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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 51/04
Rechtsgebiete: GG, WEG


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
Eine von den Wohnungseigentümern grundsätzlich hinzunehmende Parabolantenne darf die anderen Wohnungseigentümer nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen. Dies bedeutet insbesondere, dass die Antenne nur an einem zum Empfang geeigneten Ort installiert werden darf, an dem sie den optischen Gesamteindruck des Gebäudes möglichst wenig stört. Bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Standorten steht den übrigen Wohnungseigentümern ein Mitbestimmungsrecht zu. Einem Wohnungseigentümer ist es regelmäßig verwehrt, eine Parabolantenne eigenmächtig zu installieren.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Die Wohnung der Antragsgegnerin liegt im Erdgeschoss neben dem Hauseingang; sie ist an deren Bruder vermietet, der wie die Antragsgegnerin deutscher Staatsangehöriger ist. Im Bereich des Balkons der Wohnung ist vor rund 10 Jahren eigenmächtig durch den Eigentümer eine Parabolantenne angebracht worden.

Auf Grund bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 27.3.2000 wurde die Wohnanlage an das Breitbandkabelnetz angeschlossen.

Am 25.6.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer, keine Parabolspiegel an der Fassade mehr zu dulden; sie beauftragten und bevollmächtigten die Hausverwaltung, gegen Wohnungseigentümer, die Parabolspiegel ohne Genehmigung angebracht haben, gegebenenfalls unter Einschaltung eines Rechtsanwalts gerichtlich vorzugehen. Außerdem beschlossen sie, dass die Hausverwaltung in Absprache mit dem Beirat einem Wohnungseigentümer, der seine Wohnung vermietet hat und aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Duldung einer Parabolantenne gezwungen ist, eine geeignete Stelle zur Anbringung (vorzugsweise auf dem Dach) anzuweisen hat, wobei darauf zu achten ist, dass die Fassade und das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage nicht beeinträchtigt wird. Der Eigentümerbeschluss wurde von der Antragsgegnerin angefochten; eine rechtskräftige Entscheidung liegt noch nicht vor.

Auf der Grundlage des beschlossenen grundsätzlichen Verbots von Parabolantennen haben die Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Parabolantenne zu beseitigen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.5.2003 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 13.2.2004 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und dem Beseitigungsantrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

a) Die sofortige Beschwerde sei zulässig, insbesondere ermächtige der Eigentümerbeschluss vom 25.6.2002, der nicht für ungültig erklärt worden sei, die Verwalterin auch zur Einlegung von Rechtsmitteln im vorliegenden Verfahren.

b) Die Antragsgegnerin sei zur Beseitigung der Parabolantenne verpflichtet.

Das Anbringen der Parabolantenne sei eine bauliche Veränderung, die den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändere; allein die Antragsgegnerin habe eine Parabolantenne installiert, sie springe als Fremdkörper an der Fassade ins Auge, wobei hinzu komme, das sie sich an exponierter Stelle in der Nähe des Hauseingangs befinde.

Die Antragsteller müssten die Beeinträchtigung durch die Parabolantenne nicht auf Grund der grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit der Antragsgegnerin oder deren Mieter hinnehmen, da die Wohnanlage an das Breitbandkabelnetz angeschlossen sei.

Der Beseitigungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Erst auf Grund der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.11.2001 (= WUM 2002, 168), durch den die Abweisung des Antrags auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 27.3.2000 rechtskräftig geworden sei, habe die Antragsgegnerin auf einen bestehenden Kabelanschluss verwiesen werden können.

Im Übrigen sei das Beseitigungsverlangen auch auf Grund des Eigentümerbeschlusses vom 25.6.2002 gerechtfertigt. Dieser Beschluss sei zwar angefochten, eine rechtskräftige Entscheidung über den Antrag auf Ungültigerklärung liege aber noch nicht vor.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Einwand der Antragsgegnerin, seitens der Antragsteller fehle es an einer wirksamen Beschlussfassung über die Fortführung des Verfahrens und deshalb an der erforderlichen Ermächtigung, die sofortige Beschwerde einzulegen, greift nicht durch.

Für die Frage, ob die Verwalterin ermächtigt war, ein Rechtsmittel einzulegen, kommt es nicht darauf an, ob die Antragsteller einen dahingehenden Eigentümerbeschluss gefasst haben. Maßgebend hierfür ist vielmehr, ob sie eine entsprechende Verfahrensvollmacht erteilt haben. Davon ist auszugehen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsteller die in dem Eigentümerbeschluss vom 25.6.2002 erteilte Verfahrensvollmacht schon von vornherein beschränkt hatten. Eine ohne Einschränkung erteilte Vollmacht ermächtigt regelmäßig auch zur Einlegung von Rechtsmitteln (BayObLGZ 1985, 171 f.). Unerheblich ist, dass der Eigentümerbeschluss vom 25.6.2002 von der Antragsgegnerin angefochten wurde; eine rechtskräftige Entscheidung über den Antrag auf Ungültigerklärung liegt noch nicht vor.

b) Die Antragsgegnerin ist nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Beseitigung der Parabolantenne verpflichtet.

(1) Ob durch das Anbringen der Parabolantenne andere Wohnungseigentümer durch die Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung und ist durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar (BayObLG NZM 2003, 121). Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine Beeinträchtigung bejaht.

(2) Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.1.2004 (NJW 2004, 937) ausgeführt, das besondere Informationsinteresse eines ausländischen Wohnungseigentümers könne auch bei vorhandenem Kabelanschluss dazu führen, dass die übrigen Wohnungseigentümer den Nachteil hinnehmen müssten, der für den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage mit einer auf dem Balkon einer Eigentumswohnung aufgestellten Parabolantenne verbunden ist. Da über Satellit weit mehr Hörfunk- und Fernsehprogramme zu empfangen seien, müsse bezweifelt werden, ob das im Kabelnetz verfügbare Medienangebot die Meinungsvielfalt noch hinreichend widerspiegele. Die zwischenzeitlich eingetretene technische Entwicklung könne dazu führen, dass in weitergehendem Umfang auch deutsche Wohnungsnutzer nicht länger auf einen vorhandenen Kabelanschluss verwiesen werden könnten.

Im vorliegenden Fall bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, weil die Parabolantenne entfernt werden müsste, wenn die Antragsgegnerin weiterhin auf den vorhandenen Kabelanschluss verwiesen werden könnte. Aber auch dann, wenn dies nicht der Fall ist, greift das Beseitigungsverlangen durch, weil durch das eigenmächtige Aufstellen der Parabolantenne jedenfalls das Mitbestimmungsrecht der übrigen Wohnungseigentümer verletzt worden ist.

(3) Der Bundesgerichtshof hat nämlich in der genannten Entscheidung, der sich der Senat anschließt, ausgeführt, nach § 14 Nr. 1 WEG dürfe auch eine grundsätzlich hinzunehmende Parabolantenne die anderen Wohnungseigentümer nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen. Dies bedeute insbesondere, dass die Antenne entsprechend den bau- und gegebenenfalls auch denkmalschutzrechtlichen Vorschriften fachgerecht installiert werden müsse, so dass eine Beschädigung oder eine erhöhte Reparaturanfälligkeit des Gemeinschaftseigentums ausgeschlossen werden könne. Weiterhin dürfe die Antenne nur an einem zum Empfang geeigneten Ort installiert werden, an dem sie den optischen Gesamteindruck des Gebäudes möglichst wenig störe; bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Standorten stehe den übrigen Wohnungseigentümern ein Mitbestimmungsrecht zu. Zudem könnten mehrere Wohnungseigentümer, die jeweils eine Parabolantenne anbringen wollten, auf die Installation einer Gemeinschaftsparabolantenne verwiesen werden, wenn das Gemeinschaftseigentum hierdurch weniger beeinträchtigt werde. Insgesamt hänge es von den Umständen des Einzelfalls ab, welche Anforderungen an die Beschaffenheit der Parabolantenne und die Art und Weise ihrer Installation zu stellen seien, um die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Um den anderen Wohnungseigentümern Gelegenheit zu geben, ihre berechtigten Interessen zu wahren, sei es einem Wohnungseigentümer regelmäßig verwehrt, seine Parabolantenne eigenmächtig zu installieren.

Hier wurde das Mitbestimmungsrecht der übrigen Wohnungseigentümer verletzt. Die Parabolantenne wurde eigenmächtig an exponierter Stelle neben dem Hauseingang angebracht. Auch wenn der angefochtene Eigentümerbeschluss vom 25.6.2002 für ungültig erklärt werden sollte, ergibt sich aus dessen zweiten Teil jedenfalls der tatsächliche Wille der Wohnungseigentümer, ihr Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Parabolantennen auch auszuüben. Sollte die Antragsgegnerin aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf den vorhandenen Kabelanschluss verwiesen werden können, dann ist es allein Sache der Wohnungseigentümer zu bestimmen, welche Anforderungen an die Beschaffenheit der Parabolantenne und die Art und Weise ihrer Installation zu stellen sind, um die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Eine Entscheidung dazu kann im vorliegenden Verfahren nicht ergehen, da die Antragsteller noch keine Gelegenheit hatten, von ihrem Mitbestimmungsrecht Gebrauch zu machen, und nach der tatsächlichen Lage mehrere Stellen für die Anbringung einer Parabolantenne in Betracht kommen.

(4) Zutreffend hat das Landgericht eine Verwirkung des Beseitigungsverlangens verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

(5) Da die Parabolantenne zu beseitigen ist, weil die Antragsgegnerin jedenfalls das Mitbestimmungsrecht der übrigen Wohnungseigentümer verletzt hat, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 25.6.2002 Erfolg hat oder nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 WEG.



Ende der Entscheidung

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