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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 55/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG, FGG


Vorschriften:

BGB § 133
WEG § 23 Abs. 4
FGG § 22 Abs. 2
1. Zur Auslegung einer Formulierung in der Niederschrift über eine Eigentümerversammlung, dass die Anwesenden einer baulichen Veränderung zustimmen, als Beschluss.

2. Mit dem bloßen Hinweis auf eine überdurchschnittliche Arbeitsbelastung kann ein fehlendes Verschulden im Sinne des § 22 Abs. 2 FGG nicht hinreichend dargelegt werden.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die bis zum 31.12.2001 von der weiteren Beteiligten verwaltet wurde.

Die weitere Beteiligte lud mit Schreiben vom 23.10.2000 zu einer Eigentümerversammlung ein. Als Tagesordnungspunkt (TOP) 9 war angekündigt: "Beschlussfassung über den Antrag der Familie W. bezüglich Einbaus einer Tür an der rückwärtigen Hausfront des Vordergebäudes nach dem beiliegenden Plan". Das Einladungsschreiben enthielt hierzu die Anmerkung der Verwalterin, da es sich um eine bauliche Veränderung handele, sei die Zustimmung aller Wohnungseigentümer notwendig. Die Eigentümerversammlung fand nach Terminsverlegung am 14.11.2000 statt. An dieser Versammlung haben die Antragsgegner, nicht jedoch der Antragsteller teilgenommen.

Zu TOP 9 enthält das Protokoll folgende Feststellungen:

"9. Beschlussfassung über den Antrag der Familie W. zum Einbau einer Türe an der rückwärtigen Hausfront des Vordergebäudes

Die Anwesenden stimmen dem Einbau einer Türe unter folgenden Voraussetzungen zu:

Die erforderlichen Genehmigungen sind seitens der Familie W. einzuholen, der Einbau erfolgt nach den Regeln der Baukunst unter Beachtung der Statik, der WEG-Gemeinschaft entstehen hierdurch keine Kosten. Der Unterhalt und Pflege sind durch den jeweiligen Eigentümer der Wohnung Nr. 1 zu tragen."

Das Protokoll wurde dem Antragsteller am 5.12.2000 übersandt. Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 27.12.2000 teilte der Antragsteller der Hausverwaltung mit, dass er dem Einbau der Türe nicht zustimme. Die Verwalterin erwiderte mit Schreiben vom 11.1.2001, dass sie den am 14.11.2000 gefassten Beschluss als gültig betrachte, sofern der Antragsteller diesen Beschluss nicht innerhalb der Monatsfrist angefochten habe.

Daraufhin hat der Antragsteller mit einem beim Amtsgericht am 26.1.2001 eingegangenen Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt, ihm wegen der Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den in der Eigentümerversammlung vom 14.11.2000 zu TOP 9 gefassten Beschluss für ungültig zu erklären. Mit Schriftsatz vom 29.11.2001 hat der Antragsteller hilfsweise beantragt, festzustellen, dass in der Eigentümerversammlung vom 14.11.2000 zu TOP 9 kein Beschluss gefasst worden sei. Im Laufe des Verfahrens vor dem Amtsgericht hat der Antragsteller seine Anträge dahin umgestellt, dass er den bisherigen Hauptantrag (Beschlussanfechtung) nunmehr als Hilfsantrag und den bisherigen Hilfsantrag (Feststellungsantrag) als Hauptantrag stellt.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.2.2002 festgestellt, dass in der Eigentümerversammlung vom 14.11.2000 zu TOP 9 kein Eigentümerbeschluss zustande gekommen sei. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1 und 2 hat das Landgericht am 26.3.2003 den amtsgerichtlichen Beschluss in der Hauptsache und in der Kostenentscheidung aufgehoben und den Haupt- und Hilfsantrag des Antragstellers abgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Leiter der Wohnungseigentümerversammlung komme grundsätzlich konstitutive Bedeutung zu. Die Feststellung des Beschlussergebnisses könne auch konkludent erfolgen. Dem Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 14.11.2000 sei eine Beschlussfeststellung jedenfalls konkludent zu entnehmen. Das ergebe sich daraus, dass in der Überschrift das Wort "Beschlussfassung" ausdrücklich genannt sei. Den folgenden Feststellungen lasse sich entnehmen, dass eine gemeinschaftsinterne Willensbildung stattgefunden habe und dass diese zu dem Ergebnis geführt habe, dass sämtliche anwesenden Eigentümer unter den näher bezeichneten Voraussetzungen ihre Zustimmung zu der geplanten baulichen Maßnahme erteilt hätten. Aus der sprachlichen Fassung des Protokolls seien die Überschrift zu TOP. 9 und der weitere Text als aufeinander bezogene Einheit anzusehen. Für den unbefangenen Beobachter stelle sich das Protokoll so darf dass in den beiden Sätzen unterhalb der Überschrift das Ergebnis der in der Überschrift umschriebenen Beschlussfassung wiedergegeben werde. Dafür, dass entgegen der Überschrift kein Beschluss gefasst, sondern lediglich eine Meinungsäußerung der anwesenden Eigentümer abgegeben werden sollte, fänden sich im Protokoll keine Anhaltspunkte. Solche ergäben sich auch nicht im Umkehrschluss aus dem Vergleich mit der zu anderen Tagesordnungspunkten erfolgten Protokollierung, da eine ausdrückliche, über die Mitteilung des Abstimmungsergebnisses hinausgehende Beschlussfeststellung z.B. auch bei TOP 4 (Wirtschaftsplan) nicht getroffen worden sei. Aus dem Hinweis der Verwalterin im Einladungsschreiben sei nichts anderes zu entnehmen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist könne dem Antragsteller nicht gewährt werden, da ihm bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die Einhaltung der Frist möglich und zumutbar gewesen sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Feststellung eines Beschlussergebnisses (ausdrücklich oder konkludent) für das Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses konstitutiv ist (BGH NJW 2001, 3339 ff.).

Dem Landgericht ist auch darin zu folgen, dass sich aus dem Protokoll die konkludente Feststellung eines Beschlussergebnisses ergibt. Der unbefangene Leser einer Niederschrift über eine Wohnungseigentümerversammlung erwartet bei einem Tagesordnungspunkt, in dem das Wort "Beschlussfassung" enthalten ist, dass zu dem Beschlussantrag Stellung genommen wird, sei es, dass ein Abstimmungsergebnis mitgeteilt wird oder dass mitgeteilt wird, dass ein Beschluss nicht gefasst worden ist. Wenn unter der Überschrift "Beschlussfassung" die Zustimmung aller Anwesendenfestgestellt wird, ist es deshalb die nächstliegende Bedeutung, dass die Anwesenden dem Beschlussantrag zugestimmt haben. Dass hier die Formulierung "stimmen dem Einbau einer Türe zu" gewählt wurde, lässt nicht erkennen, dass ein Beschluss nicht gefasst werden sollte. Vielmehr ist es naheliegend, dass diese Formulierung gewählt wurde, um die nachstehenden Bedingungen für die Genehmigung des Türeinbaus verständlich zu machen. Dafür, dass die Antragsgegner abweichend von Tagesordnung und Protokollüberschrift nicht eine Beschlussfassung gewollt haben, sondern jeweils einzeln eine Zustimmungserklärung abgegeben hätten bietet das Protokoll keine Anhaltspunkte. Es hätte in einem solchen Fall vielmehr nahe gelegen, im Protokoll ausdrücklich klarzustellen, dass die Anwesenden eine Beschlussfassung abgelehnt und statt dessen einzelne Erklärungen abgegeben haben.

Aus dem Hinweis der weiteren Beteiligten im Einladungsschreiben, dass es sich um eine bauliche Veränderung handele, zu der die Zustimmung aller Wohnungseigentümer notwendig sei, ergibt sich nichts anderes. Dabei kann es dahinstehen, ob die vom Senat im Beschluss vom 19.3.2003 - 2Z BR 150/01 - aufgestellten Grundsätze zu einer Berücksichtigung des Einladungsschreibens führen können. Der nunmehr vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich nämlich von demjenigen, der Gegenstand des Beschlusses vom 19.3.2003 war, dadurch, dass es sich im vorliegenden Fall um eine auf Dauer angelegte Maßnahme handelt, während dem Beschluss vom 19.3.2003 ein Beschluss zugrunde lag, der sich in einer einmaligen, sich in kurzer Zeit erledigenden Maßnahme erschöpft hatte. Selbst wenn man das Einladungsschreiben heranzieht, ist die Auffassung des Antragstellers, dass die Anwesenden nur eine Zustimmungserklärung abgegeben hätten, eher fernliegend. Gerade wenn die Wohnungseigentümer darauf hingewiesen wurden, dass rechtliche Bedenken gegen einen Mehrheitsbeschluss bestehen, hätte es in besonderer Weise nahe gelegen, dass im Protokoll klargestellt worden wäre, dass gerade kein Mehrheitsbeschluss gefasst werden soll, sondern dass lediglich einzelne Zustimmungserklärungen abgegeben werden sollen.

b) Zutreffend hat das Landgericht auch den Hilfsantrag abgewiesen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand-versagt. Die Fristversäumung war nicht unverschuldet im Sinne des § 22 Abs. 2 FGG, da der Antragsteller bei Anwendung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können, dass in der Wohnungseigentümerversammlung vom 14.11.2000 ein Beschluss gefasst wurde. Nach seinen eigenen Angaben erhielt der Antragsteller das Protokoll mit Schreiben der Verwalterin vom 5.12.2000. Dass er das Protokoll erst am 20.12.2000 seinem Verfahrensbevollmächtigten übergeben hat, ist nicht unverschuldet. Der bloße Hinweis auf einen überdurchschnittlich großen Arbeitsanfall vor den Feiertagen reicht nicht aus, um ein Verschulden auszuschließen.

3. Es entspricht der Billigkeit, dass der Antragsteller die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt, da das Rechtsmittel erfolglos war (§ 47 Satz 1 WEG). Von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen ab (§ 47 Satz 2 WEG).

Die in Übereinstimmung mit dem Landgericht getroffene Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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