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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 50/04
Rechtsgebiete: GG, WEG


Vorschriften:

GG Art. 103
WEG § 24 Abs. 4 Satz 2
1. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert es nicht, dass das Beschwerdegericht auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung hinweist, die bereits vom Amtsgericht zitiert ist, wenn das Beschwerdegericht diese Rechtsprechung ebenso würdigt wie das Amtsgericht.

2. Im Fall der Nichteinhaltung der Einberufungsfrist zu einer Eigentümerversammlung ist ein Beschluss jedenfalls dann für ungültig zu erklären, wenn feststeht, dass er bei rechtzeitiger Einberufung so nicht zustande gekommen wäre.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1 haben einen Miteigentumsanteil von 381/1000, der Antragsgegner zu 2 einen solchen von 238/1000. Den Antragstellern gehört die Eigentumswohnung gemeinsam.

Ob rechtsgeschäftliche Regelungen zum Stimmrecht getroffen worden sind, hat das Landgericht nicht festgestellt.

In der Eigentümerversammlung vom 13.5.2003 waren nur die Antragsgegner anwesend. Nach Bestellung der Antragsgegnerin zu 2 zur Verwalterin wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2.4 mit den Stimmen des Antragsgegners zu 2 bei Stimmenthaltung der Antragsgegnerin zu 1 der Antrag auf Abschluss eines Verwaltungsvertrags mit der Antragsgegnerin zu 1 angenommen.

Die Antragsteller haben den Beschluss über den Abschluss des Verwaltervertrags angefochten. Zur Begründung haben sie angeführt, dass die Einlandung zur Eigentümerversammlung ihnen erst am 8.5.2003 zugegangen sei und dass die Eigentümerversammlung zum Tagesordnungspunkt "Abschluss des Verwaltervertrags" nicht beschlussfähig gewesen sei, da die Antragsgegnerin zu 1 vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen sei. Die Antragsgegner haben für den Zugang der Einladung bereits am 5.5.2003 Zeugenbeweis angeboten. Das Amtsgericht hat den im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch verfahrensgegenständlichen Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses zum Verwaltervertrag abgewiesen. In der Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Antragsteller seien dem Vortrag der Antragsgegner zur rechtzeitigen Ladung nicht mehr entgegengetreten.

Die Antragsteller haben gegen den Beschluss des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und im Beschwerdeschriftsatz erneut die nicht rechtzeitige Einladung gerügt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 18.12.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Versammlung sei auch bei der Abstimmung über den Verwaltervertrag beschlussfähig gewesen, da die Antragsgegnerin zu 1 nicht nach § 25 Abs. 5 WEG von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen sei. Auf den umstrittenen Ladungsmangel ist das Landgericht nicht eingegangen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat nicht dadurch gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) verstoßen, dass es nicht rechtzeitig auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.9.2002 (NJW 2002, 3704 ff. = WuM 2003, 47 ff.) hingewiesen bzw. den Antragstellern nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hätte. Das Problem des Stimmrechtsausschlusses wurde nämlich bereits im Verfahren vor dem Amtsgericht schriftsätzlich erörtert und ist auch in den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung ausführlich und unter Anführung von Literatur und Rechtsprechung behandelt. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass das Amtsgericht die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits zitiert hat, wenn auch mit der Fundstelle "WM 03, 47". Wenn das Landgericht auf dieselbe Entscheidung, allerdings mit der Fundstelle "NJW 2002, 3704" erneut hingewiesen hat, so ist nicht ersichtlich, inwieweit dadurch das rechtliche Gehör der Antragsteller verkürzt worden sein soll. Eine Hinweispflicht des Beschwerdegerichts auf Entscheidungen, die bereits vom Erstgericht zitiert worden sind, besteht jedenfalls dann nicht, wenn das Beschwerdegericht die zitierte Entscheidung in gleicher Weise heranzieht wie das Erstgericht.

Da somit kein Verfahrensverstoß vorliegt, können die Antragsteller mit ihrem neuen Vorbringen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (§ 27 Abs. 1 FGG).

Das Landgericht hat keine Feststellungen getroffen, die einen Stimmrechtsausschluss der Antragsgegnerin zu 1 nach § 25 Abs. 5 WEG bei der Abstimmung über den Verwaltervertrag rechtfertigen würden. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

b) Die Entscheidung des Landgerichts kann jedoch aus anderen Gründen keinen Bestand haben.

Die Antragsteller haben sowohl in der Antragsschrift als auch in der Beschwerdeschrift behauptet, dass die Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht eingehalten war. Da die Vorinstanzen den angebotenen Beweis hierzu nicht erhoben haben, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren von einer Nichteinhaltung der Ladungsfrist auszugehen. Dass ein Fall besonderer Dringlichkeit vorlag, ist nicht ersichtlich.

Nach der Rechtsprechung des Senats (ZMR 1999, 186 = NZM 1999, 130; vgl. auch BGH NJW 2002, 1647/1651) führt ein Einberufungsmangel dann nicht zur Ungültigerklärung von Beschlüssen, wenn feststeht, dass sie ohne den Einberufungsmangel ebenso gefasst worden wären. Umgekehrt ist der Beschluss jedenfalls dann für ungültig zu erklären, wenn feststeht, dass der Beschluss bei ordnungsmäßiger Einberufung so nicht gefasst worden wäre (Palandt/Bassenge BGB § 24 WEG Rn. 9). Der Gegenmeinung (Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 24 Rn. 33) vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar handelt es sich bei § 24 Abs. 2 Satz 2 WEG nur um eine Sollvorschrift. Die Vorschrift würde jedoch ihren Sinn verlieren, wenn sie in jeder Hinsicht sanktionslos bleiben würde. Außerdem wäre nicht verständlich, warum der Gesetzgeber den Ausnahmefall der besonderen Dringlichkeit aufgenommen hat, wenn der Verwalter nach Belieben von der Einhaltung der Einladungsfrist absehen könnte. Zu Unrecht beruft sich Merle (aaO) auf den Bundesgerichtshof (NJW 2002, 1647/1651 = WuM 2002, 277/281). Der Bundesgerichtshof hat dort die abweichende Auffassung zwar erwähnt, mangels Entscheidungserheblichkeit hierzu aber nicht Stellung genommen. Auch der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (ZWE 2002, 590/591 = ZMR 2002, 958/959) ist für die Gegenmeinung nichts zu entnehmen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt lediglich aus, dass der formelle Mangel nur dann beachtlich sein kann, wenn die Beschlussfassung auf ihm beruht.

Im vorliegenden Fall ist es in hohem Maß wahrscheinlich, dass der Beschluss nicht gefasst worden wäre, wenn die Ladungsfrist eingehalten worden wäre. Davon, dass die Antragsteller dem Beschluss nicht zugestimmt hätten, ist nach dem Akteninhalt auszugehen. Dass die Antragsgegnerin zu 1 bei Anwesenheit der Antragsteller sich nicht der Stimme enthalten hätte, ist nicht anzunehmen, da sie offensichtlich annahm, vom Stimmrecht ausgeschlossen zu sein. Das Landgericht wird nach Klärung der Frage, ob die Ladungsfrist eingehalten war, gegebenenfalls aufzuklären haben, ob die Antragsteller im Falle einer rechtzeitigen Ladung an der Eigentümerversammlung hätten teilnehmen oder sich vertreten lassen können (§ 12 FGG).

Hätten die Antragsteller gegen den Beschluss gestimmt, wäre eine Mehrheit nicht zustande gekommen. Dabei ist es unerheblich, ob entsprechend einer möglichen Vereinbarung die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen zu erfolgen gehabt hätte oder ob das gesetzliche Stimmrecht nach § 25 Abs. 2 WEG zur Anwendung gekommen wäre. Da sich die Antragsgegnerin zu 1 der Stimme enthalten hat, wäre bei einer Abstimmung nach Miteigentumsanteilen eine Mehrheit der Antragsteller gegen den Beschluss zustande gekommen. Bei einer Abstimmung nach dem Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 WEG wäre eine Stimmengleichheit entstanden, so dass es an einer Mehrheit ebenfalls gefehlt hätte.

3. Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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