen Nachteil, als der Erwerber, der die den Rücktritt begründenden Umstände ausgelöst hat, sämtliche Kosten, Steuern und Gebühren tragen muss. Dies geht über den im Außenverhältnis zum Veräußerer bestehenden gesetzlichen Haftungsumfang hinaus und legt einen internen Haftungsausgleich (§ 426 BGB) bereits fest. Der betroffene Erwerber ist dadurch rechtlich schlechter gestellt, weil im Außenverhältnis seine Kostenhaftung jedenfalls nicht auf seinen Anteil beschränkt ist.

3. Der Senat will die Zwischenverfügung des Grundbuchamts auch insoweit bestätigen, als den Betroffenen die Vorlage einer Genehmigung des Vertrags durch das Vormundschaftsgericht aufgegeben wird. Damit würde der Senat jedoch von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 11.6.2003 (Rpfleger 2003, 570 = ZMR 2004, 189) abweichen, das eine entsprechende Zwischenverfügung insoweit beanstandet und aufgehoben hat. § 79 Abs. 2 GBO erfasst seinem Wortlaut nach zwar nur Vorschriften, die das Grundbuchrecht betreffen. Es ist jedoch anerkannt, dass die Vorlagepflicht sich auf alle Vorschriften erstreckt, von deren Anwendung die von dem Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung abhängt. Erfasst sind damit auch alle materiell-rechtlichen Vorschriften, die das Grundbuchamt anzuwenden hat, sofern sie auf bundesgesetzlicher Regelung beruhen (Budde in Bauer/v. Oefele GBO § 79 Rn. 11 m.w.N.), somit alle Vorschriften des im BGB geregelten Familienrechts, die die Zuständigkeit von Familiengericht und Vormundschaftsgericht begründen.

a) Es kann dahinstehen, welches Gericht, nämlich das Familiengericht oder das Vormundschaftsgericht, für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft sowie die Auswahl und Bestellung des Ergänzungspflegers zuständig ist (dazu BayObLG FamRZ 2000, 568; 2000, 1111; Bestelmeyer Rpfleger 2000, 158 f. m.w.N.).

b) Das Oberlandesgericht Köln ist jedoch in einer vergleichbaren Fallgestaltung der Rechtsauffassung, zuständig für die wegen § 1821 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 BGB i.V.m. § 1643 Abs. 1 BGB erforderliche gerichtliche Genehmigung sei nach der Reform des Kindschaftsrechts zum 1.7.1998 nicht mehr das Vormundschaftsgericht, sondern das Familiengericht (im Ergebnis ebenso OLG Hamm FamRZ 2001, 717/718). Demgegenüber besteht nach Ansicht des Senats jedenfalls für die Genehmigung des Vertrags weiterhin die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts (vgl. Zorn Rpfleger 2000, 719/721 rechte Sp.; Bestelmeyer FamRZ 2001, 718; Wolf Rpfleger 2003, 557/558). Das folgt daraus, dass § 1643 BGB nur die Genehmigung von Elterngeschäften, nicht aber die von Pflegergeschäften im Fall des Ausschlusses der Eltern erfasst. Für die Genehmigung von Geschäften des Ergänzungspflegers nach §§ 1909, 1915, § 1821 Nrn. 1 und 4 BGB verbleibt es hingegen bei der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts (ebenso BayObLG Rpfleger 2004, 93). Das mögliche Nebeneinander von Zuständigkeiten des Familiengerichts und des Vormundschaftsgerichts muss insoweit hingenommen werden.



Ende der Entscheidung

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