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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.12.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 89/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 5
WEG § 23 Abs. 2
Die Ordnungsmäßigkeit einer Verwaltungsmaßnahme ist am Gemeinschaftsinteresse zu messen.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die aus 29 Wohn- und Geschäftseinheiten sowie einer Tiefgarage besteht. Die Anlage wird von der weiteren Beteiligten entgeltlich verwaltet. Bestellt wurde die weitere Beteiligte von der teilenden Eigentümerin. Der 1996 abgeschlossene Verwaltervertrag enthielt keine Regelung zur Haftungsbeschränkung und zur Verkürzung von Verjährungsfristen.

In der Eigentümerversammlung vom 11.12.1998 fassten die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt (TOP) 13, dessen Gegenstand in der Einladung mit "Erklärungen zum Verwaltervertrag (Haftung)" beschrieben war, mehrheitlich folgenden Beschluss:

Die Haftung des Verwalters für sämtliche Schadensfälle infolge leichter und mittlerer Fahrlässigkeit des Verwalters wird pro Schadensfall auf 50000,00 DM und pro Schadensjahr auf 80000,00 DM begrenzt. Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft gegen den Verwalter verjähren in zwei Jahren ab Kenntnis des Schadens.

Abstimmungsergebnis: Beschluss einstimmig angenommen mit 893/1000 Ja-Stimmen.

Die Beschlussfassung beruhte auf einem zuvor von der Verwalterin verlesenen Text betreffend die Haftung des Verwalters aus einem Standardverwaltervertrag.

Die Antragsteller haben beantragt, den Beschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Teilbeschluss vom 30.5.2001 den Antrag abgewiesen, das Landgericht mit Beschluss vom 12.7.2002 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zur Eigentümerversammlung sei ordnungsgemäß geladen worden. Der Beschlussgegenstand sei ausreichend bezeichnet. Es genüge eine schlagwortartige Bezeichnung, damit sich der Wohnungseigentümer auf die Versammlung vorbereiten könne und vor Überraschungen geschützt sei. Die Wohnungseigentümer hätten sich hier darauf einstellen können, dass Gegenstand der Erörterung auch eine Beschlussfassung über die Haftung des Verwalters im Verwaltervertrag sei. Überspannte Anforderungen dürften an die Bezeichnung des Beschlussgegenstands nicht gestellt werden.

Die Beschlussfassung halte sich im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Bei dem Beschluss handle es sich nicht um eine vorformulierte Vertragsbedingung, sondern um eine Individualabrede. Die Regelung sei nämlich zwischen den Vertragspartnern im einzelnen ausgehandelt. Der Beschluss beinhalte eine Willensbildung der Wohnungseigentümer, die auf Abänderung des bestehenden Verwaltervertrags gerichtet sei. Einstimmigkeit der Wohnungseigentümer sei zur Vertragsänderung nicht erforderlich. Im übrigen verstoße die Haftungsbeschränkung nicht gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Schließlich bedinge auch der Umstand, dass die Verwalterin durch ihre Geschäftsführer selbst bei der Änderung mitgestimmt habe, nicht die Anfechtbarkeit des Beschlusses. Die Verwalterin hätte nämlich auch das Stimmrecht von Eigentümern, die sie kraft Vollmacht vertrat, bei der Abstimmung über ihre eigene Bestellung ausüben dürfen.

2. Der Beschluss des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass der Beschluss nicht bereits deshalb für ungültig zu erklären ist, weil dessen Gegenstand bei der Einberufung ungenügend bezeichnet war (§ 23 Abs. 4 WEG; dazu BayObLG WE 1987, 12). Die Vorschrift dient dem Schutz der Wohnungseigentümer. Sie soll verhindern, dass diese durch eine Beschlussfassung überrascht werden; durch die Bezeichnung der Tagesordnungspunkte, soll ihnen ermöglicht werden, sich sachgerecht auf die Versammlung vorzubereiten. Nicht notwendig ist, dass ausdrücklich auf eine vorgesehene Beschlussfassung hingewiesen wird (BayObLG NZM 1999, 175; Wangemann/Drasdo Die Eigentümerversammlung nach WEG 2. Aufl. Rn. 161). Im allgemeinen reicht eine schlagwortartige Bezeichnung des Beschlussgegenstands aus; übertriebene Anforderungen dürfen nicht gestellt werden (BayObLG NZM 1998, 668; 2000, 1239).

Die hier gewählte Bezeichnung genügt. Die Wohnungseigentümer konnten erkennen, dass eine Beschlussfassung zum (laufenden) Verwaltervertrag vorgesehen war. Mit dem zusätzlichen Hinweis auf die Haftung war ausreichend klargestellt, auf welchen der unterschiedlichen vertraglichen Regelungspunkte sich die Erörterung und etwaige Beschlussfassung erstrecken sollen (vgl. OLG Köln DWE 1988, 24). Es war nicht notwendig, dass bereits das Ladungsschreiben alle Einzelheiten des Beschlussgegenstands enthielt (OLG Celle ZWE 2002, 474; vgl. auch Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 365). Die Bezeichnung deckt neben der Erörterung und Beschlussfassung zur Verwalterhaftung im engeren Sinn auch die damit in sachlichem Zusammenhang stehende Problematik der Verjährung derartiger Ansprüche ab.

b) Das Landgericht ist der Ansicht, die weitere Beteiligte, die selbst nicht Wohnungseigentümerin ist, habe in Vollmacht von Wohnungseigentümern über die vertragliche Haftungsbeschränkung mit abstimmen dürfen. Das ist zweifelhaft. Teilweise wird für diesen Fall § 25 Abs. 5 WEG entsprechend herangezogen (KG WE 1989, 134; dazu aber jüngst BGH Beschluss vom 19.9.2002 V ZB 30/02). Die überwiegende Meinung verweist wohl zutreffend auf § 181 BGB (Staudinger/Bub WEG § 25-Rn. 284; Wangemann/Drasdo Rn. 456, beide unter Bezugnahme auf OLG Zweibrücken WE 1991, 357), wonach ein Vertreter, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen kann. Rechtsfolge ist bei annahmebedürftigen Willenserklärungen die schwebende Unwirksamkeit des Geschäfts mit der Möglichkeit, es nachträglich zu genehmigen (§§ 177, 182, 184 Abs. 1 BGB), bei nicht annahmebedürftigen Willenserklärungen deren Nichtigkeit analog § 180 BGB (BayObLG NJW-RR 2001, 469; Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 181 Rn. 15). Eine Ungültigerklärung des Beschlusses kann auf eine fehlerhafte Berücksichtigung von Stimmen nicht ordnungsgemäß vertretener Wohnungseigentümer durch die Verwalterin hier aber schon deshalb nicht gestützt werden, weil auch bei deren Nichtberücksichtigung eine Stimmenmehrheit für den Beschlussantrag vorhanden war (dazu Palandt/Bassenge BGB § 25 WEG Rn. 18).

c) Das Landgericht hat die Frage der Haftungsbegrenzung im Verwaltervertrag unter dem zutreffenden Gesichtspunkt einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) geprüft. Durch Mehrheitsbeschluss kann nämlich nur ein Verwaltervertrag beschlossen werden, der ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (OLG Köln NJW 1991, 1302; OLG Hamm ZMR 2001, 138/141; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 26 Rn. 34). Ein Verstoß gegen die Ordnungsmäßigkeit macht die Beschlussfassung jedoch nicht nichtig (BGHZ 145, 158), weil die Ordnungsmäßigkeit nicht kompetenzbegründend ist. Die gleichen Grundsätze gelten, wenn es wie hier um die Abänderung oder Ergänzung eines bestehenden Verwaltervertrags geht.

Ordnungsmäßig nach § 21 Abs. 4, 5 WEG ist eine Verwaltungsmaßnahme, die dem gemeinschaftlichen Interesse aller Wohnungseigentümer dient; Maßstab ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers, wobei den Wohnungseigentümern ein gewisser Ermessensspielraum zusteht (OLG Düsseldorf WuM 1999, 352; Niedenführ/ Schulze § 21 Rn. 26). Im Vordergrund steht das Gemeinschaftsinteresse, also die Nützlichkeit der Maßnahme für die Gemeinschaft (BayObLGZ 1975, 201/208; Weitnauer/Lüke WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 12), nicht das Sonderinteresse Dritter, auch nicht des Verwalters, der vielmehr als Treuhänder der Gemeinschaft soweit wie möglich Eigeninteressen denen seiner Auftraggeber unterzuordnen hat (Deckert ETW Gruppe 4 Rn. 1681).

aa) Das Landgericht hat die Ordnungsmäßigkeit ausschließlich daran gemessen, ob die beschlossene Haftungsbeschränkung einschließlich Verjährungsabkürzung gesetzlich zulässig ist, insbesondere ob sie, sofern sie als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen ist, Wirksamkeit hat. Maßstab wäre insoweit, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, die vor dem 1.1.2002 geltende Rechtslage (Art. 229 § 5 EGBGB).

Wäre eine Beschränkung der Verwalterhaftung individualvertraglich oder formularvertraglich unzulässig (siehe dazu im einzelnen etwa Deckert ETW Gruppe 4 Rn. 1677 ff.; Gottschalg Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft Rn. 270), entspräche eine solche Vertragsmodifizierung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (Wangemann/Drasdo Rn. 697; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 91 ff.). Aber auch wenn die Beschränkung vertragsrechtlich zulässig wäre, ist damit noch nicht beantwortet, ob diese dem gemeinschaftlichen Interesse aller Wohnungseigentümer dient, also den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies verneint der Senat, ohne darüber entscheiden zu müssen, ob § 11 Nr. 7, § 9 AGBGB a.F. überhaupt zur Anwendung kommen und der Gültigkeit des Beschlusses ebenfalls entgegenstehen.

bb) Die Haftungsbeschränkung entspricht nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer (vgl. § 21 Abs. 4 WEG). Denn es ist kein Grund zu erkennen, einen entgeltlich tätigen gewerblichen Verwalter durch Beschränkung der gesetzlichen Haftung nach Dauer und Höhe einseitig zu begünstigen (BayObLG vom 19.12.2002, 2Z BR 104/02 = BayObLGZ 2002 Nr. 72; siehe auch OLG Hamm ZMR 2001, 138/142; Müller ZWE 2001, 191/195). Dies gilt hier um so mehr, als die weitere Beteiligte durch einen laufenden Vertrag mit den Antragsgegnern gebunden und auf dessen Grundlage verpflichtet ist, gegen Entgelt ihre Leistungen zu erbringen. Die Abänderung dieses bestehenden Vertragsverhältnisses, von dessen ursprünglicher Ausgewogenheit auszugehen ist, bedeutet eine rechtliche Schlechterstellung der Wohnungseigentümer, der keine adäquaten Vorteile gegenüberstehen. Bei der Größe der Wohnanlage ist es nicht ausgeschlossen, dass Schadensfälle über der festgesetzten Haftungsgrenze, z.B. bei baulichen Maßnahmen, auftreten können. Zudem handelt es sich bei der weiteren Beteiligten um die von der teilenden Eigentümerin eingesetzte Erstverwalterin. Erstverwalter werden erfahrungsgemäß häufig mit der haftungsträchtigen Tätigkeit befasst, eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Geltendmachung etwaiger Gewährleistungsansprüche gegen den Veräußerer rechtzeitig herbeizuführen (Palandt/Bassenge § 27 WEG Rn. 6; siehe beispielsweise BayObLG NJW-RR 2001, 731 und Beschluss vom 17.10.2002, 2Z BR 82/02). Nach dem Gesetz ist die Haftung des Verwalters, etwa aus positiver Forderungsverletzung, auch in Fällen einfacher Fahrlässigkeit unbeschränkt (BGH NJW 1996, 1216). Insoweit wird der potentielle Anspruch der Wohnungseigentümer durch den getroffenen Beschluss ohne jede Gegenleistung beschnitten.

Gleiches gilt für die Verkürzung der Verjährungsfrist. Nach damals geltendem Recht würde sie die Durchsetzung von Ansprüchen der Gemeinschaft zeitlich durchaus erheblich einschränken (vgl. §§ 195, 198, 852 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Auch nach dem seit 1.1.2002 gültigen Recht ist die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB n.F.) noch deutlich höher als die mit zwei Jahren vereinbarte. Folgerichtig werden deshalb aufgrund des neuen Rechtszustands Haftungsbeschränkungsvereinbarungen im Verwaltervertrag insbesondere hinsichtlich der Anspruchsverjährung auch nicht mehr für notwendig erachtet (Deckert ETW Gruppe 11 Rn. 36).

Dieser freiwilligen Aufgabe von Rechtspositionen stehen keine Vorteile für die Wohnungseigentümer gegenüber. Auch ohne Beschluss über die Haftungsbeschränkung wäre die weitere Beteiligte verpflichtet, ihre vertragliche Leistung zu erbringen. Sie besäße deswegen kein Kündigungsrecht. Ob das Anliegen der Wohnungseigentümer, die weitere Beteiligte als langjährig bewährte Verwalterin auch künftig an die Eigentümergemeinschaft zu binden (vgl. Gottschalg Rn. 243 zum vergleichbaren Fall der Verwalterentlastung), eine Haftungsbeschränkung rechtfertigen könnte, braucht deshalb nicht entschieden zu werden (vgl. hierzu jedoch BayObLG vom 19.12.2002, 2Z BR 104/02 BayObLGZ 200.2 Nr. 72). Soweit das Verfahren erhebliche Spannungen zwischen den Antragstellern und den übrigen Wohnungseigentümern sowie der weiteren Beteiligten erkennen lässt, ist die Haftungsbeschränkung zugunsten der Verwalterin kein geeignetes Mittel, diese abzubauen.

3. Der Senat hält es nach § 47 Satz 1 WEG für angemessen, den unterlegenen Antragsgegnern samtverbindlich die im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdezug angefallenen Gerichtskosten aufzuerlegen. Es besteht kein Anlass, die Kostenerstattung zugunsten eines Beteiligten nach § 47 Satz 2 WEG anzuordnen.

Für die erste Instanz liegt in Form des amtsgerichtlichen Schlussbeschlusses vom 12.10.2001 eine unangefochtene Kostenentscheidung vor, die im Rahmen des Rechtsmittels gegen den Teilbeschluss nicht abgeändert werden kann (Musielak/Wolst ZPO 3. Aufl. § 99 Rn. 11).

Den Geschäftswert hat der Senat nach dem Interesse aller Beteiligten in Anlehnung an die von den Vorinstanzen getroffenen Festsetzungen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG bemessen.

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