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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.09.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 8/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 688
BGB § 696
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
Vereinbaren die Wohnungseigentümer, daß die für die Dauer von Sanierungarbeiten entfernte Erde in Containern zwischengelagert und danach wieder zurücktransportiert werden soll, dürfte ein Verwahrungsvertrag geschlossen worden sein. Gerät der Hinterleger mit der Verpflichtung zur Wegschaffung der Erde in Verzug, schuldet er den Wohnungseigentümern den Ersatz der von ihnen aufgewendeten Lagerkosten.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius

am 6. September 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Forderung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 13. Dezember 2000 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Entscheidung zur Hauptsache richtet; im übrigen wird sie verworfen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20400 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer aus mehreren Häusern bestehenden Anlage. Dem Antragsgegner gehört eine Wohnung im 9. Obergeschoss eines Hauses und ein Sondernutzungsrecht an der vorgelagerten Terrasse, die das Dach des Nachbarhauses bildet.

Der Antragsgegner hatte auf seiner Terrasse einen Garten angelegt. Im Jahr 1995 wurden an der Dachfläche unterhalb der Terrasse Undichtheiten festgestellt. Am 24.5.1995 fand deswegen eine Besprechung statt, an der u.a. die Verwalterin, ein Mitglied des Verwaltungsbeirats, der Antragsgegner und dessen Vater teilnahmen. Sie kamen überein, dass die Terrasse saniert werden müsse. An den Kosten des Abräumens sollte sich der Antragsgegner zur Hälfte beteiligen. Die abtransportierte Erde sollte in Containern zwischengelagert und nach der Sanierung wieder auf die Terrasse verbracht werden. Insoweit wurde eine Kostenregelung nicht vereinbart.

In der Folgezeit wurden die Sanierungsarbeiten durchgeführt. Wegen der Neugestaltung der Terrasse kam es zu Unstimmigkeiten: Der Antragsteller wollte seinen Garten in der früheren Form wiederherstellen, die Verwalterin verlangte unter Hinweis auf eine im Jahr 1983 beschlossene Nutzungsregelung die Aufstellung von beweglichen Pflanztrögen. Mit Schreiben vom 26.7. und 30.8.1995 wies die Verwalterin darauf hin, dass die Lagerung der Erde künftig erhöhte Kosten verursachen werde, weil die Genehmigung zur Benutzung einer Parkfläche auslaufe. In der Folgezeit wurden die Container auf ein Grundstück der Nachbarwohnanlage umgesetzt. Am 29.9.1995 fand eine Besprechung zwischen der Verwalterin, zwei Mitgliedern des Verwaltungsbeirats, dem Antragsgegner und dessen Vater statt. Die Verwalterin hielt in einer Gesprächsnotiz fest, der Antragsgegner habe zugesagt, die Erde innerhalb von zwei Wochen abzuholen. Unter Hinweis auf diese Zusage und auf Beschwerden von Eigentümern der benachbarten Wohnanlagen forderte die Verwalterin den Antragsgegner am 23.10.1995 auf, die Container bis spätestens 30.10.1995 zu beseitigen. Mit Schreiben vom 26.10.1995 übersandte sie dem Antragsgegner das Angebot eines Containerdienstes für die Zwischenlagerung der Erde und forderte ihn erneut auf, die Erde bis 30.11.1995 vom Nachbargrundstück zu entfernen. Sollte dies nicht geschehen, werde sie den Transport und die Entsorgung der Erde auf Kosten des Antragsgegners veranlassen. Der Antragsgegner erwiderte am 26.10.1995, er werde die Verwalterin haftbar machen, wenn sie nur eine Handvoll seiner Erde entsorgen lasse. Außerdem werde er Strafantrag stellen und eine einstweilige Verfügung erwirken.

In der Folgezeit veranlasste die Verwalterin die Einlagerung der Erde bei einem Containerdienst. Dieser berechnete für die Zeit vom 1.1.1996 bis 20.7.1997 Standgebühren von insgesamt 15888,40 DM. Dann wurde die Erde aufgrund eines Vergleichs der Beteiligten verkauft.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 15888,40 DM nebst Zinsen zu verpflichten. Ein weiterer Zahlungsantrag betreffend die Kosten des Abräumens der Terrasse wurde von den Beteiligten während des ersten Rechtszugs übereinstimmend für erledigt erklärt. Gegen den Anspruch auf Erstattung der Lagerungskosten hat der Antragsgegner u.a. eingewendet, das Wohnungseigentumsgericht sei für die Entscheidung nicht zuständig. Das Amtsgericht hat schriftliche Äußerungen der Verwalterin, der beiden Verwaltungsbeiräte, eines Sachverständigen und des Vaters des Antragsgegners eingeholt. Mit Beschluss vom 14.2..2000 hat es den Antragsgegner zur Zahlung von 15888,40 DM nebst Zinsen verpflichtet. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, mit der er erneut die Unzuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts gerügt hat, hat das Landgericht am 13.12.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners, mit der er beantragt, den geltend gemachten Anspruch abzuweisen und den Antragstellern die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.

II.

1. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren erneut erhobene Rüge der Unzuständigkeit des zur Entscheidung angerufenen Wohnungseigentumsgerichts ist nicht begründet.

a) Auf die Zuständigkeitsprüfung nach § 46 WEG finden die Grundsätze des § 17a Abs. 3 bis 5 GVG entsprechende Anwendung (BGHZ 130, 159/162 f.; BayObLGZ 1998, 111/113 m.w.N.). Der Senat ist nicht durch § 17a Abs. 5 GVG gehindert, die Frage der Zuständigkeit des Prozessgerichts zu prüfen, weil das Amtsgericht über seine Zuständigkeit nicht vorab entschieden hat, obwohl dies wegen einer entsprechenden Rüge des Antragsgegners notwendig gewesen wäre. Die Zuständigkeit ist dann vom Rechtsmittelgericht der Hauptsache zu prüfen, und zwar auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - die Frage der Zuständigkeit nichtselbständig geprüft hat und die Beteiligten deshalb bisher keine Gelegenheit hatten, die zunächst getroffene Entscheidung in diesem Punkt überprüfen zu lassen (BayObLG NJW-RR 2000, 1540 m.w.N.).

b) Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist das Wohnungseigentumsgericht ausschließlich zur Entscheidung von Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander berufen. Die Zuweisung des § 43 WEG ist nach dem vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Zweck weit auszulegen. Ausschlaggebend ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist und nicht auf einer Sonderrechtsbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander beruht (BGHZ 130, 159/165; Staudinger/Wenzel WEG § 43 Rn. 17). Dies trifft hier zu. Die Erde, die der Antragsgegner auf der seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Terrasse aufgebracht hatte, musste zur Durchführung von Sanierungsarbeiten entfernt werden. Diese waren im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG vorzunehmen; der Antragsgegner hatte sie gemäß § 14 Nr. 4 WEG zu dulden. Die Lagerung der dem Antragsgegner gehörenden Erde sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten der Beteiligten stehen daher in einem engen Sachzusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer.

2. Aus dem mit der Rechtsbeschwerde gestellten Antrag und dem Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich, dass er auch eine Abänderung der Entscheidung über die Kosten des im ersten Rechtszug übereinstimmend für erledigt erklärten Antrags erstrebt. Hinsichtlich dieses Verfahrensgegenstands ist die sofortige weitere Beschwerde nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 43 Abs. 1 WEG, § 20a Abs. 2, § 27 Abs. 2 FGG).

Das im übrigen zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

3. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die geltend gemachten Lagerkosten habe der Antragsgegner zu erstatten, weil er sich aufgrund der Mahnung der Antragsteller mit der am 29.9.1995 zugesagten Entfernung der Erde in Verzug befunden habe. Die Kammer sei ebenso wie das Amtsgericht davon überzeugt, dass der Antragsgegner sich am 29.9.1995 bereit erklärt habe, die Erde binnen zwei Wochen abzuholen. Sie schließe sich der Beweiswürdigung des Amtsgerichts an. Eine weitere Beweisaufnahme sei nicht veranlasst, weil sich die Beschwerde des Antragsgegners inhaltlich nicht mit den Angaben der Zeugen befasse.

Die Höhe des Verzugsschadens, die Höhe der geltend gemachten Zinsen und den Zeitpunkt des Zinsbeginns habe der Antragsgegner nicht bestritten.

Im übrigen wäre der Antragsgegner auch ohne die Vereinbarung vom 29.9.1995 zur Zahlung der Lagerkosten verpflichtet. Die Erde gehöre ihm. Es gebe keinen Rechtsgrund dafür, dass er sie kostenlos durch die Eigentümergemeinschaft zwischenlagern lassen dürfe. Die Nichtabholung stelle eine Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer dar, die diese abwehren dürften.

Es komme nicht darauf an, ob die Verwalterin den Vertrag mit dem Containerdienst im eigenen Namen oder im Namen der Wohnungseigentümer geschlossen habe. Auch im ersteren Fall sei den Wohnungseigentümern ein Schaden entstanden, da sie der Verwalterin die Aufwendungen zu ersetzen hätten.

4. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner verpflichtet war, die zuletzt in Containern auf dem Grundstück einer benachbarten Wohnanlage lagernde Erde wegzuschaffen. Das Landgericht hat festgestellt, der Antragsgegner habe bei der Besprechung vom 29.9.1995 verbindlich zugesagt, die Erde innerhalb von zwei Wochen abzuholen. Soweit der Antragsgegner dies mit der Rechtsbeschwerde angreift, bedarf es keiner näheren Würdigung seines Vorbringens. Es kann offen bleiben, ob die vom Landgericht bejahte Zusage abgegeben worden ist, denn die Verpflichtung des Antragsgegners, die Erde wegzubringen, ergibt sich bereits aus dem Gesetz.

(1) Die Vereinbarung der Beteiligten vom 24.5.1995, wonach die Erde während der Bauarbeiten in Containern zwischengelagert und nach der Sanierung wieder auf die Terrasse verbracht werden sollte, stellt einen Verwahrungsvertrag im Sinn von § 688 BGB dar, der entgeltlich oder unentgeltlich geschlossen werden kann (vgl. Palandt/Sprau BGB 60. Aufl. § 688 Rn. 1, 2; MünchKomm/Hüffer BGB 3. Aufl. § 688 Rn. 6). Gemäß § 696 BGB kann der Verwahrer, wenn eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt ist, jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen. Ist eine Zeit bestimmt, so kann er die vorzeitige Rücknahme, nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(2) Ob die Beteiligten bei Abschluss der Vereinbarung vom 24.5.1995 einen zeitlichen Rahmen für die Lagerung der Erde ins Auge gefasst haben, kann offen bleiben. Der Antragsgegner selbst trägt vor, dass auf dem Grundstück der Wohnanlage kein Platz für die Aufstellung der Container zur Verfügung stand. Die Möglichkeit zur Nutzung eines Parkstreifens, den die Baufirma von der Stadt gemietet hatte, war mit der Beendigung dieses Mietverhältnisses entfallen; die Aufstellung der Container auf dem Nachbargrundstück wurde nur vorübergehend geduldet. Unter diesen Umständen war den Antragstellern eine weitere Lagerung der Erde nicht mehr zumutbar. Daher konnten sie jedenfalls wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes gemäß § 696 Satz 2 BGB die Rücknahme aus der Verwahrung verlangen (vgl. Palandt/Sprau § 696 Rn. 1, Palandt/Heinrichs Einf. Vor § 241 Rn. 19). Weil der Antragsgegner dem Rücknahmeverlangen nicht nachkam, geriet er nach § 296 Satz 2 BGB in Annahmeverzug und unter den Voraussetzungen der §§ 284 f. BGB in Schuldnerverzug (Palandt/Sprau aaO; MünchKomm/Hüffer § 696 Rn. 6).

b) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner den Antragstellern gemäß § 286 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig ist und daher die Aufwendungen zu ersetzen hat, die den Antragstellern ab 1.1.1996 für die Lagerung der Erde bei einem Containerdienst entstanden sind. Die Verwalterin hat den Anspruch auf Rücknahme mit Schreiben vom 30.8. und 23.10.1995 gegenüber dem Antragsgegner geltend gemacht. Mit dem zuletzt genannten Schreiben ist der Anspruch zum 31.10.1995 fälliggestellt worden (§ 271 BGB, vgl. Palandt/ Heinrichs § 271 Rn. 1). Durch das Schreiben vom 26.10.1995 ist der Antragsgegner mit Ablauf des 30.11.1995 in Verzug gesetzt worden (§ 284 Abs. 1 BGB).

c) Den Einwand fehlender Aktivlegitimation der Antragsteller hat das Landgericht zu Recht zurückgewiesen. Dass die Verwalterin bei Abschluss der Vereinbarung vom 24.5.1995 und in der Folgezeit namens der übrigen Wohnungseigentümer gegenüber dem Antragsgegner tätig geworden ist, bedarf keiner näheren Darlegung. ob sie zum Abschluss des Lagervertrags mit dem Containerdienst bevollmächtigt war, kann offen bleiben, denn die Wohnungseigentümer haben dieses Rechtsgeschäft jedenfalls durch Eigentümerbeschluss vom 21.4.1997 genehmigt, wie sich aus dem vorgelegten Versammlungsprotokoll ergibt.

5. Dem Senat erscheint es angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 20400 DM festgesetzt. Maßgebend ist neben dem geltend gemachten Zahlungsanspruch die (geschätzte) Höhe der auf den für erledigt erklärten Antrag entfallenden Kosten.

Ende der Entscheidung

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