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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 68/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1629
BGB § 1795
BGB § 1940
BGB § 2147
WEG § 10
1. Eltern sind nicht von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen, wenn den Kindern ein Grundstück vermacht ist und in Erfüllung des Vermächtnisses die Auflassung erklärt wird.

2. Dies gilt auch dann, wenn in der Veräußerungsurkunde für die Kinder nachteilige Regelungen enthalten sind, die nur die Rechtslage wiedergeben oder sich als Beschränkung des Vermächtnisses darstellen.


Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Alleinerbe der Erblasserin. Er ist im Grundbuch als Alleineigentümer des Wohnungseigentumsrechts eingetragen. Die Erblasserin hat den Beteiligten zu 2 bis 5 Vermächtnisse zugewandt. Unter anderem sollten die Beteiligten zu 4 und 5 zu gleichen Teilen den 3/4 Miteigentumsanteil der Erblasserin an dem verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentumsrecht erhalten. Neben weiteren Auflagen war im Testament vorgesehen, dass der Beteiligte zu 1 sich den Nießbrauch vorbehalten kann.

In Erfüllung des Vermächtnisses übertrug der Beteiligte zu 1 in der notariellen Urkunde vom 20.11.2003 einen 3/4 Miteigentumsanteil an dem verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentum an die Beteiligten zu 4 und 5 jeweils zu gleichen Teilen. Die Beteiligten zu 4 und 5 wurden bei der Auflassung vertreten durch ihre Eltern, die Beteiligten zu 2 und 3. Den Beteiligten zu 2 und 3 steht das gemeinsame Sorgerecht für die Beteiligten zu 4 und 5 zu. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Beteiligten zu 1.

Der Beteiligte zu 1 bestellte für sich den Nießbrauch. Ferner ist in der Urkunde festgehalten, dass mit Beendigung des Nießbrauchs die Beteiligten zu 4 und 5 in dann bestehende Mietverhältnisse eintreten würden. Die Mängelhaftung ist auf Vorsatz beschränkt. Außerdem ist vereinbart, dass die Beteiligten zu 4 und 5 in die Verpflichtungen aus der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung eintreten, auch soweit diese nur schuldrechtliche Wirkungen haben.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 19.12.2003 den Antrag auf Vollzug der Urkunde beanstandet und den Beteiligten unter anderem aufgegeben, in der Form des § 29 GBO die Zustimmung von Ergänzungspflegern samt deren Bestellungsnachweisen vorzulegen. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten Beschwerde eingelegt, die das Landgericht am 12.2.2004 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Das Grundbuchamt habe zu Recht die Bewilligung der Auflassung durch Ergänzungspfleger für die Beteiligten zu 4 und 5 verlangt. Die Beteiligten zu 2 und 3 seien von der Vertretung nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Das Geschäft bestehe nicht nur in der Erfüllung einer Verbindlichkeit, da der Erwerb eines vermieteten Grundstücks nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB können die Eltern das Kind nicht vertreten bei einem Rechtsgeschäft mit einem Verwandten der Eltern in gerader Linie, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Dieser Ausnahmetatbestand ist hier gegeben. Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 BGB). Der Miteigentumsanteil ist deshalb in Erfüllung einer Verbindlichkeit übertragen worden. Auf die Frage, ob das Geschäft rechtlich vorteilhaft ist oder nicht, kommt es deshalb nicht an. Die aus dem Gesetzeszweck abgeleitete Ausnahme von § 1795 BGB, wonach ein Vertretungshindernis nicht besteht, wenn das Geschäft dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (vgl. z.B. Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1795 Rn. 11), schränkt die Vertretungsbefugnis gegenüber der Regelung des § 1795 BGB nicht ein, sondern erweitert sie.

b) Auch Einzelregelungen des Vertrags führen nicht zu einem Vertretungsausschluss, da sie entweder in dem Vermächtnis begründet sind oder nur gesetzliche Regelungen wiederholen.

aa) Dass sich der Beteiligte zu 1 den Nießbrauch vorbehalten hat, entspricht der testamentarischen Anordnung. Es handelt sich insoweit nicht um eine Auflage im Sinne des § 1940 BGB, sondern um eine dem Vermächtnis immanente Beschränkung. Konsequenterweise wurde der Nießbrauch in der Urkunde deshalb auch nicht durch Vertrag begründet, sondern vorbehalten. Es kann deshalb dahinstehen, ob auch der Vollzug einer Auflage in Erfüllung einer Verbindlichkeit im Sinne des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgen würde, obwohl der Bedachte nach § 1940 BGB kein Recht auf die Leistung hat.

bb) Dass der Erwerber mit der Beendigung des Nießbrauchs in das bestehende Mietverhältnis eintritt, entspricht den §§ 566, 1056 BGB. Insoweit wird lediglich die gesetzliche Regelung wiederholt. Da der Vermächtnisgegenstand von vornherein mit dem Recht des Beteiligten zu 1 belastet war, sich einen Nießbrauch vorzubehalten, wird dadurch keine eigene schuldrechtliche Verpflichtung für die Beteiligten zu 3 und 4 begründet. Die von § 556a Satz 2, § 1056 BGB abweichende Regelung über die Kautionsrückzahlung ist für die Beteiligten zu 4 und 5 nicht rechtlich nachteilig. Die Beteiligten zu 4 und 5 haften für die Rückgabe der Sicherheit gemäß § 566a Satz 1 BGB kraft Gesetzes. Der geplante Ausschluss der Forthaftung des Veräußerers nach § 566a Satz 2 BGB begründet für die Beteiligten zu 4 und 5 keine zusätzliche Haftung.

cc) Die Regelungen zur Mängelhaftung entsprechen für Rechtsmängel dem § 2182 Abs. 3 BGB. Eine Gewährleistung für Sachmängel sieht das Gesetz in § 2183 BGB nur für ein Gattungssachen betreffendes Vermächtnis vor. Für Sachmängel eines bestimmten Nachlassgegenstands haftet der Beschwerte nicht (Palandt/Edenhofer § 2183 Rn. 1).

dd) Hinsichtlich des Eintritts in die durch die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung begründeten Pflichten ergibt sich die getroffene Regelung ebenfalls aus dem Vermächtnis. Soweit es sich um dinglich wirkende Vereinbarungen handelt, ergibt sich die Bindung der Beteiligten zu 4 und 5 bereits aus § 10 Abs. 2 WEG. Hinsichtlich der schuldrechtlichen Verpflichtungen entspricht es offensichtlich dem Willen der Erblasserin, dass die Vermächtnisnehmer nicht mehr erhalten sollen, als sie zu Lebzeiten selbst hatte und als auf den Beteiligten zu 1 übergegangen ist. Es ist fern liegend, anzunehmen, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 1, auf den auch die schuldrechtlichen Verpflichtungen nach § 1922 Abs. 1 BGB übergegangen sind, eventuellen Schadensersatzansprüchen der übrigen Wohnungseigentümer wegen Nichteinhaltung schuldrechtlicher Verpflichtungen aussetzen wollte.

3. Eine Entscheidung über Kosten und Geschäftswert ist nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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