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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.05.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 62/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
BGB § 242
Die Beseitigung des Grillplatzes durch Entfernung der in dem Antrag genannten Gegenstände stellt - ebenso wie die Errichtung eines solchen (Staudinger/Bub § 22 Rn. 149) - eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG dar.

Die Entfernung eines Grillplatzes stellt in der Regel eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung dar.


Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Dr. Delius und Lorbacher

am 28. Mai 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Beseitigung und Feststellung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 12. März 2001 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus zwei Wohnungen bestehenden Wohnanlage.

Den Antragstellern gehört die Erdgeschosswohnung. Dem Antragsgegner gehört die Wohnung im 1. Obergeschoss und der Speicher. An der Schmalseite des Hauses ist ein Gartenstück den Antragstellern zur Sondernutzung zugewiesen; der restliche Garten, darunter auch die unmittelbar vor dem Wohn- und Schlafzimmer der Antragsteller liegende Grundstücksfläche, dient der gemeinschaftlichen Nutzung.

Unmittelbar vor dem Schlafzimmer der Antragsteller befindet sich ein bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vorhandener, mit Platten belegter Sitz- und Grillplatz. Dieser war zu jener Zeit und ist noch heute ausgestattet mit einem gemauerten Grillkamin, einem Tisch und zwei Bänken aus massivem Holz sowie einer aus Holzbalken bestehenden und teilweise mit Kunststoffwellplatten überdachten Pergola. Außerdem befinden sich an den Wänden drei hölzerne Wagenräder.

Die Antragsteller behaupten, die Ausstattung des Grillplatzes sei verrottet. Außerdem sei es äußerst störend, dass sich der Grillplatz unmittelbar vor ihrem Schlafzimmer befinde. Sie sind der Auffassung, die Grillplatzausstattung müsse ersatzlos entfernt werden. Weiterhin tragen die Antragsteller vor, der Antragsgegner habe zwar erklärt, den auch in der Teilungserklärung als solchen bezeichneten Speicher im Moment noch nicht als Wohnraum nutzen zu wollen. Der Antragsgegner berühme sich aber eines notfalls gerichtlich durchsetzbaren Anspruchs, den Speicher zu Wohnzwecken nutzen zu dürfen.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten zuzustimmen, dass die Pergola mit faulendem Holz, die Abdeckung mit den Kunststoffwellplatten, der Grillkamin mit Brüstungsmauer, die massiven 2 m langen Holzbänke und der massive 1,1 m breite und 2 m lange Holztisch einschließlich der drei verfaulenden Holzwagenräder entfernt und entsorgt werden. Außerdem haben sie beantragt festzustellen, dass der Antragsgegner nicht berechtigt ist, den Speicher zu Wohnzwecken zu nutzen und entsprechend auszubauen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.11.2000 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat am 12.3.2001 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beseitigung der zum Grillplatz gehörenden Gegenstände könne nicht verlangt werden, weil ein Anspruch auf ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf die Wiederherstellung eines ordnungsmäßigen Zustandes, also auch auf den Ersatz reparaturunfähiger Teile, gerichtet sei. Gerade dies wollten die Antragsteller aber nicht. Diese müßten den Grillplatz als solchen auch hinnehmen, weil er bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vorhanden gewesen sei. Dies sei den Antragstellern bei Erwerb des Wohnungseigentums bekannt gewesen.

Der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil das Feststellungsinteresse fehle. Der Antragsgegner habe nämlich ausdrücklich erklärt, das Dachgeschoss derzeit und auch in Zukunft nicht ohne vorherige Zustimmung der Antragsteller nutzen zu wollen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Antragsteller haben, was durch das Landgericht aufzuklären ist, möglicherweise einen Anspruch auf Beseitigung der Grillplatzausstattung nach § 242 BGB.

(1) Die Beseitigung des Grillplatzes durch Entfernung der in dem Antrag genannten Gegenstände stellt - ebenso wie die Errichtung eines solchen (Staudinger/Bub § 22 Rn. 149) - eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG dar.

Unerheblich ist, dass im Aufteilungsplan unmittelbar vor dem Schlafzimmer der Antragsteller ein Grillplatz nicht ausgewiesen ist. Durch § 22 Abs. 1 WEG wird das Vertrauen der Erwerber von Wohnungseigentum auch auf den äußeren Bestand und den baulichen Zustand der Wohnanlage im Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum geschützt (vgl. Staudinger/Bub WEG § 22 Rn. 3 und 39). Bei der Begründung des Wohnungseigentums war der Grillplatz bereits vorhanden und so ausgestattet wie heute.

Zur Entfernung eines Grillplatzes ist in der Regel wegen des damit verbundenen Entzugs der Nutzungsmöglichkeit die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erforderlich, § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG.

(2) Aus dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 10 Abs. 1 WEG) ergeben sich Schutz- und Treuepflichten der Wohnungseigentümer untereinander; sie können auch den Anspruch eines Wohnungseigentümers begründen, dass ein bestehender Zustand abgeändert wird, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an dem bestehenden (rechtmäßigen) Zustand als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Dieser Grundsatz kann auch im Zusammenhang mit dem Zustand oder dem Betrieb von baulichen Anlagen oder gemeinschaftlichen Einrichtungen bedeutsam werden (BayObLG NJWE-MietR 1996, 83 f.; NZM 1999, 29 f.).

(3) Das Landgericht hat sich mit dieser Frage nicht erschöpfend auseinandergesetzt. Ein gewichtiger Gesichtspunkt ist sicher der Umstand, dass der Grillplatz bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vorhanden und so ausgestattet war wie heute. Gleichwohl können Gründe vorliegen, die es als grob unbillig erscheinen lassen, dass der bestehende Zustand erhalten bleibt. Die Benutzung eines Grillplatzes ist mit Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen verbunden; es steht außer Frage, dass diese unmittelbar vor einem Schlafzimmer besonders störend sind. Wenn sich im Garten andere, weniger störende Lösungsmöglichkeiten für einen Grillplatz finden, kann jedenfalls der Antrag auf Zustimmung zur Entfernung der im Antrag genannten Gegenstände von seiner jetzigen Stelle begründet sein. Hinzu kommt, dass behauptet wird, die Gegenstände seien verrottet. Es wird somit zu ermitteln sein, ob dies zutrifft und ob gegebenenfalls eine ernsthafte Bereitschaft des Antragsgegners vorliegt, sich an den Kosten für eine Erneuerung zu beteiligen. Wird der Grillplatz von niemand genutzt, ist dies im Rahmen der Billigkeitsentscheidung von Bedeutung. Sollte sich der Antrag auf Beseitigung des Grillplatzes als begründet erweisen, kann es der Billigkeit entsprechen, dass die Kosten der Beseitigung die Antragsteller allein zu tragen haben.

c) Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, § 256 ZPO. Die insoweit vom Landgericht getroffenen Feststellungen binden den Senat ausnahmsweise nicht, weil sie aktenwidrig getroffen sind.

Der Antragsgegner hat zuletzt erklärt, dass er das Dachgeschoss im Moment noch nicht als Wohnraum nutzen wolle. Auch werde er eine Nutzung als Wohnraum nicht vornehmen, ohne vorher die seines Erachtens von den Antragstellern geschuldete Zustimmung - notfalls im Wege eines Gerichtsverfahrens - einzuholen. Hieraus ergibt sich, dass sich der Antragsgegner eines Anspruchs gegen die Antragsteller berühmt, den Speicher als Wohnraum nutzen zu dürfen. Ob der Antragsgegner den behaupteten Anspruch durchsetzen wird, hat er sehr stark eingeschränkt; der Antragsgegner hat nur erklärt, "im Moment" von dem ihm seiner Meinung nach zustehenden Anspruch keinen Gebrauch machen zu wollen. Ein rechtliches Interesse der Antragsteller an alsbaldiger Feststellung, ob ein solcher Anspruch besteht, wie ihn der Antragsgegner behauptet, liegt somit auf der Hand.

Über die Begründetheit des Feststellungsantrags wird vom Landgericht nunmehr zu verhandeln und zu entscheiden sein.

3. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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