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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.03.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 88/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 26
BGB § 242
Hat eine Wohnungseigentümerin die Anlage als Bauträgerin erstellt und gegen den Willen der übrigen Wohnungseigentümer die Bestellung ihres Ehemannes zum Verwalter durchgesetzt, kann darin ein Stimmrechtsmissbrauch liegen.
BayObLG Beschluss

LG Kempten (Allgäu) 4 T 626/00; AG Kempten (Allgäu) 34 UR II 32/99

2Z BR 88/00

02.03.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius am 2. März 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 25. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5568 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weitere Beteiligte zu 1 sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die aus vier Wohnungen besteht und in den Jahren 1997/1998 von der Antragsgegnerin zu 1 als Bauträgerin errichtet wurde. Die weitere Beteiligte zu 1 kaufte ihre Wohnung im Oktober 1998; nach Beilegung eines Rechtsstreits mit der Antragsgegnerin zu 1 wurde sie im Herbst 1999 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Gemäß § 9 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung (GO) vom 16.5.1997 richtet sich das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung nach den Miteigentumsanteilen. In § 10 GO ist bestimmt:

1. Vorerst wird kein Verwalter bestellt. Die Bestellung eines Verwalters ist jedoch jederzeit möglich, wenn dies die Wohnungseigentümer beschließen.

2. Der jeweilige Verwalter ist neben seiner Vertretungsmacht aus Gesetz und Vertrag auch beauftragt und bevollmächtigt zur Geltendmachung aller Gewährleistungsansprüche hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums und aller Außenanlagen.

Der weitere Beteiligte zu 2 ist der Ehemann der Antragsgegnerin zu 1 und Bauleiter von Beruf. In den Kaufverträgen, mit denen die Antragsgegner zu 2 und die weitere Beteiligte zu 1 ihre Wohnungen von der Antragsgegnerin zu 1 erwarben, ist die Feststellung enthalten, dem Erwerber sei bekannt, dass der weitere Beteiligte zu 2 auf die Dauer von drei Jahren zum Verwalter bestellt worden sei.

Der weitere Beteiligte zu 2 lud am 25.6.1999 für den 2.7.1999 zu einer Eigentümerversammlung ein. Der Tagesordnungspunkt (TOP) 1 lautete: Bestätigung der Verwalterbestellung - Verwaltervertrag. An der Versammlung, die vom weiteren Beteiligten zu 2 geleitet wurde, nahmen sämtliche damaligen Wohnungseigentümer teil. Die ebenfalls anwesende weitere Beteiligte zu 1 war noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen; das auf ihr Wohnungseigentum entfallende Stimmrecht wurde von der Antragsgegnerin zu 1 ausgeübt. In der Versammlungeniederschrift ist festgehalten, der Verwaltervertrag sei verlesen worden. Der Antragsgegner zu 2 habe eine Kopie des Vertrags gewünscht und am Versammlungstag nicht darüber abstimmen wollen. Der weitere Beteiligte zu 2 habe darauf hingewiesen, dass bereits ein mündlicher Vertrag bestehe. Weiter heißt es:

Abstimmung nach TOP 1:

269 + 246 = 515/1000sEel Ja-Stimmen

213 + 272 m 485/1000stel Nein-Stimmen.

Damit ist der Antrag angenommen.

Die Ja-Stimmen wurden von der Antragsgegnerin zu 1 abgegeben, die Nein-Stimmen von den Antragstellern und den Antragsgegnern zu 2. Dem Verwaltervertrag zufolge sollte der weitere Beteiligte zu 2 für die Zeit vom 2.7.1999 bis 1.7.2003 zum Verwalter bestellt sein.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 1 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 31.1.2000 stattgegeben, die Antragsgegnerin zu 1 hat sofortige Beschwerde eingelegt.

Auf Vorschlag des Landgerichts fand am 15.7.2000 eine Eigentümerversammlung statt, bei der die Antragsteller, die Antragsgegner zu 2 und die weitere Beteiligte zu 1 beschlossen, für die Zeit ab 1.6.2000 eine neue Verwalterin zu bestellen. Die Antragsgegnerin zu 1 focht diesen Eigentümerbeschluss an.

Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die sofortige Beschwerde durch Beschluss vom 25.7.2000 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin zu 1 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Angesichts der Regelung in der Gemeinschaftsordnung, dass vorerst kein Verwalter bestellt werde, habe eine nachträgliche Verwalterbestellung nur durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder durch Eigentümerbeschluss vorgenommen werden können. Für eine Vereinbarung fehle es jedenfalls am Nachweis einer Zustimmung der Antragsteller. Der Eigentümerbeschluss vom 2.7.1999 sei für ungültig zu erklären, weil die Antragsgegnerin zu 1 ihr damaliges Stimmenübergewicht rechtsmissbräuchlich eingesetzt habe, um ihren Ehemann, gegen dessen Bestellung sich die übrigen Wohnungseigentümer ausgesprochen hätten, als Verwalter durchzusetzen. Die Wohnanlage der Beteiligten sei die einzige, die der weitere Beteiligte zu 2 verwalte. Allein daraus ergäben sich Bedenken, ob er angesichts der Querelen im Haus geeignet sei, das Verwalteramt ordnungsgemäß zu führen. Als Ehemann der damaligen Mehrheitseigentümerin sei er mit dieser persönlich und wirtschaftlich sehr eng verbunden; das sei ein gewichtiges Indiz für seine mangelnde Objektivität. Nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung sei er unzweifelhaft der Wortführer des Ehepaars. Die Eheleute hätten die letzte Gelegenheit genutzt, um mit den damals noch gegebenen Mehrheitsverhältnissen die Wahl des Ehemanns zum Verwalter durchzusetzen, solange die weitere Beteiligte zu 1 noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war.

Ergänzend sei auszuführen, dass die Kammer die Ansicht des Amtsgerichts nicht teile, dass der angefochtene Eigentümerbeschluss hinreichend bestimmt sei.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die während des Beschwerdeverfahrens durch Eigentümerbeschluss vom 17.5.2000 vorgenommene Bestellung einer neuen Verwalterin nicht zur Erledigung des vorliegenden Verfahrens geführt hat. Denn dieser Eigentümerbeschluss ist ebenfalls angefochten und im Fall seiner Ungültigerklärung würde sich die Frage erneut stellen, ob der weitere Beteiligte zu 2 für die Zeit bis zum 1.7.2003 wirksam zum Verwalter bestellt ist (vgl. BGHZ 106, 115 f.; BayObLGZ 1992, 79/81; Senatsbeschluss vom 24.1.2001 - 2Z BR 112/00).

b) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass der weitere Beteiligte zu 2 nur durch Eigentümerbeschluss gemäß § 26 Abs. 1 WEG zum Verwalter bestellt werden konnte, weil die Teilungserklärung keine Verwalterbestellung enthält (vgl. Staudinger/Bub WEG § 26 Rn. 140) und eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Sinn von § 10 Abs. 2 WEG nicht vorliegt, weil es zumindest an der Zustimmung der Antragsteller fehlt.

Da der weitere Beteiligte zu 2 nicht Verwalter der Wohnanlage war, fehlte ihm die Befugnis zur Einberufung der Eigentümerversammlung vom 2.7.1999 (§ 5 24 Abs. 1 WEG, vgl. Staudinger/ Bub § 26 Rn. 136, § 24 Rn. 36). Dieser Einberufungsmangel ist jedoch dadurch geheilt worden, dass sämtliche Wohnungseigentümer in der Versammlung anwesend waren und mit abgestimmt haben (BayObLG NJW-RR 1992, 787).

c) Der Senat kann den Eigentümerbeschluss zu TOP 1 selbst auslegen, weil er eine Dauerregelung enthält (BGHZ 139, 288/291 f.). Er teilt nicht die Meinung des Landgerichts, dass der Beschluss inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Aus der Versammlungsniederschrift zu TOP 1 ergibt sich vielmehr bei objektiver Auslegung als nächstliegende Bedeutung, dass der Antrag angenommen wurde, den weiteren Beteiligten zu 2 für den im zuvor verlesenen Vertragsentwurf genannten Zeitraum und zu den dort vorgesehenen Bedingungen zum Verwalter zu bestellen.

d) Der allein mit den Stimmen der Antragsgegnerin zu 1 gefasste Eigentümerbeschluss, mit dem ihr Ehemann zum Verwalter der Wohnanlage bestellt wurde, ist zu Recht für ungültig erklärt worden.

(1) Das Problem der Stimmenmehrheit eines oder einzelner Wohnungseigentümer, insbesondere des Bauträgers, und die damit verbundene Gefahr der Majorisierung der übrigen Wohnungseigentümer ist in der Rechtsprechung und Literatur dadurch gelöst worden, dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob ein Eigentümerbeschluss, den ein beherrschender Wohnungseigentümer durchgesetzt hat, für ungültig zu erklären ist. In der Ausnutzung der Stimmenmehrheit kann ein nach § 242 BGB unzulässiger Rechtsmissbrauch zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümer liegen, der zur Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses führt. Ein mit den Stimmen des beherrschenden Wohnungseigentümers gefasster Eigentümerbeschluss ist auch dann für ungültig zu erklären, wenn er einer ordnungsmäßigen Verwaltung widerspricht (BayObLG NJW-RR 1999, 1171/1172 m.w.N.). Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen ausgegangen.

(2) Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht es in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Mehrheitseigentümer mit seinem Stimmenübergewicht gegen den Willen der übrigen Wohnungseigentümer eine ihm nahestehende Person zum Verwalter bestellt (BayObLG WÜM 1996, 648 f.). Ein gegen die Bestellung sprechender wichtiger Grund liegt vor, wenn bereits im Zeitpunkt der Bestellung Interessengegensätze offenkundig sind und deshalb von vornherein nicht mit der Begründung eines unbelasteten, für die Tätigkeit des Verwalters erforderlichen Vertrauensverhältnisses zu den anderen Wohnungseigentümern zu rechnen ist (BayObLG ZMR 2000, 846/847; OLG Düsseldorf ZMR 1999, 581 und WE 1996, 70/71). Dies trifft hier zu. Sowohl die Antragsteller und die Antragsgegner zu 2 als damalige Wohnungseigentümer als auch die weitere Beteiligte zu 1 als Eigentumsanwärterin, die mit der Antragsgegnerin zu 1 einen Rechtsstreit wegen Baumängeln führte, lehnten den Ehemann der Antragsgegnerin zu 1 als Verwalter ab. Die Wohnanlage ist von der Antragsgegnerin zu 1 erstellt worden; ihr Ehemann, der von Beruf Bauleiter ist und nach den Feststellungen des Landgerichts der Wortführer des Ehepaars, hat daran mitgewirkt. Nach § 10 Abs. 2 GO obliegt es dem Verwalter, alle Gewährleistungsansprüche hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums und der Außenanlagen geltend zu machen. Dies bedarf einer sorgfältigen und objektiven Prüfung durch den Verwalter, zumal die Antragsgegnerin zu 1 die Ansicht vertritt, gegen sie gerichtete Gewährleistungsansprüche seien bereits verjährt. Schon wegen des hier zutage tretenden Interessenkonflikts zwischen der Antragsgegnerin zu 1 als früherer Bauträgerin und den anderen Wohnungseigentümern entspricht die Bestellung des Ehemanns der Antragsgegnerin zu 1 zum Verwalter der Wohnanlage nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen. Auf die Frage seiner Qualifikation und weitere vom Landgericht herangezogene Umstände, die teilweise erst nach der Verwalterbestellung zutage getreten sind und daher nicht berücksichtigt werden können (vgl. BayObLG WuM 2000, 689 f.), kommt es danach nicht mehr an.

(3) Zu Recht hat das Landgericht die Erklärung des weiteren Beteiligten zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht berücksichtigt, die Antragsgegnerin zu 1 habe ihn noch während ihrer Zeit als Mehrheitseigentümerin zum Verwalter bestellen wollen, weil die Eheleute ständigen Schikanen der anderen Miteigentümer ausgesetzt seien. Dies zeigt, dass die Antragsgegnerin zu 1 ihre Stimmenmehrheit zum eigenen Vorteil und gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer eingesetzt hat. Darin liegt ein nach § 242 BGB unzulässiger Rechtsmissbrauch zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümer, der zur Ungültigkeit des Eigentümerbeschlusses führt (vgl. BayObLGZ 1999, 149/151 m.w.N.).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnerin zu 1 die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 Abs. 1 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 5568 DM festgesetzt, dies entspricht der vereinbarten Verwaltervergütung und stimmt mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen überein.

Ende der Entscheidung

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