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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 57/01
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 4
ZPO § 485
1. Können Baumängel für eine Schimmelbildung ursächlich sein, darf die Verwaltung ein selbständiges Beweisverfahren einleiten.

2. Die Kosten eines solchen Beweisverfahrens tragen selbst dann alle Wohnungseigentümern, wenn sich später herausstellt, dass die Schadensursache im Verhalten der betroffenen Wohnungseigentümer lag.


Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius

am 31. Januar 2002

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 22. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in diesem Rechtszug nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5200 Euro, für das Verfahren vor dem Amtsgericht und vor dem Landgericht auf 5950 Euro festgesetzt. Insoweit werden die Geschäftswertfestsetzungen in den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 9. November 2000 und des Landgerichts abgeändert.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer im Jahr 1994 im wesentlichen fertiggestellten Wohnanlage; die weitere Beteiligte ist die Verwalterin. In dem mit der weiteren Beteiligten abgeschlossenen Verwaltervertrag wurde die Verwalterin ermächtigt, "die Wohnungseigentümergemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich in Angelegenheiten der Verwaltung zu vertreten, ...". Weiter heißt es unter Nr. 2, 2e in dem Vertrag: "Der Verwalter ist berechtigt, Passivprozesse zu führen; dies gilt auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren, insbesondere bei Beschlussanfechtungen. Im Zusammenhang mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung der Wohnungseigentümer ist der Verwalter berechtigt, einen Rechtsanwalt zu beauftragen."

In der Wohnung der Antragsteller traten an einer Außenwand Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelpilzbildungen auf. Die weitere Beteiligte beauftragte daraufhin einen Sachverständigen, der Baumängel als Ursache nicht ausschloss, aber weitere Untersuchungen für erforderlich hielt. Auf Drängen der Antragsteller führte die weitere Beteiligte im Juli 1999 einen Eigentümerbeschluss herbei, gemäß dem ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Bauträger durchgeführt wurde. Der im selbständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige kam im schriftlichen Gutachten vom 17.4.2000 nach genauen Untersuchungen und thermographischen Messungen zum Ergebnis, dass die Schimmelpilzbildungen nicht durch bauteilbedingte Wärmebrücken und nicht durch sonstige Baumängel verursacht wurden. Er vermutete die Ursache in nutzerbedingtem Verhalten.

In der Eigentümerversammlung vom 20.6.2000 beschlossen die Wohnungseigentümer, jeweils gegen die Stimmen der Antragsteller, unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 die Entlastung der Verwaltung, unter TOP 4 die Entlastung des Verwaltungsbeirats und unter TOP 7b, "dass je nach Ausgang des Gerichtsverfahrens und der Entscheidung des Richters über den Kostenfestsetzungsbeschluss die ... (Antragsteller) die Kosten für dieses Beweissicherungsverfahren und der Anwälte usw. zu tragen haben". Die Kosten für das selbständige Beweisverfahren betragen bisher 10084,89 DM.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Eigentümerbeschlüsse vom 20.6.2000 zu TOP 3, 4 und 7b für ungültig zu erklären. Mit Beschluss vom 9.11.2000 hat das Amtsgericht die Anträge abgewiesen und den Geschäftswert auf 11000 DM festgesetzt.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses zu TOP 7b aufgehoben, diesen Eigentümerbeschluss für unwirksam erklärt und im übrigen die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Den Geschäftswert hat es ebenfalls auf 11000 DM festgesetzt.

Gegen diesen am 5.3.2001 zugestellten Beschluss hat am 19.3.2001 der Geschäftsführer der weiteren Beteiligten für die Antragsgegner zu Protokoll des Rechtspflegers am Bayerischen Obersten Landesgericht sofortige weitere Beschwerde zur Fristwahrung eingelegt.

Die Antragsgegner beantragen, den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 7b abzuweisen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig. Da der Beschluss des Landgerichts den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner am 5.3.2001 zugestellt wurde, war die Einlegung der weiteren Beschwerde am 19.3.2001 fristgemäß nach § 45,Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG. Sie wurde auch formgerecht nach § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG eingelegt. Ob die Verwalterin hierzu durch Nr. 2.2e des Verwaltervertrags bevollmächtigt war, kann dahinstehen; denn die Antragsgegner haben jedenfalls die Verfahrensführung genehmigt.

Die Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde ist per Fax am 28.5.2001, also innerhalb der richterlich gesetzten Frist, eingegangen. Im übrigen würde die Nichteinhaltung einer derartigen Frist im Wohnungseigentumsverfahren nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führen.

2. Zur Frage der Wirksamkeit des Eigentümerbeschlusses zu TOP 7b, die allein noch zur Entscheidung des Senats ansteht, hat das Landgericht ausgeführt:

Dieser Eigentümerbeschluss sei auf die Beschwerde der Antragsteller für unwirksam zu erklären. Der Beschluss sei zwar inhaltlich ausreichend bestimmt und auch in der Einladung genau genug angekündigt worden. Es entspreche jedoch nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, den Antragstellern die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen; diese seien vielmehr von allen Wohnungseigentümern zu tragen.

Die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens sei eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums; denn sie diene der Klärung, ob Baumängel am Gemeinschaftseigentum vorliegen oder nicht. Dementsprechend habe jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, dass Baumängel sachverständig festgestellt würden.. Die dadurch anfallenden Kosten seien nach § 16 Abs. 2 WEG von allen Miteigentümern zu tragen. Die Antragsteller seien nicht verpflichtet, den übrigen Wohnungseigentümern die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu erstatten. § 16 Abs. 2 WEG stehe einer Kostentragungspflicht für Verwaltungsmaßnahmen nach dem "Verursacherprinzip" entgegen. Ein Schadensersatzanspruch der Antragsgegner gegen die Antragsteller, sei es aus § 14 Nr. 1 WEG oder aus § 823 BGB, setze in jedem Fall ein schuldhaftes Verhalten der Antragsteller voraus. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Antragsteller vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hätten, indem sie unsachgemäß geheizt und gelüftet oder auf die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens gedrungen hätten. Zwar ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten im Beweisverfahren, dass Baumängel als Ursache der Feuchtigkeitsschäden ausschieden und dass folglich die Schäden auf nicht ausreichendes Heizen und Lüften durch die Antragsteller zurückzuführen seien. Allein daraus, dass das Nutzungsverhalten der Antragsteller den Schaden verursacht habe, lasse sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die Antragsteller fahrlässig gehandelt hätten. Dafür lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Der Heizkostenvergleich, der einen geringen Heizenergieverbrauch der Antragsteller ausweise, reiche dafür allein nicht aus. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Antragsteller von vornherein hätten erkennen können, das selbständige Beweisverfahren werde einen Baumangel nicht bestätigen.

3. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde ist ein Rechtsbeschwerdeverfahren, das ähnlich wie die Revision (vgl. § 27 Abs. 1 FGG) nur eine rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ermöglicht. Neues tatsächliches Vorbringen muss daher unberücksichtigt bleiben. Der Senat kann deshalb den Vortrag der Antragsgegner über den Inhalt der beschlossenen Hausordnung und die Hinweise des Heizungsbauers über die Wirkungsweise der Heizung in den Wohnanwesen ebenso wenig berücksichtigen wie die mit Beweisantritten versehenen Behauptungen zum konkreten Heizungs- und Lüftungsverhalten der Antragsteller in der Vergangenheit.

b) Wenn Schäden im Sondereigentum eines Wohnungseigentümers auftreten, deren Ursache in Mängeln des Gemeinschaftseigentums liegen kann, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung i.S. von § 21 Abs. 4 WEG, die Ursachen umgehend durch Gutachten eines Sachverständigen feststellen zu lassen. Der Verwalter ist verpflichtet, das hierzu Erforderliche zu veranlassen, in der Regel einen Eigentümerbeschluss herbeizuführen (BayObLG NJW-RR 1999, 305). Jeder Wohnungseigentümer hat in einer solchen Lage Anspruch auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (OLG Hamm OLGZ 1994, 22/25 f., vgl. § 15 FGG, § 485 ZPO). Dementsprechend kann den Antragstellern kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens bestanden, zumal der von der Verwalterin beauftragte Sachverständige Baumängel als Ursache für die Feuchtigkeitsschäden nicht ausschloss und die Verjährung der Gewährleistungsansprüche drohte. Nach § 16 Abs. 2 WEG sind die Kosten des Beweisverfahrens als Kosten der sonstigen Verwaltung von allen Wohnungseigentümern nach dem anzuwendenden Kostenverteilungsmaßstab zu tragen.

Einen Ausnahmefall, demzufolge diese Kosten allein von den Antragstellern zu tragen wären, hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Ein Ersatzanspruch setzt in jedem Fall Verschulden voraus, zumindest also Fahrlässigkeit der Antragsteller. Ein solches Verschulden ist nicht nachgewiesen. Entgegen der vom Landgericht insoweit ungenau getroffenen Feststellung kann nach dem Gutachten im selbständigen Beweisverfahren nur davon ausgegangen werden, dass "vermutlich" das Verhalten der Antragsteller ursächlich gewesen ist (vgl. S. 36/31 und 39 des Gutachtens).

3. Da das Rechtsmittel der Antragsgegner ohne Erfolg ist, ist es nach § 47 WEG angemessen, ihnen die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Angesichts der unterschiedlichen Beurteilung der Wirksamkeit des Eigentümerbeschlusses zu TOP 7b durch die Vorinstanzen besteht allerdings kein Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Nicht zu beanstanden ist die vom Landgericht angeordnete Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner durch die Antragsteller für die Rechtszüge vor dem Amtsgericht und dem Landgericht; insoweit liegt jedenfalls ein Ermessensfehler des Landgerichts nicht vor.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist entsprechend den Kosten für das selbständige Beweisverfahren gemäß § 48 Abs. 3 WEG auf 5200 Euro festzusetzen.

Da in den Vorinstanzen auch noch die Wirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse für die Verwalterin und den Verwaltungsbeirat, die beide wegen der Kosten des Beweisverfahrens für unwirksam gehalten wurden, Verfahrensgegenstand waren, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO unter Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen der Geschäftswert für das Verfahren in den Vorinstanzen auf je 5950 Euro festzusetzen.



Ende der Entscheidung

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