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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 76/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 8
WEG § 10 Abs. 2
WEG § 15 Abs. 1
Tritt ein Sondernachfolger kaufvertraglich in alle Rechte und Pflichten aus der Teilungserklärung ein, gelten für ihn auch die Bestimmungen der Teilungserklärung, die nicht Gegenstand der Grundbucheintragung sind.
BayObLG Beschluß

LG München II - 6 T 1050/00; AG Weilheim i.OB 3 UR II 117/99

2Z BR 76/00

30.11.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius am 30. November 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 14. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen und den Antragsgegnern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten. Darüber hinaus sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren vor dem Amtsgericht und dem Landgericht wird auf 14100 DM festgesetzt und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 14000 DM.

IV. Die Kostenentscheidungen und die Geschäftswertfestsetzungen durch die Vorinstanzen werden entsprechend abgeändert.

Gründe

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus neun Wohnungen mit jeweils einer Garage, dem Teileigentum Nr. 10 (Garage) sowie mehreren oberirdischen Kfz-Stellplätzen im Freien besteht. Den Antragstellern, einem Ehepaar, gehört die Garage Nr. 10 mit einem Miteigentumsanteil von 4,5/1000.

Das Teileigentum der Antragsteller ist gemäß Nr. V der Teilungserklärung vom 9.4.1991 mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines auf dem Nachbargrundstück befindlichen Wohnungseigentums (Doppelhaushälfte) - derzeit sind dies die Antragsteller - des Inhalts belastet, dass der Dienstbarkeitsberechtigte zur alleinigen Nutzung der Garage Nr. 10 berechtigt ist.

Nr. VIII der Teilungserklärung lautet wie folgt:

Für den Eigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 10 (Garage) gelten die Bestimmungen in dieser Urkunde samt Anlage nur insoweit, als die Garagen und der Garagenvorplatz samt zugehörigen Nebenflächen hiervon betroffen sind. Dies gilt insbesondere für die Umlage von Kosten und das Stimmrecht in der Gemeinschafterversammlung. Für Kostenumlagen und Stimmrechte, die die Garagen nicht betreffen, werden den Wohnungseigentümern Nr. 1 - 9 jeweils 0,5/1000 zugeschlagen.

§ 6 Abs. 3 der der Teilungserklärung als Anlage beigefügten Gemeinschaftsordnung (GO) lautet:

Die Sondereigentümer sind verpflichtet, die Betriebskosten im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen, soweit in dieser Gemeinschaftsordnung bzw. in dieser Urkunde nicht ausdrücklich abweichende Regelungen enthalten sind.

§ 11 Abs. 4 Satz 1 GO lautet:

In der Gemeinschafterversammlung hat jeder Sondereigentümer soviel Stimmen, wie er Miteigentumsanteile hat.

In dem Nachtrag vom 15.1.1992 zu dem Kaufvertrag über die Garage Nr. 10 traten die Antragsteller in alle sich aus der Teilungserklärung vom 9.4.1991 ergebenden Rechte und Pflichten ein.

Am 8.6.1999 faßten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkten (TOP) 4 und 5 folgende Beschlüsse:

TOP 4:

Den Antragstellern wird als Teileigentümern der Garage Nr. 10 untersagt, eigene oder fremde Fahrzeuge auf den Stellplätzen der Wohnanlage abzustellen.

TOP 5:

Der Wirtschaftsplan 1999 wird genehmigt.

Der Wirtschaftsplan für das Jahr 1999, der den Antragstellern zugesandt wurde, weist Gesamtausgaben von etwa 28000 DM aus und einen auf die Antragsteller entfallenden Betrag von 126,38 DM. Bei den Einzelpositionen sind sowohl bei den Gesamtkosten als auch bei den auf die Antragsteller entfallenden Kosten nur bei den Positionen Beträge eingestellt, die die Garagen betreffen. Die Summe der sich daraus ergebenden Gesamtkosten liegt weit unter 28000 DM. Außerdem sieht der Wirtschaftsplan monatliche Vorauszahlungen der Antragsteller von 20 DM vor.

Die Antragsteller haben beantragt, die beiden Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat die Anträge am 30.12.1999 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 14.6.2000 den Eigentümerbeschluss zu TOP 5 insoweit für ungültig erklärt, als eine monatliche Vorauszahlung von 20 DM festgesetzt wurde; im übrigen hat es die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Teilungserklärung enthalte in Nr. V und VIII eine dahingehende Nutzungsregelung, dass den Antragstellern als Teileigentümern der Garage Nr. 10 lediglich die Nutzung des Garagenvorplatzes samt den zur zweckentsprechenden Nutzung ihrer Garage erforderlichen Nebenflächen, d.h. der gepflasterten Garagenzufahrt, eingeräumt ist. Die Nutzung des sonstigen Gemeinschaftseigentums, insbesondere der Stellplätze, werde den Antragstellern nicht eröffnet. Eine andere Auslegung lasse der Wortlaut der genannten Bestimmungen der Teilungserklärung nicht zu. Die "zugehörigen Nebenflächen" umfaßten nicht die räumlich neben der Garage und dem Vorplatz liegenden Flächen, sondern nur die gepflasterte Zufahrt, weil nur sie zur Benutzung der Garage erforderlich sei.

Zwar stimme im Wirtschaftsplan die Gesamtsumme der Ausgaben nicht mit den ausgewiesenen Einzelpositionen überein. Es sei jedoch deutlich ersichtlich, dass die Gesamtkosten sich auf die gesamte Wohnanlage bezögen und bei den Einzelpositionen nur die berücksichtigt seien, die auf die Antragsteller entfielen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt. Dies gilt auch für einen Teileigentümer (§ 1 Abs. 6 WEG). Die Kfz-Stellplätze im Freien stehen im Gemeinschaftseigentum, weil an ihnen Sondereigentum nicht begründet werden kann (vgl. Bärmann/Pick WEG 8. Aufl. § 3 Rn. 18). Nach § 15 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln. In Betracht kommt insbesondere die Einräumung eines Sondernutzungsrechts an Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums für einen oder mehrere Wohnungseigentümer, durch die die übrigen Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch ausgeschlossen werden.

(1) Das Landgericht hat angenommen, Nr. VIII der Teilungserklärung enthalte eine Gebrauchsregelung im Sinn des § 15 Abs. 1 WEG. Durch sie würden die Antragsteller vom Mitgebrauch der Kfz-Stellplätze ausgeschlossen. Der Eigentümerbeschluss zu TOP 4 bringe dies zum Ausdruck. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Bestimmung der Nr. VIII der Teilungserklärung ist allerdings nicht Gegenstand der Grundbucheintragung geworden. Nach Nr. IV der Teilungserklärung war bewilligt und beantragt die Aufteilung des Grundstücks einschließlich der Einräumung von Sondernutzungsrechten gemäß Nr. III sowie die als Anlage beigefügte Gemeinschaftsordnung als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch einzutragen. Die in der einseitigen Teilungserklärung gemäß § 8 WEG als Nr. VIII getroffenen Bestimmungen müssen sich die Antragsteller damit nicht im Hinblick auf § 10 Abs. 2 WEG entgegenhalten lassen.

(2) Nr. VIII der Teilungserklärung ist für die Antragsteller aber deshalb verbindlich, weil diese in dem Nachtrag zu dem Kaufvertrag über die Garage Nr. 10 in die sich aus der Teilungserklärung ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass damit entgegen dem Wortlaut die Teilungserklärung nur insoweit gemeint war, als sie Eingang in das Grundbuch gefunden hat. Den Inhalt des Nachtrags kann der Senat, obwohl es sich um einen in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht zulässigen neuen Sachvortrag handelt (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO), berücksichtigen, weil der Inhalt des Vertrags unbestritten ist. Der Senat kommt bei der Auslegung der Nr. VIII der Teilungserklärung zu dem gleichen Ergebnis wie das Landgericht. Die nächstliegende Bedeutung für den unbefangenen Leser (vgl. BayObLG NZM 1999, 866 f.) ist die, dass die Antragsteller zum Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nur insoweit berechtigt sind, als ihre Garage, der Garagenvorplatz und die zugehörigen Nebenflächen betroffen sind. Außerdem sind sie nur stimmberechtigt und zur Tragung von Kosten verpflichtet, soweit es um die Garagen, den Garagenvorplatz und die Nebenflächen geht. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die Stellplätze nicht Nebenflächen im Sinn der Nr. VIII der Teilungserklärung sind, sondern nur die Zufahrt, die eine Benutzung der Garage erst ermöglicht. Die Antragsteller sind damit vom Mitgebrauch des übrigen Gemeinschaftseigentums, insbesondere der oberirdischen Stellplätze, ausgeschlossen. Der Eigentümerbeschluss zu TOP 4 hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung. Als konstitutiv wirkende Regelung wäre er nichtig (vgl. BGH ZWE 2000, 518 = ZMR 2000, 771 = NJW 2000, 3500).

b) Der Eigentümerbeschluss zu TOP 5 über den Wirtschaftsplan 1999 wurde vom Landgericht ohne Rechtsfehler nicht insgesamt für ungültig erklärt. Grundsätzlich ist jeder Wohnungs- oder Teileigentümer den anderen gegenüber verpflichtet, die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen (§ 16 Abs. 2 WEG). Hiervon hat die Gemeinschaftsordnung in § 6 Abs. 3 eine abweichende Vereinbarung im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG getroffen. Dort ist nämlich bestimmt, dass eine in der Gemeinschaftsordnung oder der Teilungserklärung enthaltene abweichende Regelung Vorrang hat. Eine solche Regelung enthält die Teilungserklärung in Nr. VIII. Danach haben sich die Antragsteller nur an den Kosten der Garagen zu beteiligen. Obwohl in Nr. VIII der Teilungserklärung eine entsprechende Einschränkung auch für das Stimmrecht vorgenommen wurde, enthält die Gemeinschaftsordnung jedoch keine hierauf verweisende Regelung (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 1). Gleichwohl ist das Stimmrecht der Antragsteller auf Angelegenheiten beschränkt, die die Garagen betreffen, weil sich die Antragsteller im Nachtrag zu dem Kaufvertrag den sich aus Nr. VIII der Teilungserklärung ergebenden Beschränkungen hinsichtlich ihres Stimmrechts unterworfen haben.

Im Hinblick darauf wurde der Wirtschaftsplan für das Jahr 1999 daher zu Recht von den Vorinstanzen nicht insgesamt für ungültig erklärt. Er weist lediglich diejenigen Einzelposten mit Beträgen aus, die die Garagen und damit auch die Antragsteller betreffen. Dass die, Summe der Gesamtausgaben höher ist als die Summe der nur auf die Garagen entfallenden Beträge, liegt auf der Hand und ist ohne weiteres erkennbar. Ein durchgreifender Mangel des Eigentümerbeschlusses über den Wirtschaftsplan kann daher nicht darin gesehen werden, dass die ausgewiesene Gesamtsumme der Ausgaben höher ist als die Summe der mit Beträgen versehenen Einzelposten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es erscheint angemessen, den in allen Rechtszügen im wesentlichen unterlegenen Antragstellern die gesamten Gerichtskosten aufzuerlegen; das geringfügige Obsiegen in der zweiten Instanz wirkt sich bei den Kosten nicht aus. Außerdem erscheint es dem Senat angemessen, die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens durch die Antragsteller anzuordnen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Senat hält für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 4 einen Betrag von 7000 DM für angemessen. Für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 5 setzt der Senat einen Geschäftswert von 7100 DM an; insoweit folgt er im wesentlichen der Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen. Diese wird, soweit sie mit der vorstehenden Geschäftswertfestsetzung nicht übereinstimmt, abgeändert.

Ende der Entscheidung

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