Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 85/04
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 28
ZPO § 253
1. Für die gerichtliche Geltendmachung einer Wohngeldforderung durch die Wohnungseigentümer ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die beteiligten Wohnungseigentümer so klar bezeichnet sind, dass keine Zweifel an ihrer Stellung und Identität aufkommen können und dass aus der Bezeichnung sich für jeden Dritten die Beteiligten ermitteln lassen. Mängel der Eigentümerliste können auch nach Antragstellung im Allgemeinen noch behoben werden.

2. Der Anspruch auf Zahlung von Wohngeld kann einheitlich auf den in der Einzelabrechnung zur Jahresabrechnung ausgewiesenen Nachzahlungsbetrag auch dann gestützt werden, wenn dieser nicht lediglich die Abrechnungsspitze, sondern betragsmäßig auch (oder nur) den Rückstand nicht geleisteter Wohngeldzahlungen nach dem Wirtschaftsplan umfasst (siehe auch OLG Hamm ZMR 2004, 54).

3. Für die Fortgeltung des Wirtschaftsplans über das Kalenderjahr hinaus bedarf es grundsätzlich eines ausdrücklichen Beschlusses der Wohnungseigentümer (Bestätigung von BayObLG Beschluss vom 12.12.2002, 2Z BR 117/02 = WuM 2003, 293; Abgrenzung zu OLG Hamburg NZM 2003, 203).


Gründe:

I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsgegner gehört neben einer weiteren Wohnung das Wohnungseigentum Nr. 17 nebst dem Hälfteanteil an einem Stellplatz. Hierfür machen die Antragsteller Wohngeldrückstände für den Zeitraum Januar 2000 bis Juni 2003 geltend.

Für das Wirtschaftsjahr 2000 verlangen die Antragsteller noch 137,62 EURO nebst Zinsen. Der Betrag ergibt sich aus der in der Eigentümerversammlung vom 12.10.2001 beschlossenen Jahresabrechnung, die für den Antragsgegner ein Wohngeld von 4.184,30 DM und angerechnete Leistungen von 3.915,11 DM ausweist. Die Differenz beträgt 269,19 DM (= 137,62 EURO). In der gleichen Versammlung beschlossen die Wohnungseigentümer, den Saldo aus der Jahresabrechnung am 15.11.2002 fällig zu stellen.

Für das Wirtschaftsjahr 2001 verlangen die Antragsteller noch 1868,77 EURO. Der Betrag ergibt sich aus der Jahresabrechnung, die am 18.10.2002 beschlossen und zum 5.12.2002 fällig gestellt wurde.

Für das Wirtschaftsjahr 2002 verlangen die Antragsteller noch 1906,42 EURO. Dieser Betrag ergibt sich aus der von den Wohnungseigentümern am 17.10.2003 beschlossenen und zum 5.11.2003 fällig gestellten Jahresabrechnung. Im ersten Rechtszug hatten die Antragsteller für den maßgeblichen Zeitraum ihre ursprüngliche Forderung über 1979 EUR noch auf Wirtschaftspläne für die Jahre 2001 und 2002 gestützt.

Für die Monate Januar bis Juni 2003 verlangen die Antragsteller Wohngeldvorauszahlungen in Höhe von 894 EURO auf Grund des am 17.10.2003 genehmigten Wirtschaftsplans für das Jahr 2003. Dieser weist ein monatliches Wohngeld des Antragsgegners von 149 EURO aus. Im ersten Rechtszug hatten die Antragsteller ihre ursprüngliche Wohngeldforderung über 906 EURO auf den Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 gestützt.

Die Antragsteller, bezeichnet als Wohnungseigentümer einer bestimmten Liegenschaft, die vertreten wird durch die Verwalterin, haben unter Vorlage einer Eigentümerliste beim Amtsgericht zunächst beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 4.891,40 EURO zuzüglich Zinsen zu verpflichten. Im Lauf des amtsgerichtlichen Verfahrens haben sie ihren Antrag reduziert und zuletzt noch einen Wohngeldbetrag von 4.806,82 EURO nebst Zinsen begehrt. Das Amtsgericht hat dem mit Beschluss vom 28.11.2003 in der Hauptsache vollständig und im Zinsantrag überwiegend entsprochen. Die gerichtlichen wie die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat es dem Antragsgegner auferlegt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners am 9.3.2004 zurückgewiesen und den Antragsgegner mit den gerichtlichen sowie den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens belastet. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsteller seien antragsbefugt. Dass hinsichtlich einer Wohnung eine andere Person im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen sei, als dies die vorgelegte Eigentümerliste ausweise, sei unschädlich. Denn die Eigentümerliste entspreche der materiellen Rechtslage. Durch Erbscheinsvorlage sei nachgewiesen, dass die in der Eigentümerliste genannte Frau S. Erbin des im Grundbuch noch eingetragenen Herrn K. sei und der Erbfall schon 1998 lange vor Antragstellung eingetreten sei.

Die Wohngeldforderungen der Antragsteller seien begründet. Sie beruhten auf den beschlossenen Jahresabrechnungen 2000, 2001 und 2002 sowie auf dem beschlossenen Wirtschaftsplan 2003. Ob und welche dieser Beschlüsse angefochten worden seien, spiele keine Rolle. Ihren ursprünglich weitergehenden Antrag hätten die Antragsteller ohne Zustimmung des Antragsgegners wirksam einschränken können. Die zuerkannten Zinsen ergäben sich aus der von den Wohnungseigentümern beschlossenen jeweiligen Fälligstellung der Abrechnungen.

Es entspreche billigem Ermessen, dem Antragsgegner die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Das gelte auch vor dem Hintergrund der teilweisen Antragsrücknahme. Diese sei nämlich nur geringfügig. Darüber hinaus seien dem Antragsgegner auch die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Das Rechtsmittel des Antragsgegners sei von vornherein erkennbar aussichtslos und offensichtlich darauf ausgerichtet gewesen, sich seiner Zahlungspflicht gegenüber der Gemeinschaft zu entziehen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält bis auf eine Korrektur der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Antragsbefugnis steht grundsätzlich demjenigen zu, der nach materiellem Recht Inhaber des geltend gemachten Anspruchs ist (Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 43 Rn. 20); das sind für Wohngeldforderungen die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit (BGHZ 111, 148), ausgenommen der Antragsgegner als Schuldner der Forderung. Wer Wohnungseigentümer ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die in der Liste genannte Frau S. im Weg der Erbfolge und somit außerhalb des Grundbuchs schon vor Verfahrenseinleitung Rechtsnachfolgerin (§ 1922 Abs. 1 BGB) des im Wohnungsgrundbuch noch eingetragenen Herrn K. geworden ist. Damit ist sie auch berechtigt, gemeinsam mit den übrigen Wohnungseigentümern mit Ausnahme des Antragsgegners die rückständigen Wohngeldforderungen gerichtlich geltend zu machen. Auf die Eintragung im Grundbuch kommt es nicht an (vgl. BGH NJW 1994, 3352/3353; BayObLG ZMR 2002, 142); denn das Grundbuch ist durch die Erbfolge unrichtig geworden (vgl. Demharter GBO 24. Aufl. § 22 Rn. 15).

Durch die gewählte Bezeichnung in der verfahrenseinleitenden Schrift sind die Antragsteller in ihrer Eigenschaft als Wohnungseigentümer einer bestimmten Wohnanlage hinreichend individualisiert und konkretisiert (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Soweit der Antragsgegner beanstandet, dass die Liste die Mitsondereigentümerin eines bestimmten Wohnungseigentums nicht enthalte, begründet dies schon deshalb keinen Mangel, weil für den Verfahrensantrag bereits die vereinfachte und unmissverständliche Kurzbezeichnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft genügt, ohne dass alle Wohnungseigentümer einzeln und namentlich aufgeführt zu werden brauchen (BGH NJW 1977, 1686 f.; WE 1990, 84; Staudinger/Wenzel WEG Vorbem zu §§ 43 ff. Rn. 24). Notwendig und ausreichend ist, die Partei (die Beteiligten) so klar zu bezeichnen, dass keine Zweifel an ihrer Stellung und Identität aufkommen können und dass aus der Bezeichnung sich für jeden Dritten die betreffende Partei ermitteln lässt (BGH NJW 1977, 1686). Dies ist hier der Fall. Die in der Liste vermisste Wohnungseigentümerin lässt sich unschwer und zweifelsfrei über das Wohnungsgrundbuch ermitteln; die Bezeichnung der Antragstellerseite kann auch im weiteren Verfahren, sofern notwendig, jederzeit ergänzt wie berichtigt werden.

b) Die Wohngeldforderungen für die Kalenderjahre 2000, 2001 und 2002 sind begründet (§ 16 Abs. 2 WEG i.V.m. § 28 Abs. 5 WEG). Ob die Beschlüsse gerichtlich angefochten wurden, ist unerheblich. Denn erst eine rechtskräftige Ungültigerklärung nach § 23 Abs. 4 WEG i.V.m. § 45 Abs. 2 WEG hat deren rückwirkende Ungültigkeit zur Folge (BGHZ 106, 113/116). Dazu ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.

Solange ein Beschluss nicht für ungültig erklärt ist, wirkt er gemäß § 10 Abs. 3 und 4 WEG gegenüber allen Wohnungseigentümern (BayObLG NJW-RR 2002, 1665; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 23 WEG Rn. 8). Für eine Nichtigkeit der Beschlüsse über die Jahresabrechnungen fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

c) Vorschusszahlungen für das Kalenderjahr 2003 können die Antragsteller auf Grund des am 17.10.2003 beschlossenen Wirtschaftsplans verlangen, für dessen Nichtigkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Ob vor dessen Genehmigung eine wirksame Grundlage für die Vorschussforderungen bestand, braucht an dieser Stelle nicht geklärt zu werden. Die Antragsteller haben jedenfalls im Wege einer sachdienlichen Antragsänderung (vgl. § 263 ZPO) ihren Anspruch zuletzt auf den Wirtschaftsplanbeschluss vom 17.10.2003 gestützt.

d) Für die das Jahr 2002 betreffende Forderung spielt es keine Rolle, ob sie ursprünglich auf Grund vorangegangener Wirtschaftspläne berechtigt war, auch wenn diese keine ausdrücklichen Fortgeltungsklauseln bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan enthielten (siehe BayObLG WuM 2003, 293; aber auch OLG Hamburg NZM 2003, 203). Denn der Anspruch auf Zahlung von Wohngeld kann einheitlich auf den in der Einzelabrechnung zur genehmigten Jahresabrechnung ausgewiesenen Nachzahlungsbetrag auch dann gestützt werden, wenn dieser nicht lediglich die Abrechnungsspitze, sondern betragsmäßig auch (oder nur) den Rückstand nicht geleisteter Wohngeldzahlungen nach dem Wirtschaftsplan umfasst (OLG Hamm ZMR 2004, 54 und Deckert ZMR 2004, 171).

e) Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ändert der Senat teilweise ab.

Für die Gerichtskosten hat das Amtsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Antragsgegner bis auf geringfügige Beträge in Hauptsache und Zinsen unterlegen ist. Im Hinblick auf die Zuvielforderung kann im Rahmen von § 47 WEG der allgemeine kostenrechtliche Grundsatz des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergänzend herangezogen werden (BayObLG WuM 2002, 568). Soweit die Wohngeldforderungen der Antragsteller für das Kalenderjahr 2002 sowie das erste Halbjahr 2003 wegen fehlender Eigentümerbeschlüsse über die Fortgeltung vorangegangener Wirtschaftspläne zunächst ohne Rechtsgrundlage waren (BayObLG WuM 2003, 293; siehe auch KG WuM 2002, 392; großzügiger OLG Hamburg NZM 2003, 203), haben die Antragsteller noch im Lauf des amtsgerichtlichen Verfahrens diesen Mangel behoben, indem sie zuletzt ihre Ansprüche auf die am 17.10.2003 gefassten Eigentümerbeschlüsse gestützt haben. Es hätte am Antragsgegner gelegen, diesem Umstand Rechnung zu tragen und die Antragsteller klaglos zu stellen. Stattdessen hat er sich den geänderten Anträgen ausdrücklich widersetzt, so dass für eine entsprechende Heranziehung des § 93 ZPO (dazu BayObLG ZWE 2000, 354; ZMR 1999, 119) kein Raum ist.

Hingegen hält der Senat eine Kostenerstattung nach § 47 Satz 2 WEG im amtsgerichtlichen Verfahren nicht für angebracht, weil die Antragsteller einen wesentlichen Teil ihrer Wohngeldforderungen erst nach der mündlichen Verhandlung kurz vor der abschließenden Entscheidung des Amtsgerichts schlüssig gemacht haben.

Die Kostenentscheidung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren, wonach gemäß § 47 WEG der Antragsgegner neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, ist hingegen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3. Auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren erscheint es dem Senat gemäß § 47 WEG angemessen, dem Antragsgegner neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Sein Rechtsmittel ist nämlich angesichts der zweifelsfrei bestehenden Wohngeldschulden offensichtlich mutwillig.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück