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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 65/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1004
BGB § 1011
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 1
Zur Frage, ob ein Wohnungseigentümer verlangen kann, daß der unentgeltliche Betrieb eines Cafes durch einen Teileigentümer auf einer auf Gemeinschaftsgrund angelegten Terrasse unterbleibt.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die in den Jahren 1966/1967 errichtet worden ist. Der Antragstellerin gehört gemeinsam mit ihrem Ehemann eine im 3. Obergeschoss gelegene Wohnung. Der Antragsgegner ist Eigentümer eines im Erdgeschoss gelegenen Teileigentums, in dessen Räumen er eine Konditorei mit Cafe betreibt. Diesen Betrieb hatte der Vater des Antragsgegners schon 1967 eingerichtet. Zugleich hatte dieser auf gemeinschaftlichem Grund an der Längsseite des Gebäudes vor den Gewerberäumen eine Gartenterrasse angelegt, auf der er Gäste seines Cafes bewirtete.

Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 9.2.1968 ist dazu folgendes festgehalten:

Die sich vor dem Cafe S. befindende Terrasse kann weiterhin von Herrn S. (Vater des Antragsgegners) genutzt werden, da er sich die Terrasse selbst angelegt hat und auch für Unterhaltung und Sauberkeit voll aufkommt.

Die Cafe-Terrasse war ferner Gegenstand von Erörterungen in den Eigentümerversammlungen am 4.5.1992, 27.4.1993 und 15.6.1999. Anträge von Wohnungseigentümern auf Erhebung eines Entgelts für die Nutzung der auf Gemeinschaftsgrund befindlichen Terrasse blieben damals unter Hinweis auf die Entscheidung in der Eigentümerversammlung vom 9.2.1968 unbehandelt oder wurden abgelehnt. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 2.6.1998 wurde dem Antragsgegner gestattet, auf eigene Kosten und mit der Verpflichtung zum Unterhalt den der Cafe - Terrasse vorgelagerten Garten neu zu gestalten und dort einen Springbrunnen aufzustellen.

Die Antragstellerin hat behauptet, der Antragsgegner habe etwa 1996/1997 die Terrasse erheblich erweitert, so dass nun in der Tiefe elf statt früher fünf Pflasterreihen vorhanden seien. Dies bedinge einen größeren Bewirtschaftungsbetrieb, der mit einer verstärkten Belästigung der Wohnungseigentümer einhergehe. Sie hat deshalb beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Terrasse vor dem Cafe-Restaurant von elf Pflasterreihen in der Tiefe auf insgesamt fünf Pflasterreihen mit bündigem Abschluss zur Hauswand oder höchstens 2,5 m Tiefe zu verkleinern. Das Amtsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen den Antrag mit Beschluss vom 2.12.1999 abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen den am 16.3.2001 ergangenen Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob in der Eigentümerversammlung vom 9.2.1968 die angelegte Terrasse durch Beschluss genehmigt oder deren Vorhandensein nur zustimmend zur Kenntnis genommen worden sei. Denn ein Sondernutzungsrecht an einem Teil des gemeinschaftlichen Grundstücks könne nicht durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung, sondern nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer eingeräumt werden. Es fehle somit an einer Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung. Der Beseitigungsanspruch der Antragstellerin sei jedoch verwirkt. Die Terrasse sei schon vor mehr als 30 Jahren angelegt und die weitere Nutzung in der Eigentümerversammlung vom 9.2.1968 gestattet worden. Anträge auf Erhebung von Nutzungsentgelt hätten in Eigentümerversammlungen keine Mehrheiten gefunden. Eine Beseitigung der Terrasse sei niemals gefordert worden. Die Terrasse sei auch nicht erweitert, lediglich deren Plattenbelag ausgewechselt worden. Der Antragsgegner habe sich mit seinem Betrieb darauf eingerichtet und auch darauf einrichten dürfen, dass die Ansprüche nicht mehr geltend gemacht würden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Anlegen wie das Vergrößern der dem Cafe vorgelagerten Terrasse stellt infolge der dadurch bedingten gegenständlichen Umgestaltung der Grundstücksoberfläche eine bauliche Veränderung im Sinn von § 22 Abs. 1 WEG dar (BayObLG NZM 1999, 1009 f.; WE 1997, 317; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 22 WEG Rn. 2). Die Maßnahme auf der Grundstücksteilfläche bedarf, weil sie die Rechte der anderen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus durch Mitgebrauchseinschränkungen einerseits und intensivere Nutzung durch den Antragsgegner andererseits beeinträchtigt, der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, also auch der Antragstellerin.

Freilich ist die Zustimmung zur baulichen Veränderung an keine Form gebunden, bedarf insbesondere nicht eines Eigentümerbeschlusses und kann sogar stillschweigend erklärt werden (BayObLG ZMR 2001, 640; NZM 1999, 1009/1010).

(1) Das Landgericht hat, zurückgreifend auf die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht, festgestellt, dass die Terrasse schon Ende der 60er Jahre im jetzigen Umfang bestand und eine räumliche Erweiterung entgegen den Behauptungen der Antragstellerin in den Jahren 1996/1997 oder davor nicht erfahren hat. Die Feststellungen dazu liegen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat kann sie gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur daraufhin überprüfen, ob die Beweiswürdigung auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. etwa BayObLG ZMR 1999, 847; WE 1997, 317/318; allgemein Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 42). Dies ist hier nicht der Fall, zumal die Antragstellerin lediglich ihre eigene Würdigung anstelle der des Landgerichts setzt. Allein der Austausch des Untergrunds und der Bodenplatten im Jahr 1995 unter Beibehaltung der äußeren Ausmaße bedingt keine bauliche Veränderung, sondern stellt eine Maßnahme zur ordnungsmäßigen Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dar (§ 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG). Ob der für die Plattenbelagserneuerung grundsätzlich notwendige Eigentümerbeschluss vorlag, braucht an dieser Stelle nicht untersucht zu werden.

(2) Soweit der Vater des Antragsgegners schon 1967 kurz nach der Errichtung des Gebäudes die Terrasse in der jetzigen Größe angelegt hat, ist das auf § 1004 Abs. 1, § 1011 BGB, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG gestützte Beseitigungsverlangen der Antragstellerin, sei es auch nur bezogen auf einen Teil der Terrassenfläche, jedenfalls verwirkt. Der Frage, ob in der Eigentümerversammlung vom 9.2.1968 auch die Antragstellerin (oder deren Rechtsvorgänger) der baulichen Veränderung bindend zugestimmt hat (§ 22 Abs. 1 WEG), braucht nicht weiter nachgegangen zu werden.

Nach allgemeinen Grundsätzen (§ 242 BGB) ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Anspruchsgegner nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dieser werde sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen (Palandt/Heinrichs BGB § 242 Rn. 87 ff. m. w. N.; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 22 Rn. 239). Es handelt sich um einen Fall unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Neben dem Zeitmoment muss das Umstandsmoment erfüllt sein, d.h. der Verpflichtete muss sich aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen. In der Regel ist das Umstandsmoment erfüllt, wenn der Verpflichtete~ im Hinblick auf die unterbliebene Geltendmachung des Rechts Dispositionen getroffen hat (Palandt/Heinrichs aaO Rn. 95).

Das Landgericht sieht neben dem hier unproblematisch erfüllten Zeitmoment (BayObLG NJW-RR 1993, 1165/1166; KG NJW-RR 1989, 976) auch das Umstandsmoment zu Recht als erfüllt an. Die Antragstellerin, die nach Aussage ihrer Angehörigen schon 1967 die Eigentumswohnung bezogen hatte, kannte von Anfang an die Größe der Terrasse und nahm deren Vorhandensein ohne Beanstandung jahrelang hin. Der Antragsgegner seinerseits ließ 1995, erkennbar im Vertrauen auf die zugestandene Nutzungsmöglichkeit, auf eigene Kosten die Terrasse erneuern. Auch dieser bauliche Vorgang war für alle Wohnungseigentümer, ebenso die Antragstellerin, offensichtlich. Die Durchsetzung ihres erst im September 1999 anhängig gemachten Beseitigungsbegehrens ist, mag es sich auch nur auf eine Teilfläche beziehen, treuwidrig.

b) Der Gebrauch der durch die Terrasse beanspruchten Gemeinschaftsfläche durch den Antragsgegner unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer und ohne adäquate Kompensation (BGHZ 144, 386; siehe auch Becker/Kümmel ZWE 2001, 128/136) kann sich als Sondernutzung darstellen. Diese kann nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch allseitige Vereinbarung geregelt werden (BayObLG ZMR 2001, 640; Palandt/Bassenge WEG § 15 Rn. 8, 18, 20). Auch ein nicht für ungültig erklärter Mehrheitsbeschluss (Palandt/Bassenge § 10 Rn. 19 zur früheren Rechtslage) wäre dafür nicht hinreichend. Er wäre vielmehr nichtig, weil es an der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung mangelt (BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500).

In dem Antrag auf teilweise Beseitigung der Terrassenpflasterung ist auch ein Antrag auf Einschränkung der Nutzung von Gemeinschaftsflächen zu gastronomischen Zwecken mitenthalten. Denn schon aus der Anspruchsbegründung ergibt sich, dass es der Antragstellerin zwar um die Entfernung des Plattenbelags, im Kern aber um ein Verbot des gastronomischen Betriebs in seiner (aus der Sicht der Antragstellerin) erweiterten Form geht. Dem steht jedoch die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung vom 9.2.1968 entgegen. Der Niederschrift jener Versammlung entnimmt der Senat das formelle Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses. Dafür spricht das Festhalten im Protokoll in einer Reihe mit weiteren Regelungen über die Zuteilung von Sonderflächen, wie z.B. von Garagen unter Nr. 5. Die nur mangelhafte Niederschrift hat keine gestaltende Wirkung (KG WuM 1992, 282). Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des Kammergerichts vom 28.5.1999 (ZMR 1999, 657) betrifft einen von der damals überwiegenden Meinung als zulässig erachteten "vereinbarungsersetzenden Mehrheitsbeschluss" und Mindestvoraussetzungen für dessen Gültigkeit auch gegenüber Rechtsnachfolgern. Um einen solchen geht es hier aber nicht. Denn inhaltlich ist dem damaligen Beschluss nicht die Einräumung ausschließlicher Gebrauchsrechte an der gemeinschaftlichen Grundstücksteilfläche, sondern eine - jederzeit widerrufliche - Duldung des Gebrauchs durch den Inhaber der Gewerbeeinheit zu entnehmen. Deshalb kommt eine Nichtigkeit des Beschlusses vom 9.2.1968 nicht in Betracht. Ob dieser, ebenso wie die Nichtbehandlung oder Ablehnung von Anträgen auf Zahlung von Entgelt in den 1992, 1993 und 1999 stattgefundenen Eigentümerversammlungen, ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (§ 15 Abs. 3 WEG), auf die die Antragstellerin einen Anspruch hat (§ 21 Abs. 4 WEG), mag an dieser Stelle dahinstehen. Denn derzeit besteht die durch den nicht angefochtenen Beschluss vom 9.2.1968 geschaffene Rechtslage fort.

3. Dem Senat erscheint es angemessen, der Antragstellerin, die in sämtlichen Instanzen unterlegen ist, neben den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens auch die den übrigen Beteiligten erwachsenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Den Geschäftswert hat der Senat unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten entsprechend den Festsetzungen der Vorinstanzen mit 20000 DM bestimmt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).

Ende der Entscheidung

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