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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 57/02
Rechtsgebiete: GBO, BGB


Vorschriften:

GBO § 22
BGB § 328
Für einem am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Dritten kann keine Dienstbarkeit oder eingetragen werden, weil § 328 BGB auf dingliche Rechte nicht anzuwenden ist.
Gründe:

I.

Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 16.1.1986 zwischen der Beteiligten und ihren Eltern wurde der Beteiligten ein Grundstück überlassen. In dem Vertrag räumte die Beteiligte unter Nr. XVII als Gegenleistung ihrer geistig und körperlich behinderten Schwester ein Wohnrecht ein. Außerdem verpflichtete sie sich, ihrer Schwester Wart und Pflege zu gewähren. Für das Wohnrecht bestellte die Beteiligte ihrer Schwester unter Nr. XX des Vertrags eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, für die übrigen wiederkehrenden Leistungen eine Reallast. Der Eigentumsübergang und das Altenteil wurden am 31.1.1986 im Grundbuch eingetragen.

Mit notarieller Nachtragsurkunde vom 21.7.1987 vereinbarten die Beteiligte und ihre Eltern, dass unter anderem Nr. XVII und XX des Vertrags vom 16.1.1986 aufgehoben werden und die Beteiligte den Vertragsgrundbesitz unentgeltlich erhält.

Den Antrag der Beteiligten, das zugunsten ihrer Schwester eingetragene Altenteil zu löschen, hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 12.11.1996 abgewiesen. Das Landgericht hat am 16.5.2002 die Beschwerde der Beteiligten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antrag auf Löschung des Altenteils nach § 22 GBO sei unbegründet, weil der Unrichtigkeitsnachweis in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nicht geführt sei.

Es sei nicht nachgewiesen, dass die dingliche Einigung für die eingetragenen Rechte fehle. Weder aus der Betreuungsakte noch aus den vorgelegten Urkunden ergebe sich in der Form des § 29 GBO, dass die Berechtigte geschäftsunfähig gewesen sei.

Außerdem sei nicht nachgewiesen, dass die Berechtigte zu keiner Zeit die nicht formgebundene Einigungserklärung abgegeben habe. Verschiedene Gestaltungen seien denkbar, unter denen eine rechtswirksame Einigung zustande gekommen sein könne. Es bestehe kein Erfahrungssatz, dass Vereinbarungen der vorliegenden Art unter völliger Übergehung des Berechtigten abgeschlossen würden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass den Urkundsnotar die Pflicht treffe, auf die Rechtsunwirksamkeit dinglicher Verträge zugunsten Dritter hinzuweisen und auf eine rechtlich wirksame Ausgestaltung hinzuwirken. Außerdem ergebe sich aus der Nachtragsurkunde, dass die Vertragsparteien von der wirksamen Bestellung der dinglichen Rechte ausgegangen seien; sie hätten nämlich ihrer Auffassung Ausdruck gegeben, das Grundbuch sei nachträglich unrichtig geworden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Berichtigung des Grundbuchs setzt die Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) oder den Nachweis der Unrichtigkeit voraus (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GBO). An beidem fehlt es.

a) Unrichtig ist das Grundbuch dann, wenn die zur Entstehung der einzelnen dinglichen Rechte, die unter dem Sammelbegriff "Altenteil" eingetragen sind (vgl. § 49 GBO; OLG Zweibrücken MittBayNot 1996, 211 f.), nach § 873 BGB erforderliche Einigung fehlt (Demharter GBO 24. Aufl. § 22 Rn. 7). Den Nachweis dafür hat die Beteiligte nicht erbracht.

b) Bei der Beurkundung des notariellen Vertrages vom 16.1.1986 war die Berechtigte nicht anwesend. Ob die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit oder einer Reallast zugunsten eines an dem Rechtsgeschäft nicht beteiligten Dritten unwirksam ist, weil § 328 BGB auf dingliche Rechte nicht angewendet werden kann, ist umstritten (vgl. Staudinger/Gursky BGB Neubearb. 2000 § 873 Rn. 108 m. w. N.). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an (NJW 1993, 2617), der von der Unwirksamkeit ausgeht.

c) Entscheidend kommt es hierauf aber nicht an, weil an den Unrichtigkeitsnachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (Demharter § 22 Rn. 37) und die Beteiligte nicht alle Möglichkeiten ausgeräumt hat, die für eine wirksame Einigung sprechen.

Ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit spricht schon dagegen, dass Vereinbarungen der vorliegenden Art ohne Kenntnis und Billigung des Berechtigten abgeschlossen werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Urkundsnotar zur Aufklärung über die Rechtsproblematik im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anwendung des § 328 BGB auf dingliche Rechte und zu einer rechtlich wirksamen Ausgestaltung des Rechtsgeschäfts verpflichtet war (BGH NJW 1993, 2617 f.).

Ein Nachweis dafür, dass die Berechtigte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsunfähig war, ist nicht erbracht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Dagegen hat die Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen mehr erhoben.

Die an keine Formvorschrift gebundene Erklärung "des anderen Teils" im Sinn von § 873 Abs. 1 BGB konnte vor oder nach der notariellen Beurkundung des Vertrags vom 16.1.1986 erklärt werden. Der gewünschte Erfolg konnte aber auch, was durch Auslegung zu ermitteln wäre, in der Weise erreicht worden sein, dass einer der an der notariellen Beurkundung unmittelbar Beteiligten als vollmachtloser Vertreter für die Berechtigte aufgetreten ist (vgl. dazu im einzelnen Staudinger/ Gursky § 873 Rn. 108). Die Vorschrift des § 181 BGB wäre dem nicht entgegengestanden, weil das schuldrechtliche Grundgeschäft für die Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und der Reallast jedenfalls gemäß § 328 BGB wirksam war und das durch den vollmachtlosen Vertreter vorzunehmende Rechtsgeschäft somit ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestanden hätte. Als Genehmigung hätte bereits das bloße Schweigen der Berechtigten genügt (Palandt/ Heinrichs BGB 61. Aufl. §§ 177/178 Rn. 6).

Im übrigen ergibt sich aus der notariellen Nachtragsurkunde, dass die unmittelbar an dem Rechtsgeschäft vom 16.1.1986 Beteiligten von einer wirksamen Einigung ausgegangen sind; in der Nachtragsurkunde haben sie nämlich die die Gegenleistung betreffenden Vereinbarungen "aufgehoben".

d) Auch wenn der Nachweis, dass keine dingliche Einigung gemäß § 873 BGB vorliegt, nur schwer zu führen ist, noch dazu in der Form des § 29 GBO, können doch an der Notwendigkeit des formgerechtigen Unrichtigkeitsnachweises keine Abstriche gemacht werden. Notfalls hat der Antragsteller des Berichtigungsantrags eine Berichtigungsbewilligung zu erstreiten (BayObLG Rpfleger 1984, 463; Demharter § 22 Rn. 42).

Ende der Entscheidung

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