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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 66/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 26
1. Eine Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund kann nur auf Tatsachen gestützt werden, die entweder nach dessen Bestellung entstanden oder jedenfalls der Wohnungseigentümergemeinschaft erst danach bekannt geworden sind.

2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Wohnungseigentümer, gerichtlich die Abberufung des Verwalters durchzusetzen, ist anzunehmen, wenn der Versuch gescheitert ist, einen Mehrheitsbeschluss über die Abberufung herbeizuführen oder wenn in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse die vorherige Anrufung der Eigentümerversammlung nicht zumutbar ist.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem Antragsgegner verwaltet wird. Die überwiegende Zahl der Wohnungen gehört Familienangehörigen des Antragsgegners. Die weitere Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Antragsgegners; sie verfügt über einen Miteigentumsanteil von 750,9/1.000.

Mit bestandskräftigem Beschluss vom 21.12.2002 lehnten die Wohnungseigentümer den Antrag ab, den Antragsgegner nicht mehr zum Verwalter zu bestellen; mit Mehrheit wurde vielmehr beschlossen, ihn für weitere fünf Jahre, beginnend am 1.1.2003, im Amt des Verwalters zu bestätigen.

Am 15.4.2003 hat der Antragsteller beim Amtsgericht beantragt, den Verwalter mit sofortiger Wirkung abzuberufen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.7.2003 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 21.1.2004 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten zu 1.

II.

Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Dem Antrag fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis; der Versuch des Antragstellers, einen Mehrheitsbeschluss über die Abberufung herbeizuführen, sei gescheitert. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Miteigentumsanteils der weiteren Beteiligten zu 1, würde die Abhaltung einer Eigentümerversammlung mit dem Ziel, den Antragsgegner als Verwalter abzuberufen, als nutzlose Förmelei einzustufen sein.

Der Antrag sei auch begründet. Der Antragsgegner habe sich mehrerer schwerwiegender Rechtsverstöße schuldig gemacht.

Der Antragsgegner habe gegen die Gemeinschaft geltend gemachte Forderungen seiner Familienangehörigen anerkannt und mit Wohngeldforderungen der Gemeinschaft gegen diese verrechnet. Dies sei unzulässig.

Insbesondere sei zu beanstanden, dass der Antragsgegner von dem weiteren Beteiligten zu 2 verauslagte Prozesskosten mit Wohngeldforderungen gegen ihn verrechnet habe. Die Prozesskosten, auf die sich der weitere Beteiligte zu 2 berufen habe, hätten ein Verfahren betroffen, das überwiegend dem Interesse der Familienangehörigen des Antragsgegners gedient und deren Sondereigentum betroffen habe.

Rechtswidrig sei es außerdem gewesen, dass das von ihm an die weitere Beteiligte zu 1 abgetretene Verwalterhonorar mit Wohngeldansprüchen gegen die weitere Beteiligte zu 1 verrechnet worden sei. Ein dies gestattender Eigentümerbeschluss habe gefehlt.

Außerdem sei die Ehefrau des Antragsgegners im Wege der Verrechnung von Wohngeldzahlungen für das Jahr 2002 insoweit freigestellt worden, als der Antragsgegner angeblich angefallene Auslagen der weiteren Beteiligten zu 1 für die Reparatur von Fenstern zu ihren Gunsten berücksichtigt habe. Tatsächlich habe die Ehefrau des Antragsgegners keinerlei Auslagen gehabt. Abgesehen davon habe auch hier ein Eigentümerbeschluss über die Zulässigkeit der Verrechnung gefehlt.

Als schwerwiegender Verstoß des Antragsgegners sei es schließlich zu werten, dass er seit Jahren eine Einsicht in die Verwalterunterlagen verweigere.

Kenntnis von der Verrechnung der Prozesskosten mit Wohngeldforderungen gegen den weiteren Beteiligten zu 2 sowie von der Nichteinforderung von Wohngeldvorauszahlungen von der weiteren Beteiligten zu 1 wegen der angeblich getätigten Ausgaben für Fensterreparaturen habe der Antragsteller erst durch die Akteneinsicht vom 25.6.2003, also nach dem Eigentümerbeschluss vom 21.12.2002, erhalten. Sein Abberufungsverlangen könne er somit auf diese Gründe stützen. Akteneinsicht sei im Übrigen auch nach diesem Eigentümerbeschluss von dem Antragsgegner beharrlich verweigert worden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Rechtsschutzbedürfnis für die von dem Antragsteller angestrebte gerichtliche Durchsetzung der Abberufung des Antragsgegners als Verwalter ist gegeben.

Ein solches ist anzunehmen, wenn der Versuch des Wohnungseigentümers, einen Mehrheitsbeschluss über die Abberufung herbeizuführen, gescheitert ist, oder wenn ihm die vorherige Anrufung der Versammlung in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse nicht zugemutet werden kann (BayObLG NJW-RR 1997, 1443 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 163; OLG Celle NZM 1999, 841). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht diese Voraussetzungen bejaht.

b) Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass wichtige Gründe für die Abberufung des Verwalters vorliegen.

(1) Nach allgemeiner Auffassung ist ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Abberufung eines Verwalters dann gegeben, wenn den Wohnungseigentümern unter Beachtung aller Umstände nach Treu und Glauben eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten ist, insbesondere durch diese Umstände das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist (BGH NJW 2002, 3240/3243 m.w.N.).

(2) Wie der Senat in seinem Beschluss vom 18.3.2004 (2Z BR 014/04) festgestellt hat, hat der Antragsgegner rechtswidrig Beträge als Vorauszahlungen einzelner Wohnungseigentümer in die Jahresabrechnung eingestellt, die tatsächlich nicht auf das Gemeinschaftskonto geflossen sind. Es handelte sich vielmehr um fiktive Einnahmen, deren Hintergrund Aufrechnungen und Abtretungen waren. Eine Überprüfung der Jahresabrechnung auf ihre Schlüssigkeit und Richtigkeit war damit den Wohnungseigentümern nicht möglich. Außerdem war der Antragsgegner nicht berechtigt, gegen die Gemeinschaft geltend gemachte Forderungen in rechtsverbindlicher Weise für die Gemeinschaft anzuerkennen. Dies war allein Sache der Wohnungseigentümer. Durch dieses Vorgehen des Antragsgegners wurden die Interessen seiner Familienangehörigen bevorzugt.

(3) Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO) hat der Antragsgegner an den weiteren Beteiligten zu 2 unberechtigt eine Rückzahlung geleistet. Ohne entsprechenden Eigentümerbeschluss hätte er eine Erstattung nicht vornehmen dürfen. Außerdem hat ein Anspruch nicht bestanden, weil, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, die angeblichen Prozesskosten, deren Ersatz der weitere Beteiligte zu 2 verlangt hat, im Rahmen eines Bauprozesses angefallen sind, der überwiegend den Interessen der Familienangehörigen des Antragsgegners gedient hat und nur in "randständigen Bereichen" das Gemeinschaftseigentum betroffen hat.

(4) Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, es müsse als schwerer Vertrauensverstoß gewertet werden, dass der Antragsgegner das Verwalterhonorar an die weitere Beteiligte zu 1 abgetreten und ohne Eigentümerbeschluss mit Wohngeldansprüchen gegen die weitere Beteiligte zu 1 verrechnet habe. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 18.3.2004 ausgeführt, kann gegen Wohngeldansprüche der Gemeinschaft nur mit rechtskräftig festgestellten oder anerkannten Forderungen aufgerechnet werden, es sei denn, es handle sich um Ansprüche aus Notgeschäftsführung. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

(5) Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den vom Landgericht festgestellten Verstoß gegen die Verwalterpflichten Bezug genommen, der darin liegt, dass der Antragsgegner angebliche Forderungen der weiteren Beteiligten zu 1 im Zusammenhang mit der Reparatur von Fenstern auf Wohngeldforderungen gegen die weitere Beteiligte zu 1 verrechnet hat.

(6) Zu den bei der Feststellung des wichtigen Grunds für die Abberufung zu berücksichtigenden Umständen hat das Landgericht ferner zutreffend die Verweigerung der Einsicht in die Verwalterunterlagen durch den Antragsgegner gezählt. Die Behauptung des Antragsgegners, er habe dem Antragsteller im Hinblick auf dessen Wohngeldrückstände keine Einsicht in die Verwalterunterlagen gewährt, findet in den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts keine Grundlage. Es kann deshalb offen bleiben, ob dies ein hinreichender Grund wäre, die Einsicht zu verweigern. Abgesehen davon fehlt es auch an der Gegenseitigkeit für ein solches Zurückbehaltungsrecht.

c) Dem Landgericht ist auch darin beizutreten, dass eine Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund nur auf Tatsachen gestützt werden kann, die entweder nach dessen Bestellung entstanden oder jedenfalls der Wohnungseigentümergemeinschaft erst danach bekannt geworden sind (OLG Celle NZM 1999, 841). Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Voraussetzung hier vorliegt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist es somit unerheblich, dass der Antragsteller die Wiederwahl des Verwalters mit Eigentümerbeschluss vom 21.12.2002 nicht angefochten hat.

3. Die Kostenentscheidung des Landgerichts, durch die dem Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten beider Instanzen auferlegt worden sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner musste gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 WEG an dem Verfahren beteiligt werden. Es war nicht ermessensfehlerhaft, ihm die Kosten aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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