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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 49/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
FGG § 12
WEG § 22 Abs. 1
1. Die Entfernung eines schon bei Begründung des Wohnungseigentums auf einer Gemeinschaftsfläche befindlichen Grillplatzes stellt in der Regel eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung dar.

2. Schutz- und Treuepflichten der Wohnungseigentümer untereinander können den Anspruch eines Wohnungseigentümers begründen, dass eine bauliche Anlage (hier: Sitz- und Grillplatz) entfernt wird, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an dem gegenwärtigen Zustand als grob unbillig erscheinen lassen. Dies festzustellen, ist in erster Linie Sache des Tatrichters.


Gründe:

I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragstellerin gehört eine im zweiten Stock der Anlage gelegene Wohnung. Im südwestlichen Grundstücksbereich, in Luftlinie etwa 15 m entfernt vom Wohnzimmerfenster der Antragstellerin, befindet sich auf der Gemeinschaftsfläche ein Grillplatz, der mit einem Tisch, fünf Bänken, einer Pergola, einem Grillofen sowie einem Sandkasten eingerichtet ist. Diese Grillsitzecke war schon etwa zwei Jahre vor Begründung des Wohnungseigentums im Jahr 2001 angelegt. In der Teilungserklärung vom 29.1.2001 ist sie nicht ausgewiesen. Die Grillsitzecke steht allen Miteigentümern offen, wird jedoch überwiegend von etwa sechs Familien genutzt.

In der Eigentümerversammlung vom 20.11.2002 wurde mehrheitlich ein Antrag auf Auflösung des Grillplatzes abgelehnt.

Die Antragstellerin fühlt sich durch Lärm und Rauch bei der Nutzung des Grillplatzes belästigt. Sie hat beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären sowie die Eigentümergemeinschaft zu verpflichten, der Auflösung des Grillplatzes zuzustimmen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.4.2003 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin einschließlich des nun zusätzlich gestellten Hilfsantrags, einer Verlegung des Grillplatzes in den nordöstlichen Bereich der Wohnanlage zuzustimmen, am 30.1.2004 zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss, die Auflösung des Grillplatzes abzulehnen, sei als Negativbeschluss anfechtbar. Er entspreche aber ordnungsmäßiger Verwaltung, weil die Antragstellerin gerade keinen Anspruch auf Zustimmung zur Auflösung des Grillplatzes habe.

Die Beseitigung des Grillplatzes wäre eine bauliche Veränderung. Wegen des damit verbundenen Entzugs der Nutzungsmöglichkeit sei die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erforderlich. Gegen diese bestehe aber kein Anspruch auf Abänderung des vorhandenen Zustands. Es fehle an außergewöhnlichen Umständen, die ein Festhalten als grob unbillig und damit gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen. Die Entfernung der Anlage zum Wohnzimmerfenster der Antragstellerin betrage mindestens 15 m. Zwischen dem Sitzplatz und der Wohnung befinde sich u.a. ein Zufahrtsweg. Grill- und Sitzplatz lägen näher am Nachbargebäude als an dem Gebäude, in dem die Antragstellerin ihre Wohnung habe. Diese habe ihre Wohnung auch in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten erworben. Überdies hätten die Antragsgegner angeboten, übermäßige Beeinträchtigungen der Antragstellerin auch durch den Erlass einer Nutzungsordnung zu beheben. Die Antragstellerin habe sich derartigen Lösungsmöglichkeiten gegenüber verweigert. Ihr bleibe es unbenommen, gegen einzelne Eigentümer, die die Grillfläche übermäßig nutzten, gesondert vorzugehen.

Auch der Hilfsantrag bleibe ohne Erfolg. Die Ungültigerklärung des Negativbeschlusses könne schon deshalb nicht verlangt werden, weil er nur die Auflösung, nicht eine Verlegung verneine. Auf die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zur Verlegung des Grillplatzes bestehe kein Anspruch, weil die Beibehaltung am gegenwärtigen Ort die Antragstellerin nicht unzumutbar belaste, während eine Verlegung andere Wohnungseigentümer beeinträchtigen könne.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat nicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen, indem es den Schriftsatz der Antragstellerin vom 6.2.2004 bei seiner am 4.2.2004 hinaus gegebenen Entscheidung vom 30.1.2004 nicht berücksichtigt hat. Das Landgericht hat auf den erstmalig unter dem 30.12.2003 gestellten Hilfsantrag den Antragsgegnern mit Verfügung vom 14.1.2004 Gelegenheit gegeben, sich bis 10.2.2004 zu äußern. Eine ergänzende Schriftsatzfrist für die Antragstellerin hat es nicht gesetzt. Dazu bestand auch nach Eingang des Erwiderungsschriftsatzes vom 22.1.2004 kein Anlass. Denn neuer Sachvortrag war darin nicht enthalten. Tatsächlich beinhaltete der Schriftsatz der Antragstellerin vom 6.2.2004 eine Erwiderung auf denjenigen der Antragsgegner vom 7.1.2004. Doch auch dieser enthielt, insbesondere zum Vorhandensein des Grillplatzes bereits bei Errichtung der Wohnanlage, keinen Vortrag, der nicht schon in das Verfahren eingebracht war. Vielmehr hatte bereits die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift angegeben, dass das Vertrauen der Erwerber von Wohnungseigentum auch auf den äußeren Bestand und den baulichen Zustand der Wohnanlage im Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum geschützt werde, damals aber der Grillplatz vorhanden gewesen sei. Dies besagt nichts anderes, als dass die Antragstellerin ihre Wohnung in Kenntnis des davor gelegenen Grillplatzes erworben hat. Die im Schriftsatz vom 6.2.2004 geschilderte Zusammenkunft von Kaufinteressenten und die dabei aufgestellten Forderungen vom Verkäufer oder an den Verkäufer auf Beseitigung jeglichen Privateigentums auf Gemeinschaftsgrund bildet hingegen neuen Sachvortrag, den das Landgericht nach Erlass seiner Entscheidung vom 30.1.2004 am 4.2.2004 durch Hinausgabe der Ausfertigungen von der Geschäftsstelle an die Post (vgl. Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 18 Rn. 3) nicht mehr berücksichtigen konnte. Denn zu einer Abänderung erlassener wohnungseigentumsrechlicher Entscheidungen ist das Gericht nicht befugt (§ 18 Abs. 2 FGG, § 45 Abs. 1 WEG; Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler § 18 Rn. 13).

Überdies wäre aber ein Gehörsverstoß letztlich nicht kausal für die getroffene Beschwerdeentscheidung geworden. Denn der Umstand, dass die Kaufinteressenten vor Errichtung des Wohnungseigentums von der Verkäuferseite letztlich erfolglos verlangten oder aufgefordert wurden, den Grillplatz auf der zukünftigen Gemeinschaftsfläche zu beseitigen, beeinflusst das Ergebnis nicht. Zum Zeitpunkt der Begründung des Wohnungseigentums war der Grillplatz vorhanden. Für die Beurteilung, ob eine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG vorliegt, kommt es auf den äußeren Bestand und den baulichen Zustand der Wohnanlage zu diesem Zeitpunkt an (BayObLG ZMR 2001, 909; siehe auch Staudinger/Bub WEG § 22 Rn. 3 und 39). Hingegen ist es unerheblich, dass der Grillplatz im Aufteilungsplan nicht ausgewiesen ist. Daraus können sich Ansprüche der Antragstellerin gegen den Verkäufer auf Beseitigung des Grillplatzes ergeben, nicht jedoch solche gegen die Wohnungseigentümer. Dass sich diese in ihrer Gesamtheit untereinander verpflichtet hätten, den Grillplatz zu beseitigen, ist nicht vorgetragen und nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch unwahrscheinlich.

b) Soweit es der Antragstellerin um die gänzliche Beseitigung der Anlage geht, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der in der Eigentümerversammlung gefasste Negativbeschluss anfechtbar ist und der Antrag auf Ungültigerklärung nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis scheitert (vgl. BGHZ 148, 335; 152, 46/51 f.; BayObLG Beschluss vom 26.9.2003, 2Z BR 25/03). Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Ablehnung einer Auflösung des Grillplatzes als Maßnahme einer ordnungsmäßigen Verwaltung angesehen und einen Anspruch der Antragstellerin aus § 10 Abs. 1 WEG, § 242 BGB gegen die übrigen Wohnungseigentümer, der Auflösung, hilfsweise einer Verlegung des Grillplatzes, zuzustimmen, verneint. Dabei hat das Landgericht die wesentlichen Umstände des Falles, insbesondere die örtlichen und baulichen Verhältnisse, berücksichtigt. Es hat ferner ein achtenswertes Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an der zweckgerechten Nutzung des Grillplatzes erkannt und schließlich in die Abwägung noch die Möglichkeit einbezogen, etwaigen Beeinträchtigungen einzelner Wohnungseigentümer durch den Erlass einer Benutzungsordnung (vgl. § 15 Abs. 2, § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 1 WEG), worauf die Antragstellerin im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung einen eigenständigen Anspruch hätte (§ 21 Abs. 4 WEG), Rechnung zu tragen.

Diese im Wesentlichen tatsächlichen Feststellungen sind ohne Rechtsfehler getroffen und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1, Satz 2 FGG, § 559 ZPO). Denn den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach pflichtgemäßem Ermessen, ohne an Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Zwar verpflichtet der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 12 FGG das Gericht, alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Beweise zu erheben. Das bedeutet aber nicht, allen nur denkbaren Möglichkeiten von Amts wegen nachgehen zu müssen. Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht besteht vielmehr nur, soweit das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt bei sorgfältiger Überlegung dazu Anlass geben. Weitere Ermittlungen brauchen nicht mehr angestellt zu werden, wenn von ihnen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rn. 137; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 43 WEG Rn. 16). Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Insbesondere hat es ohne Ermessensverstoß davon abgesehen, einen Augenschein einzunehmen (siehe dazu BayObLG WuM 2004, 48). Dazu gab der Sachvortrag der Beteiligten nämlich keinen hinreichenden Anlass. Denn die örtlichen Verhältnisse waren in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht anhand einer Planskizze unstreitig gestellt. Ob die Schlussfolgerungen des Landgerichts die einzig möglichen oder auch nur die nächstliegenden sind, ist nicht entscheidend (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler § 27 Rn. 42). Soweit die Antragstellerin in der Rechtsbeschwerdebegründung, versehen mit Beweisangeboten, erstmals vorbringt, die besondere bauliche Situation an der Ostseite des Hauseingangs durch einen Vorbau bedinge einen "Stau" und führe dazu, dass die Emissionen verstärkt in ihre Wohnung drängen, ist dieser Vortrag neu und kann vom Senat nicht berücksichtigt werden (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler § 27 Rn. 45).

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, dass die in allen Rechtszügen unterlegene Antragstellerin die gerichtlichen und auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und stimmt mit den angemessenen Festsetzungen in den vorangegangenen Rechtszügen überein.



Ende der Entscheidung

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