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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.05.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 52/01
Rechtsgebiete: GBO, BGB


Vorschriften:

GBO § 29
GBO § 51
BGB § 2113
BGB § 2136
BGB § 2165
Der nicht befreite Vorerben kann über einen Nachlassgegenstand ohne Zustimmung der Nacherben verfügen, um ein vom Erblasser angeordnetes Vermächtnis zu erfüllen.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Dr. Delius und Lorbacher

am 15. Mai 2001

in der Wohnungsgrundbuchsache

Löschung von Grundschulden

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist der Ehemann der am 1.2.1989 verstorbenen Erblasserin. Der am 25.9.1996 erteilte Erbschein weist aus, dass diese aufgrund privatschriftlichen Testaments vom 6.3.1986 von ihren Söhnen, den Beteiligten zu 2 und 3, zu je 1/2 beerbt und dass Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung, beide befristet bis zum Tod des Testamentsvollstreckers, angeordnet ist. Nacherben der nicht befreiten Vorerben sind deren Abkömmlinge, ersatzweise der andere Miterbe, ersatzweise der Beteiligte zu 1. Nacherbfolge tritt nach dem Erbschein ein mit dem Tod des Vorerben. Testamentsvollstrecker ist der Beteiligte zu 1.

Nach einem weiteren privatschriftlichen Testament vom 3.2.1988 sind die Erben verpflichtet, auf Verlangen des Beteiligten zu 1 unter anderem eine der Erblasserin gehörende Eigentumswohnung "kostenfrei zu übergeben, lediglich gegen Übernahme der beim Erbfall vorhandenen Belastungen".

Im Grundbuch ist für diese Eigentumswohnung seit 9.2.1999 der Beteiligte zu 1 aufgrund Auflassung vom 22.12.1998 als Eigentümer ohne Nacherbenvermerk eingetragen. In Abteilung III des Grundbuchs sind Briefgrundschulden zu 500000 DM und 400000 DM eingetragen, deren Berechtigte die Erblasserin war. Jetzt sind als Berechtigte die Beteiligten zu 2 und 3 als Vorerben mit Nacherbenvermerk eingetragen.

Am 14.9.2000 haben die Beteiligten unter anderem die Löschung der beiden Briefgrundschulden beantragt. Dazu wurden die Bewilligung des Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker und Grundstückseigentümer sowie die Zustimmungen der Beteiligten zu 2 und 3 als Vorerben vorgelegt. Ferner wurde zu notarieller Urkunde erklärt, mit dem privatschriftlichen Testament der Erblasserin vom 3.2.1988 sei die Eigentumswohnung samt den beiden Eigentumsrechten dem Beteiligten zu 1 als Vermächtnis zugewendet worden.

Das Grundbuchamt hat am 25.9.2000 den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht durch Beschluss vom 8.2.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Für die beantragte Löschung der Grundschulden fehle die Zustimmung der Nacherben als Berechtigte der zu Fremdgrundschulden gewordenen früheren Eigentümergrundschulden. Nicht befreite Vorerben könnten die Löschung nur erreichen, wenn das Recht der Nacherben dadurch weder vereitelt noch beeinträchtigt werde. Zur Löschung bedürfe es in der Regel der Zustimmung der Nacherben. Keine Beeinträchtigung liege allerdings vor, wenn der Vorerbe ein Vermächtnis erfülle, was hier hinsichtlich der Grundstücksübertragung an den Beteiligten zu 1 der Fall gewesen sei. Mit der rechtswirksamen Übertragung stehe fest, dass dieser Gegenstand aus dem Nachlass ausgeschieden sei, eine Nacherbfolge sich also hierauf nicht mehr erstrecken könne. Das gelte jedoch nicht auch für die Eigentümergrundschulden. Diese Grundpfandrechte seien durch den Eigentumserwerb des Beteiligten zu 1 nicht gegenstandslos geworden. Sie kämen vielmehr als Fremdgrundschulden im Nacherbfall den Nacherben zugute.

Zwar stehe die Aufgabe einer letztrangigen Eigentümergrundschuld im freien Belieben des Vorerben, weil sie keine Vermögenseinbuße für den Nacherben bedeute. Denn dieser könne anstelle der gelöschten jederzeit eine neue Grundschuld in gleicher Höhe und mit gleichem Rang bestellen. Die Möglichkeit einer erneuten Grundstücksbelastung durch den Vorerben bleibe dabei außer Betracht, da zu deren Wirksamkeit die Zustimmung des Nacherben erforderlich sei. Das könne aber nicht gelten, wenn Eigentümer des Grundstücks und Berechtigter der Grundschuld infolge Erfüllung eines Vermächtnisses auseinander fielen. Die Eigentümergrundschuld werde dann zur Fremdgrundschuld, die der Nacherbe nach Eintritt des Nacherbfalls verwerten könne. Werde die Grundschuld gelöscht, habe der Nacherbe keine Möglichkeit, eine neue Grundschuld zu bestellen. Deshalb beeinträchtige die Löschung dessen Rechtsstellung.

II.

Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Grundbuchamt hat zu Recht die Zustimmung der Nacherben zu der beantragten Löschung der beiden Grundschulden verlangt. Denn die Aufgabe dieser Rechte würde das Recht der Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen (§ 2113 Abs. 1 BGB). Die Löschung der Rechte hätte nämlich zwangsläufig auch die Löschung des Nacherbenvermerks zur Folge, so dass der durch die Eintragung bezweckte Schutz des Nacherben entfiele (OLG München JFG 21, 81/84; Soergel/Harder BGB 12. Aufl. § 2113 Rn. 11). Zur materiellen Wirksamkeit bedarf es deshalb der Zustimmung der Nacherben, die dem Grundbuchamt gegenüber in der Form des § 29 GBO nachzuweisen ist (OLG München aao; KG JFG 15, 187/188; Demharter GBO 23, Aufl. § 19 Rn. 63, 69).

2. Der aufgezeigte Grundsatz lässt Ausnahmen zu. So ist anerkannt, dass der Vorerbe zur Übereignung eines Nachlaßgegenstands an den hiermit bedachten Vermächtnisnehmer nicht die Zustimmung des Nacherben benötigt (KG JFG 22, 98; BayObLG FamRZ 1992, 728/729; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2113 Rn. 5; Deimann Rpfleger 1978, 244). Dies läßt sich damit begründen, dass der Vorerbe in bezug auf den fraglichen Erbschaftsgegenstand von der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB durch den Erblasser befreit ist (§ 2136 BGB) und die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs sich nicht als unentgeltliche Verfügung (§ 2113 Abs. 2 BGB) darstellt (OLG Hamm NJW-RR 1996, 1230 f.). Der Nachweis, dass ein fälliger Vermächtnisanspruch erfüllt wird, ist nach der Rechtsprechung des Senats durch öffentliche Urkunden zu führen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GBO; BayObLGZ 1971, 336/339; 1974, 312/316; Beschluss vom 14.2.1977, BReg. 2 Z 45/76 = Rpfleger 1977, 285 <Leitsatz>; ebenso KG JFG 22, 98/100 f.; OLG Hamm Rpfleger 1984, 313/314).

Diese Rechtsprechung hat in der Literatur neben Zustimmung (vgl. Meikel/Kraiss GBO 8. Aufl. § 51 Rn. 53; ebenso Staudinger/Behrends/Avenarius BGB 13. Bearbeitung § 2113 Rn. 54) auch Kritik erfahren (Schaub in Bauer/v. Oefele GBO § 51 Rn. 151; Schöner/Stöber GBR 12. Aufl. Rn. 3520; Deimann Rpfleger 1978, 244 bei Fn. 1). Gegen sie wird vorgebracht, sie widerspreche den Grundsätzen, die für den Nachweis der Erfüllung eines Vermächtnisses bei Testamentsvollstreckung gelten, und sei praxisfremd.

3. Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Beschluss vom 21.5.1996 (NJW-RR 1996, 1230/1231 f.; zustimmend Schöner/Stöber und Schaub in Bauer/v. Oefele, je aao), ohne sich mit seiner früheren Rechtsprechung (Rpfleger 1984, 313) auseinander zu setzen, keine grundsätzlichen Bedenken gesehen, dass das Grundbuchamt bei der Prüfung, ob ein die Unentgeltlichkeit ausschließender Vermächtnisanspruch erfüllt werde, auch ein privatschriftliches Testament berücksichtigt. offen bleiben kann, ob diese Rechtsprechung zu der Entscheidung vom Jahr 1984 in Widerspruch steht, weil auch die herrschende und vom Senat geteilte Ansicht für den Nachweis der Entgeltlichkeit von gelockerten Grundsätzen ausgeht (BayObLGZ 1969, 278/283; BayObLG Rpfleger 1989, 200; Demharter GBO § 51 Rn. 35, § 52 Rn. 23, 25), die im Ergebnis auf eine freie Beweiswürdigung hinauslaufen. Davon abgesehen kann auch offen bleiben, ob der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm im übrigen gefolgt werden könnte. Denn das privatschriftliche Testament vom 3.2.1988 führt nicht zu' einer abschließenden Klärung der entscheidenden Frage.

Nach der Auslegungsregel des § 2165 Abs. 2 BGB ist bei einer Grundschuld, die dem Erblasser selbst zusteht, aus den Umständen zu entnehmen, ob sie als mitvermacht zu gelten hat. Abs. 1 dieser Vorschrift, nach der die Beseitigung der Belastung im Zweifel nicht verlangt werden kann, gilt dann, wenn kein anderer auf lastenfreie Übertragung gerichteter Erblasserwille feststeht (BGH NJW 1998, 682). Die Darlegungslast für die Umstände, aus denen sich ergibt, dass Eigentümerrechte mitvermacht sind, trägt der Bedachte (MünchKomm/Schlichting 3. Aufl. § 2165 Rn. 7). Handelt es sich um ein ursprüngliches Fremdrecht, das dadurch Eigentümerrecht geworden ist, dass der Erblasser den Gläubiger befriedigt hat, mögen die Umstände im allgemeinen dafür sprechen, dass das Recht mitvermacht ist (MünchKomm/Schlichting aaO; Staudinger/Otte BGB 13. Bearbeitung § 2165 Rn. 10; Lange/Kuchinke Lehrbuch des Erbrechts 4. Aufl. § 29 V 2b bei Fn. 205; enger von Lübtow Erbrecht I S. 369). Ob dieser Fall hier vorliegt, kann dem privatschriftlichen Testament nicht entnommen werden; die Umstände sprechen eher dagegen. Aus der Verpflichtung, das Wohnungseigentum kostenfrei, im übrigen nur mit den beim Erbfall vorhandenen Belastungen übernehmen zu müssen, läßt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob außer der Eigentumswohnung selbst auch die Eigentümerrechte vermacht sein sollen. Eigene Ermittlungen und Beweiserhebungen in dieser Richtung sind dem Grundbuchamt verwehrt (OLG Hamm aaO; Demharter GBO Anhang zu § 13 Rn. 2; § 29 Rn. 23).

4. Eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis der Nacherben nimmt die Rechtsprechung auch dann an, wenn auf Antrag eines befreiten wie eines nicht befreiten Vorerben ein rangletztes Recht gelöscht werden soll (OLG München aaO; KG JFG 15, 187; KGJ 43, 263; Staudinger/Behrends/Avenarius § 2113 Rn. 53; RGRK/Johannsen 12. Aufl. § 2113 Rn. 6 und 7). Voraussetzung dafür ist aber, dass auch das Grundstück selbst der Nacherbfolge unterliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beteiligte zu 1 ist aufgrund Auflassung ohne einen Nacherbenvermerk im Grundbuch als Eigentümer der Eigentumswohnung eingetragen.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil im entgegengesetzten Sinn Beteiligte nicht vorhanden sind (§ 13a Abs. 1 FGG).

Ende der Entscheidung

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