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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 61/02
Rechtsgebiete: WEG, GKG


Vorschriften:

WEG § 48 Abs. 3
GKG § 14 Abs. 1
Im Beschwerdeverfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz bestimmt sich der Geschäftswert grundsätzlich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragsteller hat die in der Eigentümerversammlung vom 7.2.2000 gefassten Beschlüsse der Wohnungseigentümer zur Jahresabrechnung 1999 in einem Gesamtvolumen von knapp 46000 DM, die Verwalter- und Beiratsentlastung, den Wirtschaftsplan 2000 über rund 47000 DM sowie verschiedene weitere Beschlüsse angefochten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 6.12.2001 dem Antrag insoweit teilweise stattgegeben, als die Entlastung der Hausverwalterin und des Verwaltungsbeirats beschlossen wurde. Gegen den Beschluss hat der Antragsteller zunächst unbeschränkt sofortige Beschwerde eingelegt, mit Schriftsatz vom 21.2.2002 sie auf die Jahresabrechnung 1999 und den Wirtschaftsplan 2000 eingeschränkt und Sachvortrag insoweit ausschließlich zu den Müllgebühren, gebracht. In der mündlichen Verhandlung vom 13.5.2002 hat er schließlich erklärt, sein Rechtsmittel beziehe sich nur auf die Punkte in der Jahresabrechnung 1999 und im Wirtschaftsplan 2000, die die Müllgebühren beträfen. Auf den Hinweis des Gerichts, dass mit der Anfechtung der Müllgebühren der Beschwerdewert nicht erreicht sei, hat der Antragsteller seine sofortige Beschwerde zurückgenommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23.5.2002 dem Antragsteller die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 2415,34 EUR festgesetzt. Gegen die Geschäftswertfestsetzung wenden sich die anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner mit ihrer Beschwerde vom 11.6.2002.

II.

Die nach § 9 Abs. 2 BRAGO, § 31 Abs. 3, § 14 Abs. 4 und 5 KostO zulässige Erstbeschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren (BayObLG Beschluss vom 25.7.2002 2Z BR 53/02; siehe auch OLG Zweibrücken NZM 2001, 245) hat im wesentlichen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Wertfestsetzung ausgeführt:

Der Geschäftswert bestimme sich nach dem Interesse der Beteiligten an dem angefochtenen Beschluss. Die Anfechtung der Jahresabrechnung und des Wirtschaftsplans sei auf einen, einzelnen selbständigen Rechnungsposten beschränkt gewesen, so dass nur dieser, und zwar im Ganzen, maßgeblich und mit dem in der Jahresabrechnung eingestellten Betrag von 4724 DM (= 2415,34 EUR) anzusetzen sei. Die Anfechtung des Wirtschaftsplans 2000 sei nicht selbständig zu bewerten, da die Wohnungseigentümer für diesen Zeitraum bereits eine andere Aufteilung der Müllgebühren vorgenommen hätten.

2. Der Beschluss des Landgerichts hält hinsichtlich der Geschäftswertfestsetzung der Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat nicht geprüft, ob es der (einfachen) Beschwerde abhilft (vgl. § 18 FGG, § 31 Abs. 3 1. Halbsatz KostO). Ungeachtet dessen ist der Senat als Beschwerdegericht gehalten, in der Sache selbst zu entscheiden (BayObLG Rpfleger 1996, 189; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 21 Rn. 3).

b) Maßgebend für den Wert des Beschwerdegegenstands ist gemäß § 48 Abs. 3 WEG das Interesse der Beteiligten an der angefochtenen Entscheidung, wobei es bei der Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer wegen der Rechtskraftwirkung der angestrebten Entscheidung für und gegen alle Beteiligten (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) auf die Interessen aller Beteiligten ankommt (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG; BayObLGZ 1981, 202/203; BayObLG NZM 2001, 246/247).

Wird beantragt, einen die Genehmigung der Jahresabrechnung (§ 28 Abs. 3 WEG) oder des Wirtschaftsplans (§ 28 Abs. 1 WEG) betreffenden Eigentümerbeschluss im Hinblick auf konkrete Einzelbeanstandungen für ungültig zu erklären, so wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats die jeweils beanstandete Einzelposition in voller Höhe angesetzt (grundlegend BayObLGZ 1979, 312/314 ff.; siehe auch Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 48 Rn. 23 m. w. N.). Werden daneben noch generelle Beanstandungen vorgebracht, durch die im Erfolgsfall eine vollständige Neuberechnung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung notwendig werden, ist zusätzlich noch ein Bruchteil des Gesamtbetrags, in der Regel ein Fünftel bis ein Viertel, anzusetzen (siehe etwa BayObLG WuM 2002, 481 Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 675). Beschränkungen oder Erweiterungen der Sachanträge können dazu führen, dass für die jeweilige Instanz zeitbezogen getrennte Geschäftswerte festzusetzen sind (Merle in Bärmann/Pick/Merle 48 Rn. 13.).

c) Der Antragsteller hatte seine zunächst unbeschränkt eingelegte sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 21.2.2002 begründet und auf die Tagesordnungspunkte Jahresabrechnung 1999 und Wirtschaftsplan 2000 beschränkt. Damit ist der rechtliche Rahmen festgelegt, in dem der Beschluss des Amtsgerichts durch die nächsthöhere Instanz überprüft werden sollte. Die Bestimmung des Werts aus diesem Antrag folgt aus der auch im Wohnungseigentumsverfahren anwendbaren Regel des § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG (siehe z.B. LG KölnNuM 1989, 660/661). Eine weitergehende Einschränkung des Beschwerdegegenstands im Sinne einer Antragsrücknahme auf die Einzelposition "Müllgebühren" hat der Antragsteller erst in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgenommen. Denn im Schriftsatz vom 21.2.2002 hat er durch seine Anträge noch das Ziel zum Ausdruck gebracht, die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan ohne Einschränkung für ungültig zu erklären, und in der Begründung die Anfechtung "insbesondere" auf die Müllgebühren gestützt. Da der Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung oder den Wirtschaftsplan einem Begründungszwang überhaupt nicht unterliegt, dürfen aber nicht allein die vom Antragsteller vorgetragenen Rügen und Beanstandungen zur Bestimmung des Umfangs einer Überprüfung der von der Anfechtung erfassten Abrechnungspositionen herangezogen werden (BayObLG WuM 2002, 333 - LS-).

Dies bedeutet, dass bis zum Zeitpunkt der mit einer Rechtsmittelrücknahme im übrigen verbundenen Erklärung, dass nur die Müllgebühren aus der Jahresabrechnung und dem Wirtschaftsplan noch Beschwerdegegenstand bilden, neben der strittigen Einzelposition auch ein Anteil an der Gesamtabrechnung bei der Geschäftswertbemessung zu berücksichtigen ist. Der Senat hält insoweit die bereits vom Amtsgericht getroffene und von den Antragsgegnern auch vorgeschlagene Bewertung mit 7500 EUR für angemessen.

c) Der Antrag auf Ungültigerklärung des Wirtschaftsplans 2000 ist für die Bewertung zusätzlich zu berücksichtigen. Der Wirtschaftsplan enthält - jeweils für das Kalenderjahr - die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die anteilsmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung und die Beitragsleistung zur Instandhaltungsrücklage (§ 28 Abs. 1 WEG). Auf ihm beruht die Bemessung der zu leistenden Wohngeldvorschüsse (§ 28 Abs. 2 WEG). Das Interesse, nicht zu entsprechenden Wohngeldzahlungen herangezogen zu werden, entfällt nicht dadurch, dass sich im maßgeblichen Zeitraum Änderungen ergeben, die die Höhe der geschätzten Kosten, wie etwa der Müllgebühren, beeinflussen. Dies wirkt sich vielmehr grundsätzlich erst in der darauffolgenden Jahresabrechnung aus, indem die entsprechende Position mehr oder minder stark von den zuvor nur geschätzten Kosten abweicht. Beschlüsse der Wohnungseigentümer, die den Beschluss über den Wirtschaftsplan 2000 in der Folgezeit aufgehoben oder abgeändert hätten, liegen nicht vor. Soweit sich aus dem Akteninhalt ergibt, dass der Inhaber der für die Höhe der Müllgebühren verantwortlich gemachten Gewerbeeinheit aufgefordert wurde, den gewerblichen Müll gesondert auf eigene Kosten zu entsorgen, berührt dies die Verbindlichkeit des Wirtschaftsplans nicht. Dies gilt auch dann, wenn der Inhaber der Gewerbeeinheit während der Gültigkeitsdauer des Wirtschaftsplans der Aufforderung nachgekommen sein sollte oder sich die Problematik durch Einstellung des Betriebs oder Auszug erledigt hat.

Bei etwa gleichen Wertverhältnissen der beanstandeten Einzelposition und des Gesamtvolumens erscheint auch hier eine Bewertung mit 7500 EUR angemessen.

d) Für den Zeitraum ab 23.5.2002 ist der Wert unter Mitberücksichtigung der Anfechtung des Wirtschaftsplans 2000 (vgl. § 5 1. Halbsatz ZPO) folglich mit 4.830,69 EUR zu veranschlagen.

3. Nach § 31 Abs. 4 KostO fallen für das Verfahren vor dem Senat keine Gebühren an; eine Kostenerstattung findet nicht statt. Folglich ist auch kein Geschäfts- oder Gegenstandswert festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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