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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.08.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 83/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
In einem Keller darf musiziert werden, wenn die Musik nicht mehr stört als eine zweckbestimmte Nutzung des Kellers.
BayObLG Beschluß

LG Würzburg 3 T 1040/95; AG Würzburg UR II 63/94

2Z BR 83/00

31.08.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 31. August 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Unterlassung und anderem,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 3. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Antragstellern gehört eine Wohnung im Erdgeschoß und den Antragsgegnern die darüberliegende Wohnung. Zur Wohnung der Antragsgegner gehört ein unter der Wohnung der Antragsteller liegender, in der Teilungserklärung als "Kellerabteil" beschriebener Raum, der als Musikzimmer eingerichtet ist; in ihm ist eine Orgel aufgestellt. Der etwa 20 m² große Kellerraum ist an den Seitenwänden schallisoliert und mit einer Doppeltür versehen, die innen ebenfalls schallisoliert ist.

Nach der Hausordnung der Eigentümergemeinschaft ist das Musizieren in der Zeit von 20.00 bis 8.00 Uhr, von 12.00 bis 15.00 Uhr sowie sonn- und feiertags untersagt.

Ein Eigentümerbeschluss vom 18.5.1995, durch den einer Nutzungsänderung des Kellerraums zu einem Musikzimmer unter Berücksichtigung der Ruhezeiten gemäß der Hausordnung zugestimmt wurde, ist für ungültig erklärt worden (vgl. BayObLG WuM 1997, 565).

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegnern die Nutzung des Kellers als Musikzimmer zu untersagen, die Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragsteller 4000 DM nebst Zinsen zu bezahlen und festzustellen, dass die Antragsgegner die aus der Nutzung des Kellers als Musikzimmer den Antragstellern künftig entstehenden Schäden zu ersetzen haben. Das Amtsgericht hat den Antrag nach Einnahme eines Augenscheins am 14.3.1995 abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller, die um den Antrag erweitert wurde, die Antragsgegner zu verpflichten, den ursprünglichen Zustand des Kellerraums wiederherzustellen, nach Einnahme eines Augenscheins durch die Kammer, Erholung eines Sachverständigengutachtens und persönliche Anhörung des Sachverständigen durch Beschluß vom 3.7.2000 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die zweckbestimmungswidrige Nutzung des Musikzimmers störe nicht mehr als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Die Geräuschentwicklung beim Spielen der Orgel werde durch die vorgenommenen Isolierungsmaßnahmen auf das Maß einer üblichen Nutzung eines Kellerabteils herabgesetzt. Dies habe der vom Amtsgericht und von der Beschwerdekammer eingenommene Augenschein ergeben, insbesondere aber das erholte Sachverständigengutachten und die Anhörung des Sachverständigen. Die festgestellten Meßergebnisse bewegten sich für den Tag im Rahmen der Immissionsrichtwerte. Die Übersteigung dieser Werte zur Nachtzeit sei unerheblich, weil nachts die Orgel nicht gespielt werde. Auf die Geräuschentwicklung, die bei Benutzung des in dem Musikzimmer stehenden Klaviers entstehe, sei nicht abzustellen, weil das Klavier nicht benutzt werde und auch künftig nicht benutzt werden solle. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsgegner liege damit insgesamt nicht vor.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Nutzung des in der Teilungserklärung als Kellerabteil bezeichneten Raums als Musikzimmer eine zweckbestimmungswidrige Nutzung darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung besteht jedoch gegenüber einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung dann kein auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG gestützter Unterlassungsanspruch, wenn diese Art der Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung (BayObLG WÜM 1993, 490; 1997, 565). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht im Hinblick darauf den Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung des Kellerraums als Musikzimmer und die davon abhängigen übrigen geltend gemachten Ansprüche verneint.

b) Ob eine bereits vorgenommene zweckbestimmungswidrige Nutzung von Sondereigentum mehr stört oder beeinträchtigt als eine zweckbestimmungsgemäße Nutzung, liegt weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet. Das Landgericht hat sich bei Beurteilung dieser Frage auf die durchgeführte Beweisaufnahme gestützt, insbesondere auf die vom Amtsrichter und von der vollbesetzten Kammer des Beschwerdegerichts durchgeführte Augenscheinseinnahme, aber auch auf die Äußerungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung durch das Beschwerdegericht.

Die Ermittlung und Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen ist Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen und seine Beweiswürdigung nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler nachprüfen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Der Senat kann demnach nur überprüfen, ob das Landgericht den Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 25 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstößt, ferner ob die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden sind (BayObLG NJW-RR 1995, 653/654 m.w.N. und ständige Rechtsprechung). Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist frei von solchen Rechtsfehlern. Auch die Antragsteller zeigen solche nicht auf.

(1) Zu Recht hat das Landgericht auf Geräuschentwicklungen durch das in dem Musikzimmer stehende Klavier nicht abgestellt, weil dieses nicht benutzt wird. Die Antragsteller treten dieser tatsächlichen Feststellung des Landgerichts nicht entgegen. Sie haben die Tatsache vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 31.5.2000 zugestanden.

(2) Aus der Entscheidung des Senats vom 22.5.1997 in dieser Sache (WuM 1997, 565) können die Antragsteller nichts für sich herleiten. In dem dortigen Verfahren ging es um eine Änderung der durch die Teilungserklärung festgelegten Zweckbestimmung des Raumes als Keller. Eine solche Änderung scheiterte nach der Entscheidung des Senats an der fehlenden Zustimmung der dinglich Berechtigten. An der Zweckbestimmung des Kellerraums ändert sich auch durch die vorliegende Entscheidung nichts. Sie versagt den Antragstellern lediglich einen Anspruch auf Unterlassung der zweckbestimmungswidrigen Nutzung, weil diese nicht mehr stört als eine Nutzung des Raumes als Keller.

(3) Ohne Bedeutung ist, was die Ursache dafür ist, dass die zweckbestimmungswidrige Nutzung des Kellerraums als Musikzimmer nicht mehr stört als eine zweckbestimmungsgemäße Nutzung. Insbesondere ist nicht entscheidungserheblich, ob dies auf die vorgenommene Isolierungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Feststellungen dazu bedurfte es nicht; allerdings ist das Landgericht als naheliegend hiervon ausgegangen. Entscheidend ist, dass die Nutzung als Musikzimmer nicht mehr stört. Dabei ist zu Recht auf eine mögliche Störung in den Wohnräumen des Antragstellers abgestellt worden.

(4) Die Überschreitung der Immissionsrichtwerte bei Nacht hat das Landgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen, weil die Orgel nachts nicht gespielt wird. Diese tatsächliche Feststellung ist für den Senat bindend. Sie wird im übrigen auch von den Antragstellern nicht in Frage gestellt.

(5) Da nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts die Nutzung des Kellerraums als Musikzimmer nicht mehr stört als eine Nutzung als Keller, scheidet auch eine Beeinträchtigung der Grundpfandrechtsgläubiger durch die zweckbestimmungswidrige Nutzung aus. Bei diesen ist im übrigen auf eine rechtliche Beeinträchtigung abzustellen, die darin bestehen könnte, dass die Zweckbestimmung des Kellerraums allgemein dahin geändert wird, dass er als Musikzimmer genutzt wird. Darum geht es hier aber nicht.

(6) Mit den anderen Anträgen der Antragsteller, die über den Unterlassungsantrag hinausgehen, hat sich das Landgericht zu Recht nicht näher befaßt. Da die Nutzung des Kellers als Musikzimmer von den Antragstellern hingenommen werden muß, weil sie nicht mehr stört als eine Nutzung als Keller, scheiden Schadensersatzansprüche wegen der zweckbestimmungswidrigen Nutzung ebenso aus wie ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Kellers. Auf diese Selbstverständlichkeit brauchte das Landgericht nicht einzugehen.

(7) Inwiefern das Gemeinschaftseigentum durch die zweckbestimmungswidrige Nutzung beeinträchtigt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Nichts anderes gilt für die dort vorgenommenen Umbaumaßnahmen zur Schallisolierung.

c) Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümer durch einen Mehrheitsbeschluß das Musizieren regeln können (vgl. dazu OLG Stuttgart WuM 1998, 330; OLG Hamburg WuM 1999, 230; BGH ZMR 1999, 41), braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil ein solcher Beschluß nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Eine entsprechende Regelung enthält hier die Hausordnung, die aber nicht zur Überprüfung des Senats gestellt ist.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG und die Geschäftswertfestsetzung in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung des Landgerichts auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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