Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 9/01
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
FGG § 15
FGG § 22
FGG § 27
FGG § 29
ZPO § 233
ZPO § 236 Abs. 2
Hat das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen, ist die sofortige weitere Beschwerde unabhängig vom Beschwerdewert zulässig.
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 14 T 9436/00; AG Nürnberg 1 UR II 233/00

2Z BR 9/01

28.02.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Lorbacher

am 28. Februar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Wohngeldforderung,

beschlossen.

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1470 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller machen gegen die Antragsgegnerin, die Mitglied ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft ist, rückständige Wohngelder in Höhe von 1470 DM geltend. Die Antragsschrift wurde der Antragsgegnerin durch Niederlegung bei der zuständigen Postfiliale am 11.8.2000 zugestellt, nachdem diese am 10.8.2000 in ihrer Wohnung nicht angetroffen worden war. Mit Beschluss vom 8.9.2000 hat das Amtsgericht dem Antrag stattgegeben. Der Antragsgegnerin wurde der Beschluss durch Niederlegung am 15.9.2000 zugestellt. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 31.10.2000 hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und zugleich sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 8.9.2000 eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 5.12.2000 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 45 Abs. 1 WEG, §§ 21, 22, 27, 29 FGG unabhängig davon zulässig, dass der Beschwerdewert, der seit 30.6.2000 750 Euro beträgt (§ 45 Abs. 1 i.d.F. von Art. 7 Abs. 8 des Gesetzes vom 27.6.2000, BGBl. 1 897), überschritten ist. Denn das Landgericht hat die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen (BGHZ 119, 216; BayObLGZ 1990, 141/142).

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht begründet. Der angegriffene Beschluss sei am 15.9.2000 durch Niederlegung beim zuständigen Postamt zugestellt und eine schriftliche Benachrichtigung hiervon in den Hausbriefkasten eingelegt worden. Wenn die Mitteilung übersehen worden sei, habe die Antragsgegnerin dies verschuldet. Das gelte auch dann, wenn man zugunsten der Antragsgegnerin unterstelle, diese habe sich bei der Briefkastenleerung aufgrund ihrer körperlichen Behinderung von Hilfskräften unterstützen lassen. Das Verschulden solcher rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter müsse sich die Antragsgegnerin nämlich entgegenhalten lassen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei somit zurückzuweisen. Weil die sofortige Beschwerde nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist eingelegt worden sei, sei diese unzulässig.

2. Die Überprüfung durch den Senat hat sich neben der rechtlichen auch auf die tatsächliche Seite zu erstrecken, weil es sich um die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit der Erstbeschwerde handelt (vgl. nur BayObLGZ 1959, 167/170 f.; 1979, 251/253; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 44). Danach erweist sich die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis als zutreffend.

a) Die sofortige Beschwerde vom 31.10.2000 war nicht fristgerecht eingelegt. Nach Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses am 15.9.2000 hätte sie vielmehr spätestens mit Ablauf des 29.9.2000 bei Gericht eingegangen sein müssen (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1, § 17 FGG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

b) Es kann dahinstehen, ob mit dem Antrag vom 31.10.2000 die zweiwöchige Frist des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG eingehalten ist, weil die Antragsgegnerin vor dem 17.10.2000 jedenfalls vom Kostenfestsetzungsantrag der Gegenseite Kenntnis hatte und bereits bei vorwerfbarer Nichtkenntnis von der Fristversäumung die Frist zu laufen beginnt (KG WuM 1993, 764; Keidel/ Kahl § 22 Rn. 34). Denn Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung erhält nur, wer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG). Das kann die Antragsgegnerin nicht glaubhaft machen. weder durch die eidesstattliche Versicherung noch durch das ärztliche Attest ist ausreichend wahrscheinlich, dass es nicht die Antragsgegnerin selbst war, die bei der Briefkastenleerung die schriftliche Benachrichtigung der Post übersehen hat. Ihre Erkrankung schloss es grundsätzlich nicht aus, sich aus der im 4. oder 5. Obergeschoss gelegenen Wohnung zum Briefkasten zu begeben. Auch die eidesstattliche Versicherung legt sich dazu letztlich nicht fest. Schließlich belegen die Urkunden über die durch Niederlegung erfolgte Zustellung der Antragsschrift wie die des amtsgerichtlichen Beschlusses, dass die Antragsgegnerin weder am 10.8.2000 noch am 14.9.2000 in ihrer Wohnung angetroffen wurde (vgl. § 418 Abs. 1 ZPO), was die Aussage in der eidesstattlicher Versicherung, sie verlasse ihre Wohnung nur mehr in Notfällen, fraglich erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass die Antragsteller in Erwiderung auf die vorgelegte eidesstattliche Versicherung unter Antritt von Zeugenbeweis (zu dessen Erheblichkeit Keidel/Schmidt FGG § 15 Rn. 70) vorgetragen haben, die Antragsgegnerin habe sich offensichtlich beim Gehen schwer getan und ihre Angelegenheiten langsam erledigt; genauso habe man jedoch beobachten können, dass sie ihren Briefkasten meist selbst leere oder dies durch ihren Sohn erledigen lasse. Bei einer zusammenfassenden Würdigung des Vorbringens der Antragsgegnerin einerseits, der Antragsteller andererseits ist für den Senat die Wahrscheinlichkeit, dass Hilfspersonen die schriftliche Benachrichtigung der Post bei der ersten wie bei der zweiten Zustellung durch Niederlegung übersehen und mit Werbeschriften weggeworfen haben, jedenfalls nicht größer als die Möglichkeit, der Antragsgegnerin selbst sei solches unterlaufen. Dieses begründet ein eigenes Verschulden der Antragsgegnerin (OLG München MDR 1994, 410; LAG Köln MDR 1994, 1245; Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 233 Rn. 23 Stichwort "Zustellung"; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 233 Rn. 34). Dass den von der Antragsgegnerin in der eidesstattlichen Versicherung erwähnten Personen, die ihr bei der Briefkastenleerung und Postsortierung behilflich waren, entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Eigenschaft rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG zukommt (BGH NJW 1967, 1567; BayObLGZ 1959, 167/172; Keidel/Kahl § 22 Rn. 26), deren Verschulden der Antragsgegnerin also nicht zuzurechnen ist (OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 954; LAG München NJW 1987, 2545; MünchKomm/Feiber ZPO § 233 Rn. 24 und 25), spielt mithin keine Rolle.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, der Antragsgegnerin die gerichtlichen Kosten ihres weiteren Rechtsmittels aufzuerlegen und auch eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

Zurück