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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 75/00
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 638 Abs. 1
BGB § 640 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 3
Zur Frage, wann das Gemeinschaftseigentum abgenommen wurde und Gewährleistungsfristen aus dem Gemeinschaftseigentum abgelaufen sind.
BayObLG Beschluss

LG Landshut 60 T 411/99; AG Landshut 14 UR II 8/98

2Z BR 75/00

20.03.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius am 20. März 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Landgerichts Landshut ohne Datum ("aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7.6.20000) aufgehoben.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 29. Januar 1999 wird zurückgewiesen.

III. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer aus zwei Häusern (Nr. 4 und 5) bestehenden Wohnanlage. Das Haus Nr. 5 wurde als erstes fertiggestellt; das Haus Nr. 4, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befindet, wurde Ende 1985 bezugsfertig. Die letzten Wohnungen wurden von der Bauträgerin Ende 1987 und im Februar 1988 veräußert. Die weitere Beteiligte ist seit Errichtung der Wohnanlage die Verwalterin; sie wurde aufgrund der Ermächtigung in § 8 der Gemeinschaftsordnung von der Bauträgerin für die Zeit vom 15.12.1984 bis 15.12.1989 bestellt. In dem mit der Bauträgerin abgeschlossenen Verwaltervertrag ist in § 2.6 folgendes vereinbart:

Der Verwalter wird beauftragt, soweit noch nicht geschehen, das Gemeinschaftseigentum im Zusammenwirken mit dem Verwaltungsbeirat unter Beiziehung eines Bausachverständigen gegenüber dem Bauträger abzunehmen.... Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat er sich durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft bestätigen zu lassen.

In der Folgezeit haben die Wohnungseigentümer gleichlautende Verträge mit der weiteren Beteiligten geschlossen. Die Abnahme und Übernahme des gemeinschaftlichen Eigentums des Hauses Nr. 5 fand nach einer von zwei Käufern und je einem Vertreter der weiteren Beteiligten und der Bauträgerin unterzeichneten Erklärung am 22.7.1985, die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums des Hauses Nr. 4 nach einer von einem Eigentümer (Mitglied des Verwaltungsbeirats) und einem Vertreter der weiteren Beteiligten unterzeichneten Erklärung am 23.1.1986 statt; bei der Abnahme waren auch Mitarbeiter der Bauträgerin anwesend. Nach einem Schreiben der weiteren Beteiligten an die Bauträgerin vom 10.10.1989 wurde das gemeinschaftliche Eigentum allerdings erst am 30.8.1989 abgenommen. In der Folgezeit machten Wohnungseigentümer und die weitere Beteiligte weitere, nicht behobene Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum geltend, die in Schreiben an die Bauträgerin und in einem Protokoll vom 6.7.1990 festgehalten wurden. In einem wiederum von Mitgliedern des Verwaltungsbeirats und Vertretern der weiteren Beteiligten und der Bauträgerin unterzeichneten Protokoll vom 17.1.1991 wurde festgestellt, welche Mängelrügen erledigt seien; des weiteren erklärte sich die Bauträgerin bereit, die genannten Mängel auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist am 23.1.1991 auf ihre Kosten zu beseitigen.

Es ist insbesondere zwischen der Antragstellerin und der weiteren Beteiligten streitig, in welchem Umfang dies geschehen ist und ob das gemeinschaftliche Eigentum noch Mängel aufweist.

Die Niederschrift über die Eigentümerversammlung vom 5.5.1998 enthält zu TOP 7 folgende Feststellungen:

In diesem Zusammenhang erinnert Herr O. (= Geschäftsführer der weiteren Beteiligten) daran, dass die Gewährleistungsfrist für das Gemeinschaftseigentum am 23.1.1991 abgelaufen ist und damals vom Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates... die Aufnahme eines Beweissicherungsverfahrens für sinnlos gehalten wurde, da ihm keine Mängel mehr bekannt sind.

Trotzdem erklärt sich der Bauträger in seinem o.g. Schreiben bereit, mit Rücksicht auf das gute Verhältnis zu nahezu allen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft, jedoch ohne Anerkennung irgendeiner Rechtspflicht für die in der Vergangenheit entstandenen Reparaturkosten einen einmaligen Betrag in Höhe von 6000 DM zu übernehmen.

Dies tut er nicht zuletzt deshalb, weil immer noch von einigen Eigentümern Meinungen kursieren, der Bauträger habe verschiedene Reparaturen zugesagt und nicht eingehalten.

Diese Zahlung erfolgt unter der Voraussetzung, dass durch eine vertragliche Vereinbarung damit alle Gewährleistungsansprüche der Eigentümergemeinschaft endgültig und einvernehmlich bereinigt sind. Nach einer längeren Diskussion verliest Herr O. den Entwurf der vertraglichen Vereinbarung.

Abstimmung: mit 3 Gegenstimmen angenommen

Am 12.5.1998 unterzeichneten ein Vertreter der Bauträgerin und ein Vertreter der weiteren Beteiligten eine Vereinbarung, wonach die Bauträgerin zur Abgeltung aller Ansprüche wegen bereits aufgetretener und künftiger Mängel pauschal 6000 DM an die Eigentümer bezahlt.

Den Antrag der Antragstellerin auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 5.5.1998 zu TOP 7 hat das Amtsgericht am 29.1.1999 abgewiesen, die sofortige Beschwerde dagegen hat das Landgericht am 19.5.1999 zurückgewiesen. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat am 4.11.1999 (ZMR 2000, 113) den Beschluss des Landgerichts vom 19.5.1999 aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Beim Landgericht legten die Beteiligten weitere Unterlagen vor, die Antragsgegner insbesondere die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung (Anlage BB1) und den Verwaltervertrag für die Zeit von 1984 bis 1989 (Anlage BB2), die Antragstellerin den notariellen Kaufvertrag für ihre Wohnung vom 23.12.1985 (Anlage B4), der in Nr. VI folgende Vereinbarung enthält:

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt durch den Verwalter bei Bezugsfertigkeit der ersten Wohnung. Der Käufer erteilt hierzu seine unwiderrufliche Vollmacht.

Nach mündlicher Verhandlung am 7.6.2000 hat das Landgericht mit Beschluss ohne Datum den Beschluss des Amtsgerichts vom 29.1.1999 aufgehoben und den Eigentümerbeschluss vom 5.5.1998 zu TOP 7 für ungültig erklärt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und zur Zurückweisung der Erstbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts.

l. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Beschwerde sei begründet. Grundlage für den Eigentümerbeschluss vom 5.5.1998 sei ausweislich der Versammlungsniederschrift die Annahme gewesen, die Mängelgewährleistungsansprüche seien alle verjährt. Diese Annahme sei jedoch unzutreffend. Voraussetzung für den Ablauf der Gewährleistungsfrist sei sowohl nach VOB/B als auch nach BGB die Abnahme des Werks. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Verwalter sei aber nur möglich, wenn ihm durch die Wohnungseigentümer eine entsprechende Vollmacht erteilt worden sei. Für das Haus Nr. 5 hätten die Antragsgegner eine entsprechende Vollmacht erteilt; für das Haus Nr. 4 fehle hingegen eine Vollmacht für den Verwalter zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Da sich aber nach dem Vortrag aller Beteiligten Mängel an beiden Häusern befänden, sei die Verjährungsfrist allenfalls für die Mangel am Haus Nr. 5 in Gang gesetzt. Dass die Gewährleistungsfristen durch Ingebrauchnahme in Gang gesetzt worden seien, sei nicht anzunehmen. Denn der Verwalter und die Bauträgerin seien sich offenbar einig gewesen, dass durch Bezug der Wohnungen die Erforderlichkeit einer förmlichen Abnahme nicht entfallen sei. Für die Annahme, der Verwalter habe aufgrund einer Duldungsvollmacht für die Wohnungseigentümer gehandelt, fehle es an einem konkludenten Handeln der Wohnungseigentümer. Bei keinem der beiden Häuser sei nach den Abnahmebegehungen ein Eigentümerbeschluss gefasst worden, der die Abnahme durch den Verwalter genehmigte. Damit stehe fest, dass hinsichtlich des Hauses Nr. 4 Mängelgewährleistungsansprüche noch nicht verjährt seien, da die Gewährleistungsfrist noch nicht einmal in Gang gesetzt worden sei. Ob der Eigentümerbeschluss vom 5.5.1998 auch ohne Verjährung der Gewährleistungsansprüche wirtschaftlich sinnvoll sei, könne ohne genaue Kenntnis der behaupteten Mängel nicht festgestellt werden. Der Eigentümerbeschluss könne auch nicht teilweise aufrechterhalten werden, da die Abfindungszahlung von pauschal 6000 DM nicht auf die beiden Häuser aufgeteilt werden könne.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die nachgereichten Unterlagen nicht ausreichend berücksichtigt und teilweise die Rechtslage unrichtig beurteilt.

a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass der angefochtene Eigentümerbeschluss jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) entspricht, wenn etwaige Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums am 5.5.1998 verjährt waren. Denn die Bauträgerin hatte sich ausdrücklich auf Verjährung berufen. Deshalb waren irgendwelche Gewährleistungsansprüche nach § 638 Abs. 1 Satz 1, § 222 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar (vgl. Senatsbeschluss vom 4.11.1999 unter II 3b (3) = ZMR 2000, 113/115).

b) Zu Unrecht geht aber das Landgericht davon aus, dass die Verwalterin keine ausreichende Vollmacht gehabt habe, im Namen der Wohnungseigentümer das Gemeinschaftseigentum nach § 640 Abs. 1 BGB abzunehmen. Die Antragstellerin kann sich schon deshalb nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Verwalterin berufen, weil sie in ihrem notariellen Erwerbsvertrag vom 23.12.1985 der Verwalterin entsprechende Vollmacht erteilt hat (vgl. II 3C des Senatsbeschlusses vom 4.11.1999 = ZMR 2000, 113/115).

c) ob die Verwalterin nach der Abnahme des Gemeinschaftseigentums von Haus Nr. 4 am 23.1.1986 eine Genehmigung der Wohnungseigentümer eingeholt hat, wie es § 2.6 des Verwaltervertrage vorsieht, ist für die Wirksamkeit der Abnahme im Außenverhältnis, also gegenüber dem Bauträger, ohne Bedeutung, wie das Landgericht in seinem Beschluss vom 19.5.1999 selbst dargelegt und der Senat im Beschluss vom 4.11.1999 wiederholt hat.

d) Es liegt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nahe, dass die Bauträgerin der Verwalterin bei deren erstmaliger Bestellung und beim Abschluss des Verwaltervertrags für die Zeit von 1984 bis 1989 eine Vollmacht erteilt hat, die die Verwalterin in den Stand setzte, ihren Verpflichtungen aus § 2.6 des Verwaltervertrags nachzukommen. Eine derartige, von der Bauträgerin als Alleineigentümerin des Grundstücks erteilte Vollmacht würde auch alle späteren Wohnungseigentümer binden und fortwirken, bis sie von den Wohnungseigentümern widerrufen worden wäre. Zur Frage der Erteilung einer solchen, auch formlos wirksamen, Vollmacht und zum möglichen späteren Widerruf hätte das Landgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus nähere Feststellungen von Amts wegen treffen müssen. Für die Entscheidung des Senats kommt es auf diese Fragen indes nicht an.

e) Selbst wenn man mit dem Landgericht davon ausgehen wollte, dass die Verwalterin nicht wirksam ermächtigt und bevollmächtigt war, das Gemeinschaftseigentum mit Wirkung für die Wohnungseigentümer abzunehmen, könnte nicht begründet werden, dass etwaige Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer am 5.5.1998 noch nicht verjährt waren. Unter der beschriebenen Annahme wäre es Sache jedes einzelnen Wohnungseigentümers geblieben, auch Gewährleistungsansprüche hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen und durchzusetzen (BayObLG NZM 1999, 862/864): Die Verjährungsfrist liefe dann für jeden Wohnungseigentümer individuell (Weitnauer WEG 8. Aufl. Anh. § 8 Rn. 79). Auch bei Vereinbarung einer förmlichen Abnahme in den Erwerbsverträgen, wie dem der Antragstellerin, wäre Raum geblieben für eine stillschweigende Abnahme (vgl. hierzu BGH NJW 1985, 731 und NJW-RR 1999, 1246), da beide Parteien - der jeweilige Wohnungseigentümer und die Bauträgerin - jederzeit durch schlüssiges Verhalten auf eine förmliche Abnahme verzichten können (Palandt/Sprau BGB 60. Aufl. § 640 Rn. 4 m.w.N.). Die stillschweigende Abnahme lag jeweils im Bezug der Wohnung und der vorbehaltslosen Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises. Zu Umständen, die zu einer Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung bis in das Jahr 1998 geführt haben könnten, hat die Antragstellerin keine Tatsachen mitgeteilt. Da die letzte Wohnung im Februar 1988 verkauft wurde, sind die Gewährleistungsansprüche des letzten Käufers im Lauf des Jahres 1993 verjährt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, der letztlich erfolglosen Antragstellerin die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen, wegen der wechselnden Entscheidungen von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten aber abzusehen.

Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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