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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.08.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 50/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 2
Zur Frage, inwieweit mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung gegen Wohngeldansprüche aufgerechnet werden kann.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 28. August 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Wohngelds,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 13. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 26355,93 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die Verwalterin einer Wohnanlage, in der dem Antragsgegner zwei Wohnungen gehören. Der Antragsgegner ist auch Gesellschafter einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, die als Bauträgerin die Anlage erstellt hat. Zwischen den Wohnungseigentümern und der Bauträgergesellschaft besteht Streit über die Beseitigung von Baumängeln.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht in Verfahrensstandschaft für die übrigen Wohnungseigentümer Wohngeldansprüche in Höhe von insgesamt 26355,93 DM nebst Zinsen gegen den Antragsgegner geltend gemacht. Der Antragsgegner hat die Wohngeldforderung nicht bestritten, jedoch die Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus Notgeschäftsführung wegen des Austauschs der hölzernen Fenster und Terrassentüren in seinen Wohnungen erklärt.

Der Antragsgegner hatte seine Wohnungen vermietet. Wegen undichter Fenster und Terrassentüren minderten seine Mieter den Mietzins ab 1.9.1997 um 25 %; eine Zahlungsklage des Antragsgegners blieb erfolglos. Im Dezember 1998 ließ der Antragsgegner ein Sachverständigengutachten über die vorhandenen Mängel erstellen. Im Februar 1999 verlangte er von den Wohnungseigentümern die Erneuerung der Fenster und Beseitigung der weiteren Mängel. Sein Antrag wurde in den Eigentümerversammlungen vom 16.4. und 17.5.1999 behandelt. Die Verwalterin teilte dem Antragsgegner am 27.5.1999 mit, in der Versammlung vom 17.5.1999 sei festgestellt worden, dass die Fenster von der gesamten Mängelbeseitigungsaktion umfasst seien und von dem neuerlich zu beauftragenden Gutachter besichtigt würden. Unabhängig davon habe der Antragsgegner als Bauherr gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter für die Mängelbeseitigung im Rahmen der Gewährleistung zu sorgen. Der Antragsgegner schrieb der Verwalterin am 24.8.1999, er habe die Wohnungen verkauft und für den 30.10.1999 die Übergabe in saniertem Zustand vereinbart. Er forderte die Verwalterin auf, die Sanierung der Fenster, die zum Gemeinschaftseigentum gehörten, umgehend auf Kosten der Wohnungseigentümer durchführen zu lassen. Die Verwalterin lehnte dies mit Schreiben vom 1.9.1999 unter Hinweis auf eine Gewährleistungspflicht des Antragsgegners als Bauträger und auf ein schwebendes Gerichtsverfahren ab. In der Folgezeit ließ der Antragsteller selbst neue Fensterelemente einbauen. Mit seinen auf 30000 DM bezifferten Aufwendungen rechnet er gegen die Wohngeldforderung auf. Die Antragstellerin bestreitet den Gegenanspruch.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 29.11.2000 zur Zahlung des geforderten Wohngelds nebst Zinsen verpflichtet. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.2.2001 den Zinsausspruch teilweise abgeändert; im übrigen hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen Antrag auf Abweisung der geltend gemachten Ansprüche weiter.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die unstreitige Wohngeldforderung sei nicht durch die Aufrechnung des Antragsgegners erloschen; seine Gegenforderung sei weder anerkannt noch rechtskräftig festgestellt noch beruhe sie auf einer Notgeschäftsführung. Das Problem der morschen und undichten Fenster sei der Verwalterin sowie den Wohnungseigentümern bekannt gewesen und auf mehreren Eigentümerversammlungen erörtert worden. Das Ergebnis dieser Beratungen, nämlich die Mängel nicht umgehend selbst zu beheben, sondern im Rahmen des Verfahrens über die Gewährleistungsansprüche eine Sanierung durch die Bauträgerin zu erreichen, habe der Antragsgegner hinzunehmen. Wenn er dieses Vorgehen für eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung halte, könne er gerichtlich vorgehen. Es gehe jedoch nicht an, dass ein Wohnungseigentümer, der zugleich Gesellschafter der Bauträgerin sei, durch eigenmächtiges Handeln die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums unterlaufe.

Weder die Gemeinschaft noch die Verwalterin hätten sich geweigert, für die Beseitigung der Mängel zu sorgen. Die Verwalterin habe in ihrem Schreiben vom 27.5.1999 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fenster von der gesamten Mängelbeseitigung umfasst seien und von einem Gutachter besichtigt würden. In ihrem Schreiben vom 1.9.1999 habe die Verwalterin erneut auf das laufende Gerichtsverfahren hingewiesen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass im Sommer/Herbst 1999 eine Verschlechterung der dem Antragsgegner spätestens seit September 1997 bekannten Situation eingetreten sei, die eine zusätzliche Schädigung des Gemeinschaftseigentums habe befürchten lassen. Der Antragsgegner habe die in seinem Schreiben vom 24.8.1999 gesetzte kurze Frist für die Sanierung allein mit seinen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag begründet. Er habe den Austausch der Fenster offensichtlich nicht vornehmen lassen, um weiteren Schaden vom Gemeinschaftseigentum abzuwenden, sondern um seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag zu erfüllen und die Wohnungen zum vereinbarten Termin in saniertem Zustand übergeben zu können.

2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern.

a) Der Antragsgegner hat gegen die geltend gemachten Wohngeldansprüche keine Einwendungen erhoben. Damit sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Die vom Antragsgegner erklärte Aufrechnung greift nicht durch.

b) Die Aufrechnung eines Wohnungseigentümers gegen Wohngeldforderungen ist nach gefestigter Rechtsprechung (BayObLG FGPrax 1999, 176/177 m.w.N.; vgl. die Zusammenstellung bei Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 228) grundsätzlich ausgeschlossen und nur in Ausnahmefällen zulässig. Da die Wohnungseigentümer auf pünktliche Zahlungen der Beiträge zur Sicherheit ihrer Zahlungsfähigkeit angewiesen sind, darf diese nicht durch eine Auseinandersetzung mit Gegenansprüchen gefährdet werden. Es kann offen bleiben, ob nach diesen Grundsätzen eine Aufrechnungsbefugnis des Antragsgegners schon deswegen zu verneinen ist, weil er als Gesellschafter der Bauträgerin mit dem Austausch der mangelhaften Fenster möglicherweise deren Gewährleistungsverpflichtung erfüllt hat, denn für den Fall des Nichtbestehens von Gewährleistungsansprüchen bleibt es ihm unbenommen, gegen die übrigen Wohnungseigentümer Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung geltend zu machen (vgl. BayObLG ZMR 2000, 187 m.w.N.). Die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung gemäß § 21 Abs. 2 WEG, auf die der Antragsgegner seine Aufrechnung stützt, hat das Landgericht jedenfalls zu Recht verneint.

(1) Gemäß § 21 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer berechtigt, ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer einseitig diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um dem Gemeinschaftseigentum unmittelbar drohenden Schaden abzuwenden. Da es grundsätzlich dem Verwalter einer Gemeinschaft obliegt, auf der Grundlage von Beschlüssen der Wohnungseigentümer für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu sorgen, sind hierunter nur diejenigen Fälle zu rechnen, in denen dem eingreifenden Eigentümer ein Zuwarten bis zu einem Tätigwerden des Verwalters oder bis zur Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht zugemutet werden kann (BayObLG WuM 1997, 398/399 m.w.N.). Daher ist mangels Eilbedürftigkeit ein Eingreifen dann nicht erlaubt, wenn ein gefahrträchtiger Zustand bereits mehrere Jahre besteht und der Verwalter bereits längere Zeit Kenntnis von der Situation hat oder die Wohnungseigentümer bereits Gespräche darüber geführt haben; es sei denn, die Maßnahme ist plötzlich so dringend und unaufschiebbar geworden, dass es dem eingreifenden Wohnungseigentümer nicht zuzumuten wäre, einen Eigentümerbeschluss gemäß § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG herbeizuführen oder die Einwilligung der übrigen Wohnungseigentümer zu den erforderlichen Maßnahmen notfalls im gerichtlichen Verfahren gemäß § 21 Abs. 4 WEG zu erwirken (Senatsbeschluss vom 11.6.2001 2Z BR 128/00; BayObLG WuM 1993, 482/483; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 39, 40; Staudinger/Bub § 21 Rn. 41, 44).

(2) Eine besondere Eilbedürftigkeit hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint. Es hat zutreffend angenommen, dass die Wohnungseigentümer und die Verwalterin eine Sanierung der Fenster nicht von vornherein abgelehnt haben. Da sie das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen gegen die Bauträgerin in Betracht zogen, entsprach es ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG), zunächst die Ursache der Schäden durch einen Sachverständigen klären zu lassen. Entgegen der Meinung des Antragsgegners brauchte das Landgericht nicht zu prüfen, ob Gewährleistungsansprüche tatsächlich bestehen, denn solche Ansprüche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Dem Schreiben des Antragsgegners vom 24.8.1999 hat das Landgericht zu Recht entnommen, dass er wegen des Verkaufs seiner Wohnungen auf eine Sanierung der Fenster gedrängt und diese schließlich selbst durchgeführt hat, nicht aber wegen einer plötzlichen Verschlechterung des Zustands des Gemeinschaftseigentums.

c) Im Weg der Notgeschäftsführung hätte der Antragsgegner nur solche Maßnahmen veranlassen dürfen, die den Eintritt des unmittelbar drohenden Schadens verhindern, also die Gefahrenlage beseitigen, nicht aber der dauerhaften Behebung der Schadensursache dienen (Senatsbeschluss vom 11.6.2001 2Z BR 128/00; BayObLG ZMR 1997, 37/38; Staudinger/Bub 21 Rn. 49; Bärmann/Merle § 21 Rn. 42).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, dem hinsichtlich der Hauptforderung in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG). Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und übereinstimmend mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen auf 26355,93 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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