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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 8/00
(1)
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 3 Abs. 2 Satz 1 | |
WEG § 14 Nr. 1 | |
WEG § 22 Abs. 1 Satz 2 |
Ist der mit der Herstellung eines Mauerdurchbruchs zwischen zwei Wohnungen eintretende Verlust der Abgeschlossenheit, der zu einem der Teilungserklärung und § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG widersprechenden Zustand führt, ein Nachteil im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG?
BayObLG Beschluß
LG Nürnberg-Fürth 14 T 5835/99; AG Nürnberg 1 UR II 27/99
08.09.00
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Werdich und Dr. Delius
am 8. September 2000
in der Wohnungseigentumssache
wegen Beseitigung und Wiederherstellung,
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. Dezember 1999 wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsteller gehört eine Wohnung im Erdgeschoß. Der Antragsgegner zu 1 ist Eigentümer der Wohnung Nr. 6 im ersten Obergeschoß; die angrenzende Wohnung Nr. 7 gehört seinem Sohn, dem Antragsgegner zu 2. Im Jahr 1995 wurde die Trennwand zwischen den Wohnungen Nr. 6 und Nr. 7 durchbrochen und eine Verbindungstür eingebaut.
Seite 3 fehlt;
1995, 221) sowie des Kammergerichts vom 17.2.1993 (NJW-RR 1993, 909) und vom 10.1.1990 (NJW-RR 1990, 334) gehindert. Die sofortige weitere Beschwer de wird daher gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Diese hängt von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob der mit der Herstellung eines Mauerdurchbruchs zwischen zwei Wohnungen eintretende Verlust der Abgeschlossenheit, der zu einem der Teilungserklärung und § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG widersprechenden Zustand führt, einen Nachteil im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG darstellt. Im Gegensatz zu den Oberlandesgerichten Zweibrücken und Köln sowie den genannten Entscheidungen des Kammergerichts möchte der Senat diese Frage verneinen.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Nach ständiger Rechtsprechung seien die Eigentümer aneinandergrenzender Wohnungen nur bei Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer berechtigt, bauliche Maßnahmen zur Verbindung ihrer Wohnungen vorzunehmen, insbesondere einen Mauerdurchbruch zu schaffen. Denn dadurch entstünden den übrigen Wohnungseigentümern Nachteile, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgingen. Durch die Schaffung eines Mauerdurchbruchs zwischen zwei Wohnungen werde die Abgeschlossenheit faktisch aufgehoben und damit ein der Teilungserklärung sowie § 3 Abs. 2 WEG widersprechender Zustand geschaffen. ob es sich bei der Trennwand um eine tragende Wand handle, könne offenbleiben, denn auch eine nichttragende Wand diene der Abgeschlossenheit.
Ein weiterer Nachteil im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG liege darin, dass bei der Zusammenlegung zweier Wohnungen eine andere und intensivere Nutzung ermöglicht werde. Es komme nicht darauf an, ob eine solche Nutzung derzeit beabsichtigt sei, denn beim Erwerb seines Sondereigentums habe der Antragsteller nicht damit rechnen müssen, dass ohne seine Zustimmung Anzahl und Größe der Wohnungen verändert würden. Daher sei auch unerheblich, ob die derzeit erlaubte Nutzung als Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei weniger intensiv sei als die Nutzung zu Wohnzwecken, und ob nach Verschließen des Mauerdurchbruchs der dann über den Hausflur stattfindende Verkehr zwischen den beiden Büroeinheiten die Mitbewohner stärker beeinträchtige. Ob der Mauerdurchbruch einen erheblichen Eingriff in die Substanz des Gebäudes darstelle, bedürfe keiner Entscheidung.
Den Ansprüchen des Antragstellers stehe die Abstimmung über seinen Beschlußantrag in der Eigentümerversammlung vom 17.8.1998 nicht entgegen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts enthalte die mehrheitliche Ablehnung seines Antrags, die Antragsgegner zum Verschließen des Mauerdurchbruchs zu verpflichten, nicht zugleich eine Genehmigung oder Duldung des Mauerdurchbruchs durch die Wohnungseigentümer.
2. Nach Ansicht des Senats hält diese Entscheidung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass der Antragsteller gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG die Beseitigung des Mauerdurchbruchs als einer baulichen Veränderung im Sinn von § 22 Abs. 1 WEG verlangen kann, wenn ihm dadurch über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus ein Nachteil erwächst (BGHZ 116, 392/394). Zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass dem Beseitigungsverlangen des Antragstellers kein Eigentümerbeschluss entgegensteht, mit dem die Wohnungseigentümer bestandskräftig den Mauerdurchbruch genehmigt oder seine Duldung beschlossen hätten. Nach dem Inhalt der Versammlungsniederschrift vom 17.8.1998 erschöpfte sich die Abstimmung der Wohnungseigentümer in der Ablehnung des vom Antragsteller gestellten Beschlußantrags, die Antragsgegner zur Rückgängigmachung der baulichen Veränderung zu verpflichten; eine sachliche Regelung ist damit nicht verbunden worden. Es liegt somit ein Nichtbeschluß vor, der keine Rechtswirkungen auslöst (BayObLG WuM 1995, 504/505 und ZMR 2000, 115/116).
b) Als Nachteil im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG gelten nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen. Entscheidend ist', ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der Lage des Antragstellers verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGHZ 116, 392/396; BayObLG FGPrax 1999, 53). Einen solchen Nachteil hat das Landgericht darin gesehen, dass durch die Herstellung eines Mauerdurchbruchs zwischen den Wohnungen Nr. 6 und Nr. 7 deren Abgeschlossenheit verloren gegangen sowie ein der Teilungserklärung und damit § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG widersprechender Zustand geschaffen worden ist. Das Landgericht ist damit der Rechtsprechung des Senats (BayObLG WE 1997, 118/119 und 111/112; BayObLG NJW-RR 1995, 649/650) und mehrerer Oberlandesgerichte gefolgt (OLG Zweibrücken ZMR 2000, 254/255; OLG Köln WE 1995, 221; KG NJW-RR 1993, 909 f. und 1990, 334/335; differenzierend KG NJW-RR 1997, 587/588 und Briesemeister ZMR 1998, 321/322).
Diese Rechtsprechung ist wiederholt auf Kritik gestoßen (Staudinger/Bub WEG § 22 Rn. 71; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 22 Rn. 121; Rapp MittBayNot 1995, 282/283; Röll WE 1998, 367; Heerstraßen WE 1994, 2/3 f.; Abramenko ZMR 2000, 255); der Senat hält daran nicht fest.
(1) Das Abgeschlossenheitsgebot des § 3 Abs. 2 WEG ist nur eine Sollvorschrift; die rechtliche Ausgestaltung des Wohnungseigentums durch Teilungsvertrag oder -erklärung samt Aufteilungsplan wird durch nachträgliche bauliche Veränderungen nicht berührt (BayObLGZ 1998, 2/6; BayObLG NZM 1999, 277/278; OLG Köln ZMR 1994, 230/231; Staudinger/Bub § 22 Rn. 31; Bärmann/Pick § 3Rn. 37; Röll WE 1998, 367). Soweit die Abgrenzung zwischen zwei aneinandergrenzenden Wohnungen in Frage steht, dient die Abgeschlossenheit nur dem Schutz der betroffenen Wohnungseigentümer, nicht den Belangen anderer Eigentümer (vgl. BayObLG Rpfleger 1984, 409/410; MünchKomm/Röll BGB 3. Aufl. § 22 WEG Rn. 30; Rapp MittBayNot 1999, 283).
(2) Der einzelne Wohnungseigentümer kann grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass Anzahl und Größe der übrigen Wohnungen ohne seine Zustimmung nicht verändert werden (Staudinger/Bub § 22 Rn. 71). Soweit der Senat dazu früher eine andere Ansicht vertreten hat (BayObLG WE 1997, 111/112 und 118/119), hält er daran nicht fest. Denn ein Wohnungseigentümer kann zwei in seinem Eigentum stehende Wohnungseigentumsrechte ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer vereinigen; das durch die Vereinigung neu gebildete Wohnungseigentum braucht nicht in sich abgeschlossen zu sein (BayObLG ZMR 2000, 468/469 m.w.N.). Auch die Unterteilung eines Wohnungseigentums durch den Eigentümer bedarf nicht der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer, sofern nicht die Teilungserklärung eine abweichende Bestimmung enthält (BayObLGZ 1983, 79/82; Demharter GBO 23. Aufl. Anhang zu § 3Rn. 53). Ferner können zwei Wohnungseigentümer ihre Miteigentumsanteile untereinander verändern, also den Miteigentumsanteil eines Wohnungseigentümers zugunsten des Miteigentumsanteils eines anderen Wohnungseigentümers verringern, außerdem Teile des Sondereigentums von einem Wohnungseigentum abtrennen und mit einem anderen verbinden; auch hierzu ist die Mitwirkung anderer Wohnungseigentümer nicht erforderlich (BayObLG ZMR 2000, 468/469 m.w.N.).
Soweit derartige Veränderungen in der rechtlichen Ausgestaltung eines Wohnungseigentums ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zulässig sind und von ihnen hingenommen werden müssen, kann auch die allein dadurch geschaffene Möglichkeit einer anderen und intensiveren Nutzung nicht als Nachteil im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG gewertet werden (vgl. KG NJW-RR 1997, 587/588 f.).
c) Ein nicht hinzunehmender Nachteil im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG kommt in Betracht, wenn der Durchbruch durch eine tragende Wand in erheblichem Maß in die Substanz des Gemeinschaftseigentums und die Statik des Gebäudes eingreift (vgl. BayObLG FGPrax 1999, 53). Hierzu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen; deshalb ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass es sich bei der Trennwand zwischen den Wohnungen Nr. 6 und Nr. 7 um eine tragende Wand handelt. Auch in einem solchen Fall kann jedoch die bauliche Veränderung ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zulässig sein, 1 wenn bei sachgerechter Planung und Ausführung keine Gefahren für den Bestand und die Sicherheit des Gebäudes zu erwarten sind (BayObLG aaO).
Die Antragsgegner haben einen Plan vorgelegt, der eine Türöffnung von normaler Breite zeigt, und vorgetragen, der Durchbruch sei durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst nach vorangegangener ebenfalls den Regeln der Baukunst entsprechender Planung und statischer Berechnung durchgeführt worden. Dies hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Eine konkrete und objektive Beeinträchtigung durch die Baumaßnahme als solche ist daher nicht festzustellen.
d) Soweit der Antragsteller geltend macht, die geschaffene Verbindung zwischen den Wohnungen Nr. 6 und Nr. 7 ermögliche eine erhöhte Nutzung, die einen nicht hinzunehmenden Nachteil im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG darstelle, ist im Vorverfahren festgestellt worden, dass der Antraggegner zu 1 beide Wohnungen zum Betrieb einer einheitlichen Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzlei nutzen darf. Auf Beeinträchtigungen, die mit dieser Form der Nutzung verbunden sind, kann der Antragsteller sich daher nicht berufen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG). Eine konkrete und objektive Beeinträchtigung kommt somit nur in Betracht, soweit das mit dem Kanzleibetrieb verbundene Kommen und Gehen zwischen beiden Wohnungen nicht mehr über den Hausflur stattfindet, sondern innerhalb der Wohnungen durch die Verbindungstür. Dies stellt bei typisierender Betrachtung grundsätzlich keinen Nachteil für andere Wohnungseigentümer dar, sondern eher einen Vorteil. Denn damit erübrigt sich die sonst notwendige Benutzung des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Treppenhauses, um von der einen in die andere Wohnung zu gelangen (vgl. Röll WE 1998, 367/368). Der Antragsteller, dessen Wohnung nicht unterhalb der Wohnungen Nr. 6 und Nr. 7 gelegen ist, hat insoweit keine konkreten Umstände vorgetragen.
Ende der Entscheidung
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