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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 79/00
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 23
WEG § 44 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 2
Regelmäßig muß das Beschwerdegericht in einer Wohnungseigentumssache mündlich verhandeln.

Es ist zulässig, selbständige Rechnungsposten einer Jahresabrechnung anzufechten.


BayObLG Beschluss

LG Kempten (Allgäu) 4 T 2566/97; AG Kaufbeuren, Zweigstelle Füssen, UR II 2/97

2Z BR 79/00

31.10.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich am 31. Oktober 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und. des weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 14. Juni 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Eigentümerbeschluss vom 4. Juli 1996 zu Tagesordnungspunkt 3 lediglich wegen der Abrechnungsposten "Wasser-/Kanalgebühren" und "Heizkosten" in den Einzelabrechnungen für die Wohnungen Nr. 13 und 14 des Antragstellers sowie wegen der Entlastung des Verwalters für ungültig erklärt wird.

II. Der Antragsteller hat zwei Drittel der Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht des Beschwerdeverfahrens und des ersten Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; das restliche Drittel haben die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu tragen. Die Gerichtskosten des zweiten Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsgegner als Gesamtschuldner sowie der weitere Beteiligte je zur Hälfte zu tragen.

Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird bis zur Entscheidung des Landgerichts vom 16. Februar 1998 auf 26500 DM und für die Zeit nach der Zurückverweisung auf 11000 DM festgesetzt. Der Geschäftswert des zweiten Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 11000 DM festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts wird entsprechend abgeändert.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die vom weiteren Beteiligten verwaltet wird. Dem Antragsteller gehören die Wohnungen Nr. 13 und 14, die vermietet sind.

Am 4.7.1996 genehmigten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 die Jahresabrechnung für das Jahr 1995 und erteilten dem Verwalter für dieses Jahr Entlastung.

In den Einzelabrechnungen für die beiden Wohnungen des Antragstellers sind bei den Hausnebenkosten (Warmwasser-/Kanalgebühren) und den Heizkosten die maßgebenden Daten (Name der Mieter, Wohnungsgröße, Verbrauchseinheiten) der beiden Wohnungen vertauscht. Der Verwalter erstellte daher am 11.9.1996 berichtigte Abrechnungen.

Der Antragsteller hat am 30.10.1996 beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 4.7.1996 und einen weiteren Eigentümerbeschluss vom 12.4.1995 über die Jahresabrechnung für 1993/1994 einschließlich Verwalterentlastung für ungültig zu erklären und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu gewähren. Das Amtsgericht hat die beiden Eigentümerbeschlüsse am 17.9.1997 für ungültig erklärt. Das Landgericht hat die Anträge auf Ungültigerklärung der beiden Eigentümerbeschlüsse am 16.2.1998 abgewiesen. Der Senat hat am 9.4.1998 die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers hiergegen zurückgewiesen, soweit Gegenstand der Eigentümerbeschluss vom 12.4.1995 war und im übrigen die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat durch Beschluss vom 14.6.2000 dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 4.7.1996 gewährt und diesen Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt, soweit er die Einzelabrechnungen des Antragstellers und die Entlastung des Verwalters zum Gegenstand hat. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und des weiteren Beteiligten.

II.

Das Rechtsmittel hat im wesentlichen keinen Erfolg. Die vom Landgericht ausgesprochene Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 4.7.1996 wird lediglich auf die Abrechnungsposten "Wasser-/Kanalgebühren" sowie "Heizkosten" beschränkt. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Verwalter habe eingeräumt, im Jahr 1996 von seiner Gewohnheit abgewichen zu sein, Jahresabrechnung und Einladung zur Eigentümerversammlung zusammen zu versenden. Damit bestünden Zweifel daran, dass der Antragsteller die Einladung erhalten habe. Ihm sei daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu gewähren.

Der Antragsteller wende sich nicht gegen die in der Jahresabrechnung festgestellten Gesamteinnahmen und -ausgaben. Er habe vorgetragen, die maßgeblichen Daten seien bei den Heizkosten für seine beiden Wohnungen vertauscht worden. Dies habe der Verwalter eingeräumt und darauf hingewiesen, dass das mit der Abrechnung betraute Unternehmen daraufhin zwar die Wohnflächen geändert, allerdings auch die Namen der Mieter vertauscht habe. Hätte die Eigentümerversammlung hiervon Kenntnis erlangt, wären jedenfalls die Einzelabrechnungen des Antragstellers nicht genehmigt worden, weil sie nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprächen. Neue Abrechnungen seien vom Verwalter dem Antragsteller bisher nicht erteilt worden.

Wegen der teilweisen Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung sei auch der Eigentümerbeschluss über die Entlastung des Verwalters für ungültig zu erklären.

Eine nochmalige Anhörung der Beteiligten seitens der Beschwerdekammer sei nicht erforderlich gewesen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen stand.

a) Die Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG für einen Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 4.7.1996 ist nicht eingehalten. Der Antrag wurde erst in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.1996 unter Übergabe eines Schriftsatzes vom 29.10.1996, der diesen Antrag enthielt, gestellt. Bei Versäumung der Anfechtungsfrist kann in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 2 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (BayObLGZ 1989, 13/14 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass ein Wohnungseigentümer ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war und er den Antrag auf Ungültigerklärung binnen zwei Wochen nach Beendigung des Hindernisses stellt sowie die Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft macht (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG).

Der Antrag auf Ungültigerklärung ist vom Antragsteller innerhalb der gesetzlichen Frist zur Wiedereinsetzung gestellt worden. Erfahren hat der Antragsteller nach seiner Behauptung erst durch den Schriftsatz der Antragsgegner und des weiteren Beteiligten vom 14.10.1996 von dem angefochtenen Eigentümerbeschluss. Dieser Schriftsatz ist bei Gericht ausweislich des Eingangsstempels am 15.10.1996 eingegangen. Aufgrund richterlicher Verfügung vom selben Tag wurde dem Antragsteller am 16.10.1996 eine Abschrift übersandt, die damit frühestens am 17.10.1996 bei diesem eingegangen sein kann. Ausgehend von diesem Datum ist die Frist für ein Wiedereinsetzungsgesuch eingehalten.

Das Landgericht hat es als glaubhaft angesehen, dass der Antragsteller die Einladung zur Eigentümerversammlung vom 4.7.1996 und ein Protokoll über diese Eigentümerversammlung nicht erhalten hat. Diese tatrichterliche Würdigung ist, weil sie keine Rechtsfehler enthält, für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 Satz 1 FGG § 561 Abs. 2 ZPO).

b) Nach § 44 Abs. 1 WEG soll der Richter mit den Beteiligten in der Regel mündlich verhandeln und hierbei. auf eine gütliche Einigung hinwirken. Diese Verpflichtung gilt auch für das Landgericht als Beschwerdegericht. Dort ist in öffentlicher Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer mündlich zu verhandeln. Von einer mündlichen Verhandlung kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände abgesehen werden (BGH NJW 1998, 3713; BayObLG NJW-RR 1997, 1492; 1988, 1151 f.).

Das Landgericht hat hier einen solchen Ausnahmefall ohne Rechtsfehler angenommen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Kammer vor der Aufhebung ihrer Entscheidung und Zurückverweisung der Sache bereits einmal mit den Beteiligten mündlich verhandelt hatte. Das Landgericht durfte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass für den Antragsteller trotz seiner Beanstandungen der Jahresabrechnung keine neuen Heizkostenabrechnungen erstellt wurden. Die Antragsgegner haben Gegenteiliges während des gesamten Verfahrens nicht vorgetragen. Ihr Verfahrensbevollmächtigter hat dies nunmehr damit erklärt, dass er aufgrund eines Mißverständnisses zwischen ihm und dem Verwalter davon ausgegangen sei, dass tatsächlich keine neuen Abrechnungen erteilt worden seien. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Mißverständnis in einer mündlichen Verhandlung aufgeklärt worden wäre. Hinzu kommt. dass der Antragsteller vorträgt, keine neuen Abrechnungen erhalten zu haben. Der neue Sachvortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz, dass dem Antragsteller doch berichtigte Heizkostenabrechnungen zugesandt worden seien, kann vom Senat nicht berücksichtigt werden (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 561 ZPO; BayObLGZ 1996, 58/62, 188/192). Abgesehen davon hätte er keine rechtlichen Auswirkungen (siehe dazu unten c).

c) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Jahresabrechnung 1995 nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Der weitere Beteiligte hat eingeräumt, dass bei den Abrechnungen für die beiden Wohnungen des Antragstellers durch das damit beauftragte Unternehmen maßgebende Daten vertauscht wurden. Das Ergebnis dieser Abrechnungen wurde in die Jahresabrechnung übernommen. Die Abrechnungen durch das Unternehmen erstrecken sich nicht nur auf die Heizkosten, beziehen vielmehr die Hausnebenkosten (Wasser- und Kanalgebühren) mit ein. Bei den nicht einfach aufgebauten Abrechnungen mit einer Vielzahl von Daten kann nicht nur von einem offensichtlichen Rechenfehler ausgegangen werden. Wenn eine Jahresabrechnung vom Verwalter nachträglich berichtigt wird, ändert dies nichts daran, dass der Eigentümerbeschluss, durch den die fehlerhafte Abrechnung genehmigt wurde, nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Zu Recht hat das Landgericht die Ungültigerklärung auf die Einzelabrechnungen beschränkt, weil nur diese von dem Fehler betroffen sind. Allerdings hätte sie weiter beschränkt werden müssen, nämlich auf die Abrechnungsposten Wasser- und Kanalgebühren sowie Heizkosten. Die übrigen Abrechnungsposten sind von dem Antragsteller zu keiner Zeit beanstandet worden. Bei der Anfechtung einer Jahresabrechnurig kann die Anfechtung auf einzelne selbständige Rechnungsposten beschränkt werden (BayObLG NJW 1986, 385). Von einer solchen Beschränkung ist hier auszugehen, weil der Antragsteller ausschließlich Mängel der Heizkostenabrechnung des damit beauftragten Unternehmens beanstandet hat; die behaupteten und vorliegenden Mängel erfaßten die beiden Abrechnungsposten Heizkosten und Wasser- und Kanalgebühren. Der Senat beschränkt die Ungültigerklärung der Einzelabrechnungen auf diese beiden Rechnungsposten.

Da die Jahresabrechnung nicht insgesamt ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist die notwendige Folge, dass auch der Eigentümerbeschluss über die Entlastung des Verwalters keinen Bestand haben kann.

3. Die Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 47 WEG. Sie richtet sich an dem vom Senat festgesetzten Geschäftswert aus und berücksichtigt den Umfang des beiderseitigen Unterliegens des Antragstellers einerseits und der Antragsgegner andererseits.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. In der Jahresabrechnung 1993/1994 sind die Wasser- und Kanalgebühren mit insgesamt etwa 6000 DM ausgewiesen und die Heizkosten mit etwa 22000 DM, insgesamt also 28000 DM. In der Jahresabrechnung 1995 betragen die gesamten Wasser- und Kanalgebühren etwa 5000 DM und die Heizkosten etwa 14000 DM, zusammen also 19000 DM. Da Gegenstand der Anfechtung der beiden Eigentümerbeschlüsse nur die fehlerhafte Umlegung der Kosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer betraf, bemißt der Senat das Interesse der Beteiligten auf jeweils die Hälfte, also für den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung 1993/1994 auf 14000 DM und für die Jahresabrechnung 1995 auf 9500 DM. Hinzu kommt der Wert für den Entlastungsbeschluss, den der Senat mit jeweils 1500 DM annimmt. Damit ergibt sich für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung 1993/1994 einschließlich des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters ein Geschäftswert von 15500 DM und für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung 1995 einschließlich Entlastungsbeschluss ein Geschäftswert von 11000 DM. Der Gesamtgeschäftswert beträgt damit 26500 DM. Mit der ersten Entscheidung des Senats vom 9.4.1998 ermäßigte sich der Geschäftswert für das weitere Verfahren auf 11000 DM, weil es nur noch um den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung 1995 samt Entlastungsbeschluss ging.

Ende der Entscheidung

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