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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.09.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 71/02
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 39
Zur Frage der Voreintragung der Eheleute als Bruchteilseigentümer, wenn sie im Grundbuch als Eigentümer eines Grundstücks in Gütergemeinschaft eingetragen sind, aber tatsächlich im gesetzlichen Güterstand leben und deshalb materiellrechtlich Bruchteilseigentümer zu je 1/2 sind, sofern der Ehemann seinen Anteil der Ehefrau übertragen und im Grundbuch eingetragen lassen will.
Gründe:

I.

Die Beteiligte und ihr Ehemann wurden im Grundbuch im Jahr 1981 als Eigentümer eines Grundstücks in Gütergemeinschaft eingetragen. Die Ehe wurde am 9.2.2000 rechtskräftig geschieden.

Mit notarieller Urkunde vom 18.9.2001 haben die Beteiligte und ihr geschiedener Ehemann erklärt, dass sie im gesetzlichen Güterstand gelebt und beim Erwerb des Grundstücks irrtümlich den Güterstand der Gütergemeinschaft angegeben hätten; die Eintragung im Grundbuch sei deshalb unrichtig. In der gleichen Urkunde überließ der geschiedene Ehemann der Beteiligten seinen Hälftemiteigentumsanteil; die Vertragsteile bewilligten die Eintragung der Auflassung in das Grundbuch.

Die Beteiligte hat beantragt, die Eintragung in das Grundbuch vorzunehmen. Mit Zwischenverfügung vom 1.3.2002 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass gemäß § 39 GBO zunächst ein Antrag auf Eintragung der Eheleute je zur Hälfte gestellt werden müsse. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.6.2002 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Gemäß § 39 GBO solle eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen werde, als der Berechtigte eingetragen sei. Dies bedeute, dass der Berechtigte, und sein Recht richtig, d.h. der wirklichen Rechtslage entsprechend, eingetragen sein müsse. Der Rechtsstand des Grundbuchs müsse dabei in allen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiedergegeben sein, was vom Grundbuchamt stets zu beachten sei und keine der Zulassung von Ausnahmen zugeneigte Auslegung vertrage. Dabei nehme es das Gesetz ersichtlich in Kauf, dass der nach § 39 Abs. 1 GBO berichtigend einzutragende Berechtigte im Fall der Übertragung seines Rechts sogleich wieder im Grundbuch zu löschen sei. Insoweit habe die Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO jedenfalls auch Ordnungsfunktion. Wegen dieses Ordnungscharakters müsse die Vorschrift auch dann angewendet werden, wenn dies für Teilbereiche ihrer Zweckbestimmung an sich entbehrlich erscheine.

Eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO komme nur auf Fälle in Betracht, in denen kraft Gesetzes ein Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs eingetreten sei und die mit dem Erbgang weitgehend vergleichbar seien. Daran fehle es hier. Auch die von Rechtsprechung und Literaturzugelassene Ausnahme vom Voreintragungsgrundsatz für bestimmte Fallgruppen, in denen ein Rechtssubjekt kraft Gesetzes in die Rechtsverhältnisse eines anderen eintrete, lasse sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen.

Zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führe auch nicht die Tatsache, dass die Voreintragung bei Aufgebotsverfahren und in Fällen der Auflassung eines herrenlosen Grundstücks durch einen bestellten Vertreter zur Erfüllung eines durch Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruchs nicht geboten sei.

Allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen wie die, dass unmittelbar im Anschluss an die Eintragung der Eheleute als Miteigentümer zu gleichen Bruchteilen die Eigentumsumschreibung an die Beteiligte zu Alleineigentum erfolgen müsse und damit die Voreintragung überflüssig mache, rechtfertigten nicht ein Zurück treten des Voreintragungsgrundsatzes.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Voreintragung des Betroffenen kann zum Gegenstand einer Zwischenverfügung gemacht werden (BayObLG MittBayNot 1990, 249).

b) Das in der Zwischenverfügung genannte Eintragungshindernis wurde von den Vorinstanzen zu Recht bejaht.

(1) Nach § 39 GBO soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Dies umfasst auch die Angabe des zutreffenden Gemeinschaftsverhältnisses. Da dies hier nicht der Fall ist, kann die beantragte Eintragung nicht vollzogen werden.

(2) Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO bezweckt unter anderem, dass der Rechtsstand des Grundbuchs nicht bloß im Endziel richtig, sondern in allen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiedergegeben wird (BGHZ 16, 101 -; KG Rpfleger 1992, 430). Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, die vom Grundbuchamt stets beachtet werden muss und keine der Zulassung von Ausnahmen zugeneigte Auslegung verträgt (KG Rpfleger 1992, 430; Demharter GBO 24. Aufl. § 39 Rn. 1).

(3) Ein Ausnahmefall von dem Voreintragungsgrundsatz nach § 39 Abs. 2 GBO liegt ebenso wenig vor wie Ausnahmefälle nach § 40 GBO. Soweit eine Ausnahme von dem Grundsatz der Voreintragung in Rechtsprechung und Literatur für möglich gehalten wird (vgl. dazu im einzelnen BayObLG NJW-RR 1989, 977; KG Rpfleger 1992, 430 f.; Demharter § 40 Rn. 9; Meikel/Böttcher Grundbuchrecht 8. Aufl. § 39 Rn. 36; jeweils m. w. N.), handelt es sich um Fälle, die mit einem Eigentumswechsel aufgrund Rechtsgeschäfts unter Lebenden wie hier nicht vergleichbar sind. Insbesondere handelt es sich hier nicht um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge oder um einen kraft Gesetzes außerhalb des Grundbuchs eingetretenen Rechtsübergang.

In der Entscheidung des Kammergerichts vom 7.12.1903 (OLG 8, 154) hat das Gericht ausgeführt, dass im Grundbuch nicht vermerkt zu werden braucht, zu welchen Anteilen in Bruchteilen den Miteigentümern das Grundstück gehörte, wenn der eine Miteigentümer seinen nicht belasteten Anteil an den anderen überträgt (vgl. auch OLG Hamm DNotZ 1965, 408/410). Darum geht es hier nicht, weil die Eheleute als Gesamthandseigentümer eingetragen sind und damit nach dem Grundbuchstand nur gemeinschaftlich und einheitlich verfügen könnten.

(4) In der Literatur wird zum Teil (Meikel/Böttcher § 39 Rn. 2a; Eickmann Grundbuchverfahrensrecht 3. Aufl. 5. Kapitel § 4 II Rn. 227) die Auffassung vertreten, dass die strikte Einhaltung des Grundsatzes der Voreintragung des Betroffenen vielfach eines vernünftigen Zweckes entbehre und zudem den Beteiligten Kosten verursache, die keinerlei Zweck erfüllten; mit rechtsstaatlichen Grundsätzen sei dies nicht vereinbar. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO müsse deshalb restriktiv ausgelegt werden. Unter § 39 Abs. 1 GBO sollten nur noch die Fälle fallen, in denen der Verfügend e oder Bewilligende seine Verfügungs- bzw. Bewilligungsmacht mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismitteln nicht nachzuweisen vermöge oder bei denen die Voreintragung von eigenständiger Bedeutung sei, weil sie nicht sogleich oder alsbald aus dem Grundbuch verschwinden solle. Dem kann nicht gefolgt werden.

Der Voreintragungsgrundsatz beruht auf Gesetz; dieses hat das Grundbuchamt zu beachten und darf es nicht aufgrund allgemeiner Zweckmäßigkeitserwägungen außer acht lassen.

Der Zweck der Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO besteht, wie der Bundesgerichtshof (BGHZ 16, 101) ausgeführt hat, unter anderem darin, dass der Rechtsstand des Grundbuchs nicht bloß im Endziel richtig, sondern in allen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiedergegeben wird. Dabei nimmt es das Gesetz ersichtlich in Kauf, dass der nach § 39 Abs. 1 GBO, berichtigend einzutragende Berechtigte im Fall der Übertragung oder Aufhebung seines Rechts sogleich wieder im Grundbuch zu löschen ist. Insoweit hat die Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO Ordnungsfunktion (KG Rpfleger 1992, 430). Auch eine Ordnungsfunktion hat ihren Sinn; es ist somit nicht haltbar, dass es hier nur um die "Anwendung einer sinnentleerten Norm" (Eickmann aaO) geht. Abgesehen davon kann es im Einzelfall schwierig sein abzugrenzen, wann die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen auch nach der genannten Literaturmeinung vom Voreintragungsgrundsatz nicht abgewichen werden soll. Eine solche Abgrenzungsschwierigkeit ist aber dem Grundbuchverfahren und seinem Zweck nicht dienlich.

Schließlich kann sich die Beteiligte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, durch die Anwendung der Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO würden ihr ansonsten vermeidbare Kosten entstehen. Es kann nämlich nicht außer Betracht bleiben, dass es die Beteiligte selbst zu vertreten hat, wenn sie beim Erwerb des Grundstücks irrtümlich den falschen Güterstand angegeben hat.

c) Die Zwischenverfügung ist allerdings dahin auszulegen, dass der dort genannte Eintragungsantrag als Antrag auf Berichtigung gemäß § 22 GBO zu stellen ist. Denn materiellrechtlich sind die Eheleute trotz der unrichtigen Eintragung im Grundbuch Miteigentümer zu Bruchteilen (zu je 1/2) geworden (BayObLGZ 1983, 118/124 f.).

Ende der Entscheidung

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