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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 78/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47
Ist in Wohnungseigentumssachen eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen, muß regelmäßig auch ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch eines Beteiligten berücksichtigt werden.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und B. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die in den Jahren 1995 bis 2000 von der Antragsgegnerin zu 1, einer Kommanditgesellschaft, verwaltet wurde. Der Antragsgegner zu 2 ist der persönlich haftende Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1.

Die Antragsgegnerin zu 1 erstellte die Jahresabrechnungen 1994 bis 1996, die von den Wohnungseigentümern genehmigt wurden. Jeweils auf den Antrag von B. erklärte das Amtsgericht die Eigentümerbeschlüsse in drei Beschlussanfechtungsverfahren, in denen die jetzigen Antragsteller Antragsgegner und die jetzige Antragsgegnerin zu 1 weitere Beteiligte war, für ungültig und erlegte den jetzigen Antragstellern die Gerichtskosten auf; von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten sah es ab. Gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts legten die jetzigen Antragsteller sofortige Beschwerde ein, nahmen diese anschließend aber zurück. Das Landgericht erlegte den jetzigen Antragstellern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auf.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Antragsgegner den Anfall der gerichtlichen und der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu vertreten hätten. Darüber hinaus seien die Antragsgegner verpflichtet, für die außergerichtlichen Kosten von B. aufzukommen, deren Erstattung durch die Antragsteller gerichtlich angeordnet und deren Bezifferung derzeit noch nicht möglich sei, weil B. noch keine Kostenfestsetzung beantragt habe.

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragsteller 19504,06 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Außerdem haben sie beantragt festzustellen, dass die Antragsgegner zum Ersatz des den Antragstellern durch die Beschlussanfechtungsverfahren darüber hinausgehenden Schadens verpflichtet seien. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26.2.2002 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.6.2002 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Durch die Kostenentscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts in den Beschlussanfechtungsverfahren sei unter den Verfahrensbeteiligten, somit auch gegenüber der Antragsgegnerin zu 1, über die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten und zur Erstattung außergerichtlicher Kosten abschließend entschieden worden. Materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche könnten in einem neuen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches aus positiver Vertragsverletzung gegen die Antragsgegner ist nicht möglich.

Durch die Kostenentscheidungen von Amtsgericht und Landgericht in den Beschlussanfechtungsverfahren ist über die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten und zur Erstattung außergerichtlicher Kosten unter den Verfahrensbeteiligten abschließend entschieden worden. Dies gilt auch im Hinblick auf etwaige materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche. Die Rechtskraft der in jenen Verfahren ergangenen Beschlüsse steht der Geltendmachung solcher Ansprüche im vorliegenden Verfahren entgegen (BayObLGZ 1988, 287/293; BayObLG WuM 1993, 492 f.; OLG Zweibrücken NZM 1999, 1154).

a) Der Verwalter ist in einem Beschlussanfechtungsverfahren gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG materiell beteiligt und daher gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG als weiterer Beteiligter zu dem Verfahren zuzuziehen. Er wird von dem Verfahren in seinen Rechten und Pflichten betroffen (BGH NZM 1998, 78 f.); er ist daher materiell Beteiligter und die Entscheidung ist gemäß § 45 Abs. 2 WEG für ihn bindend. Entgegen der Auffassung der Antragsgegner waren die Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1 im jetzigen Verfahren in den Beschlussanfechtungsverfahren nicht "gemeinschaftlich Beteiligte auf der Passivseite". Das Amtsgericht und das Landgericht hatten in den jeweiligen Verfahren die Antragsgegnerin zu 1 vielmehr zu Recht jeweils als weitere Beteiligte zu den Verfahren zugezogen.

b) Gemäß § 47 WEG bestimmt der Richter nach billigem Ermessen, welcher Beteiligter die Gerichtskosten zu tragen hat. Er kann dabei auch anordnen, dass die außergerichtlichen Kosten ganz oder teilweise zu erstatten sind. Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung sind grundsätzlich auch materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche zu berücksichtigen (KG WUM 1989, 93 ff.; OLG Zweibrücken NZM 1999, 1154; vgl. ferner BGH NZM 1998, 78 f.), denn die gerichtliche Kostenverteilung würde billigem Ermessen dann nicht entsprechen, wenn sie einer materiellen Erstattungspflicht nicht Rechnung trägt (vgl. Staudinger/Wenzel § 47 WEG Rn. 8).

Auch sprechen Gründe der Prozessökonomie dafür, bei der Kostenentscheidung einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch zu berücksichtigen. Denn es geht nicht an, den gleichen Sachverhalt erneut zur Nachprüfung zu stellen und in seinen kostenrechtlichen Auswirkungen materiell-rechtlich entgegengesetzt zu beurteilen; in einem solchen Fall folgt schon aus dem Grundsatz der Rechtskraft, dass die prozessuale Kostenregelung weitere sachlich-rechtliche Ansprüche ausschließt (BGHZ 45, 251/257).

Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung zu einer abschließenden Beurteilung der Rechtslage hinsichtlich eines etwaigen materiellen Kostenerstattungsanspruches nicht in der Lage ist und deshalb ausdrücklich die Prüfung des materiellen Kostenerstattungsanspruchs ablehnt (vgl. BGH NJW 2002, 680 zu § 91a ZPO). Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Beteiligten einstimmig die Hauptsache für erledigt erklärt haben und das Gericht, das an die übereinstimmende Erledigterklärung gebunden ist, mangels Sachvortrags zu einer Beurteilung der materiellen Rechtslage hinsichtlich eines Kostenerstattungsanspruchs nicht in der Lage ist und weitere Ermittlungen auch nicht in Betracht kommen.

c) Es ist zwar nicht erkennbar, dass bei den in den Beschlussanfechtungsverfahren getroffenen Kostenentscheidungen gemäß § 47 WEG berücksichtigt wurde, ob die Antragsgegnerin zu 1 den Anfall der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten wegen Verletzung ihrer Vertragspflichten gemäß §§ 675, 276 BGB zu vertreten hat. Dies rechtfertigt aber nicht den Schluss, die Gerichte hätten eine etwaige sachlich-rechtliche Erstattungspflicht in ihre Ermessensentscheidungen nicht einbezogen, so. dass der Durchsetzung des materiellen Erstattungsanspruchs in einem gesonderten Verfahren nichts entgegenstünde (vgl. Staudinger/Wenzel § 47 Rn. 8). Der Sachvortrag ließ hier jedenfalls eine abschließende Beurteilung der materiellen Rechtslage zu. Auch entspricht eine gerichtliche Kostenentscheidung grundsätzlich nur dann billigem Ermessen, wenn sie einer etwaigen materiellen Erstattungspflicht Rechnung trägt. Es kann nämlich nicht im Belieben des Richters liegen, einen materiellen Kostenerstattungsanspruch zu berücksichtigen oder nicht. Unterlässt er ihre Berücksichtigung, so ist die Kostenentscheidung unrichtig. Dies ändert aber nichts daran, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch in einem weiteren Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann daher in einem weiteren Verfahren ausnahmsweise nur dann geltend gemacht werden, wenn bei der Kostenentscheidung nach § 47 WEG die Einbeziehung eines Kostenerstattungsanspruchs ausdrücklich abgelehnt wurde. Dies ist nur dann zulässig, wenn dem Richter eine abschließende Beurteilung der Rechtslage anhand der für die Entscheidung zur Hauptsache getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen, zu denen er nicht verpflichtet ist, nicht möglich ist. Daraus folgt, dass sich der Richter bei seinen Kostenentscheidungen in der Regel hiermit auseinander zu setzen hat.

3. Es erscheint angemessen, dass die Antragsteller, die in allen Verfahrensabschnitten unterlegen sind, die gerichtlichen Kosten zu tragen haben (§ 47 Satz 1 WEG). Es erscheint dem Senat im Hinblick auf die bisher noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage nicht angemessen, die Erstattung außergerichtlicher Kosten eines Beteiligten, einschließlich der Streithelfer der Antragsgegner, anzuordnen; für materielle Kostenerstattungsansprüche im Verhältnis der Beteiligten zueinander sieht der Senat keine Anhaltspunkte (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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