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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 79/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 6
WEG § 22 Abs. 1
Zum Frage, ob ein von einem Wohnungseigentümer bei der Umstellung seiner Etagenheizung von Gas auf Strom angebrachter Zählerkasten im Treppenhaus zu beseitigen ist.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer aus zehn Einheiten bestehenden, ungefähr 50-jährigen Wohnanlage. Den Antragstellern gehören insgesamt sechs Wohnungen, davon dem Antragsteller zu 2 eine der zwei Dachgeschosswohnungen. Die Antragsgegner sind Eigentümer zweier Wohnungen, darunter der anderen im Dachgeschoss. Jede Wohnung verfügt über einen Versorgungsanschluss für elektrische Energie.

Die Antragsgegner bauten im Herbst 1998 in ihrer Dachgeschosswohnung anstelle der vorhandenen Gasheizung eine Elektro-Etagenheizung ein und montierten zusätzlich einen Schaltkasten mit zwei Zählern. Der dazu benötigte Drehstrom wird über einen Anschluss an die im Haus befindliche Steigleitung bezogen. Mit Rücksicht auf die technischen Anschlussbedingungen der Stadtwerke ist der beschriebene Zählerkasten nicht in der Wohnung, sondern im Treppenhaus vor der Wohnung montiert. Neben der Dachgeschosswohnung der Antragsgegner sind weitere sechs Wohnungen, nämlich die der Antragsteller, an Drehstrom angeschlossen. Auch der in seinen Abmessungen etwas schmälere Zählerkasten für die Dachgeschosswohnung des Antragstellers zu 2 befindet sich im Flur des Treppenhauses.

Die Antragsteller haben mit ihrem Antrag zum Wohnungseigentumsgericht die Entfernung des im Treppenhaus vor der Dachgeschosswohnung der Antragsgegner angebrachten Sicherungskastens mit Zählern begehrt. Das Amtsgericht hat nach Einnahme eines Augenscheins den Antrag am 25.4.2000 abgewiesen, das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 23.1.2001 richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Den Antragstellern stehe ein Anspruch auf Beseitigung des vor der Wohnung im Dachgeschoss montierten Sicherungskastens nicht zu. Die Antragsgegner besäßen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben einen Anspruch darauf, dass der montierte Zählerkasten hängen bleibe. Das Treppenhaus im Dachgeschoss sei gemeinschaftliches Eigentum. Die Befugnis, im Treppenhaus Zählerkästen anzubringen, bestimme sich nach § 15 Abs. 3 WEG. Den Antragstellern entstände durch die Anbringung der Zählerkästen kein über das unvermeidbare Maß hinausgehender Nachteil. Nach den technischen Bedingungen der Stadtwerke müssten solche Kästen außerhalb der Wohnungen montiert werden. Die Montage im Treppenhaus entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Ein Beseitigungsverlangen sei darüber hinaus treuwidrig. Denn die Antragsteller hätten selbst vor ihren Wohnungen im Treppenhaus Zählerkästen angebracht. Die übrigen Beteiligten seien mit dem Verbleib der Kästen einverstanden. Die Antragsgegner hätten auch grundsätzlich einen Anspruch darauf, den Anschluss an die bestehende Steigleitung vornehmen zu können. Auch wenn über die bestehende Leitung eine Vollversorgung aller Eigentümer nicht möglich sei, liege es an sämtlichen Wohnungseigentümern, eine Regelung zu treffen, welche es allen Beteiligten im Rahmen der vorhandenen Kapazität ermögliche, einen Anschluss vorzunehmen. Die Antragsteller könnten nicht die vorhandene Kapazität für ihre Wohnungen ausschöpfen und die restlichen Eigentümer von der gemeinschaftlichen Stromversorgung über die Steigleitung ausschließen.

2. Die landgerichtliche Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Treppenhaus einschließlich seiner Wände wie die dem Anwesen dienende Energieversorgungsleitung (Steigleitung) stehen in gemeinschaftlichem Eigentum (§ 5 Abs. 2 WEG; Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 56). Ansprüche auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums gegen einen Miteigentümer können die Antragsteller ohne Ermächtigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich geltend machen (BGHZ 116, 392/394 f.).

b) Ein Fall des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG liegt nicht vor. Denn die Umstellung der Beheizung eines Sondereigentums von Gas auf Strom stellt keine Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums dar (siehe BayObLG WE 1994, 21/22).

c) ordnet man die Umrüstung in der Wohnung der Antragsgegner als Maßnahme ein, die zur Herstellung eines Energieversorgungsanschlusses erforderlich ist, so folgt die Duldungspflicht der Antragsteller und damit der Ausschluss des Beseitigungsanspruchs (§ 1004 Abs. 2 BGB) bereits unmittelbar aus § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG. Auf das Maß des § 14 Nrn. 1 und 3 WEG kommt es dann nicht mehr an (BayObLG aaO; OLG Hamburg ZMR 1992, 118/119; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 170). Insbesondere fällt hierbei ins Gewicht, dass nach den maßgeblichen Anschlussbedingungen sich die Zählerplätze nicht in Wohnungen befinden dürfen und frei zugänglich sein müssen, der gewählte Standort im Bereich des Gemeinschaftseigentums also durchaus sachgerecht ist.

Teilweise wird die Regelung des § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG einengend dahin ausgelegt, dass sie nur einen gewissen Mindeststandard gewährleiste. Hiernach erlaubt sie nur die erstmalige Herstellung der fraglichen Einrichtung, nicht jedoch die Installation einer weiteren Anlage (Bärmann/Merle § 21 Rn. 171). Nach der Rechtsprechung des Senats muss jedenfalls die Hauptleitung im Gebäude vorhanden sein (BayObLGZ 1991, 296/298; BayObLG WE 1994, 21/22). Deshalb kann sich die Frage stellen, ob die Bestimmung auch dann eingreift, wenn die vorhandene Versorgungsleitung zum Anschluss aller Wohnungseigentümer nicht ausreicht. Schließlich sind auch Fälle denkbar, in denen, ohne dass Instandhaltung oder Instandsetzung vorliegt, etwa aus Gründen der Kostenersparnis oder der Komfortsteigerung die Heizung auf eine andere Energieversorgung umgestellt wird. Aber auch wenn § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG nicht einschlägig wäre, führte dies hier zu keinem anderen Ergebnis.

d) ordnet man nämlich den Einbau der Elektroheizung im Sondereigentum der Antragsgegner mit dem dadurch notwendigen Anschluss an die Steigleitung und mit der erforderlichen Installation des Zählerkastens im Treppenhaus als bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums ein (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG; Bärmann/Merle aaO sowie § 22 Rn. 26), so bedarf die Maßnahme der Zustimmung der Wohnungseigentümer, es sei denn, die Veränderung beeinträchtigt deren Rechte nicht über das in 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus. Nach § 14 Nr. 1 WEG darf der Wohnungseigentümer von den im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Unter Nachteil ist dabei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Abzustellen ist darauf, ob gerade der Widersprechende beeinträchtigt ist. Diese Beeinträchtigung ist objektiv und konkret zu bestimmen. Nicht das subjektive Empfinden ist maßgeblich, vielmehr kommt es darauf an, ob nach der Verkehrsanschauung der widersprechende Wohnungseigentümer in der betreffenden Lage sich verständiger Weise beeinträchtigt fühlen kann (aus der Rechtsprechung BayObLGZ 1991, 296/298 f.; BayObLG WuM 1993, 79/80 f.; WE 1999, 146; OLG Frankfurt OLGZ 1986, 43 f.; NJW-RR 1992, 1494; ferner Weitnauer/Lüke WEG 8. Aufl. § 22 Rn. 12 mit zahlreichen Nachweisen).

Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die detaillierten Feststellungen, die das Amtsgericht beim durchgeführten Augenschein gewonnen hat, einen über das unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil für die Antragsteller verneint. Diese tatrichterliche Würdigung kann der Senat gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur daraufhin überprüfen, ob sie auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. etwa BayObLG ZMR 1999, 847; WE 1999, 146; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 42). Verfahrensfehler werden jedoch in der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und erschließen sich auch nicht aus dem unstreitigen Akteninhalt. Insbesondere hält es sich im Rahmen tatrichterlicher Würdigung, unter den konkret vorgefundenen Verhältnissen den etwa 20 cm in den lichten Raum der obersten Etage des Treppenhauses hineinragenden Sicherungskasten als für die Antragsteller nicht beeinträchtigend zu befinden, zumal diese selbst für sich in Anspruch nehmen, im Treppenhaus einen Zählerkasten aufzuhängen. Für § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG ist auch nicht erheblich, dass die Antragsteller, die dem Anschluss an die Steigleitung nicht zugestimmt haben, gegebenenfalls mit Kosten aus einer späteren Verstärkung der Steigleitung und einem Versetzen der Stromzählerkästen in den Keller belastet werden (vgl. BGHZ 116, 392/396 ff.; Bärmann/Merle § 22 Rn. 138). Die Antragsteller können zwar ausnahmsweise mit Folgekosten belastet werden, die entstehen könnten, wenn das baulich veränderte gemeinschaftliche Eigentum in Zukunft ordnungsgemäß instandgehalten oder gesetzt werden muss. Jedoch besteht die Möglichkeit, im Innenverhältnis anteilig bei den Eigentümern Regress zu nehmen, die die bauliche Veränderung vorgenommen haben. Im Ergebnis bedeutet dies nichts anderes, als dass sich neben den Antragsgegnern auch die Antragsteller entsprechend dem gesetzlichen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 WEG) oder vereinbarten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) Kostenverteilungsschlüssel an einer Instandhaltung oder Instandsetzung der auch von ihnen mitgenutzten Drehstromversorgung billigerweise zu beteiligen haben.

e) Dass das Recht der Antragsteller auf Mitgebrauch des Treppenhauses durch den angebrachten Zählerkasten beeinträchtigt wird (vgl. § 15 Abs. 3 WEG), hat das Landgericht nicht festgestellt.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, dass die Antragsteller die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen. Denn sie sind in allen Instanzen unterlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und stimmt mit derjenigen der Vorinstanzen überein.



Ende der Entscheidung

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