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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 90/00
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
Notariatsakten dürfen in einem Speicherraum aufbewahrt werden, wenn er ein selbständiges Teileigentum bildet.
BayObLG Beschluss

LG München I - 1 T 5996/00; AG München 483 UR II 1023/99

2Z BR 90/00

14.02.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 14. Februar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Unterlassung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 24. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 12000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer kleinen Anlage. Dem Antragsteller gehört eine Wohnung im Obergeschoss. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Speicher Nr. 10 und Nr. 11 im darüber liegenden Dachgeschoss. Gemäß der ursprünglichen Teilungserklärung vom 2.7.1981 gehörte der nunmehrige Speicher Nr. 10 als "Speicherabteil Nr. 1" zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 1; der nunmehrige Speicher Nr. 11 gehörte als "Speicherabteil Nr. 4" zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 4. Im Aufteilungsplan des Dachgeschosses sind die Räume als Speicher S 1 und Speicher S 4 eingezeichnet.

Mit Nachtrag zur Teilungserklärung vom 14.10.1996 unterteilten die damaligen Eigentümer die Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und Nr. 4. Dabei wurden selbständige Miteigentumsanteile gebildet, mit denen das Sondereigentum an den Speichern verbunden wurde; sie wurden am 13.2.1997 als Speicher Nr. 10 und Speicher Nr. 11 im Grundbuch eingetragen.

Die als Anlage zur Teilungserklärung vom 2.7.1981 im Grund buch eingetragene Gemeinschaftsordnung (GO) bestimmt in § 2 Nr. 2:

Die Wohnungen und die dazu gehörigen Nebenräume sollen nur zu Wohnzwecken benutzt werden. Die Ausübung ein es freien Berufes oder Gewerbes innerhalb der Wohnung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Verwalters.

Diese kann verweigert werden, wenn mit der Ausübung des Berufes oder Gewerbes erfahrungsgemäß eine über Abs. 1 hinausgehende, unzumutbare Belästigung der übrigen Hausbewohner oder eine Beeinträchtigung des Charakters der Wohnanlage zu befürchten ist....

Die Zustimmung kann... widerrufen werden, wenn nachträglich eine unzumutbare Belästigung oder Beeinträchtigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen eingetreten ist....

Gemäß § 18 Nr. 7 GO gelten die Bestimmungen sinngemäß auch für das Teileigentum und den Teileigentümer, soweit in der Gemeinschaftsordnung von Wohnungseigentum oder Wohnungseigentümern die Rede ist.

Die Antragsgegnerin erwarb das Teileigentum an den Speichern im Jahr 1998. Sie vermietete die Räume an ihren Ehemann, der sie zur Aufbewahrung von Akten seines Notariats nutzt. Im Jahr 1999 genehmigte die Verwalterin diese Nutzung. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Nutzung der Räume im Dachgeschoss als Archivräume zu unterlassen. Das Amtsgericht hat den Antrag am 10.3.2000 abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht durch Beschluss vom 24.7.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die beiden Räume seien in der Teilungserklärung und im Nachtrag vom 4.2.1987 (richtig: 14.10.1996) jeweils als Speicherabteile bezeichnet. Nach dem in § 15 Abs. 2 WEG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken könnten sie nur in einem der Beschaffenheit eines Speicherabteils entsprechenden Rahmen genutzt werden. Die derzeitige Nutzung zur Lagerung von Akten halte sich im Rahmen der üblichen Nutzung eines Speicherabteils. Eine nach der Gemeinschaftsordnung gegebenenfalls erforderliche Genehmigung des Verwalters liege vor. Auch störe die tatsächliche Nutzung der Räume durch die Antragsgegnerin jedenfalls nicht mehr, als wenn die Räume einer Wohnung zugeordnet wären. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin wurden lediglich einmal pro Woche Akten im Speicher herausgesucht; dies dauere etwa eine Viertelstunde. Diese Art der tatsächlichen Nutzung störe nicht mehr, als wenn ein zu einer Wohnung gehörendes Speicherabteil als solches genutzt werde.

2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern. Der Antragsteller kann nicht gemäß § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen, dass die Antragsgegnerin die Nutzung ihrer Räume im Dachgeschoss als Archiv unterlässt.

a) In der ursprünglichen Teilungserklärung sind die damals zu den Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 gehörenden Räume im Dachgeschoss als Speicherabteile bezeichnet. ob in der Bezeichnung als Speicher eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (§ 5 Abs. 4, § 3 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WEG) liegt, die die Gebrauchsrechte des Eigentümers aus § 13 Abs. 1 WEG in zulässiger Weise einschränkt, oder ob damit nur Räume bezeichnet wurden, auf die sich das jeweilige Sondereigentum erstreckte, kann offen bleiben. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass auch im letzteren Fall nach dem in § 15 Abs. 2 WEG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken die im Dachgeschoss gelegenen Speicherräume nur in einem ihrer Beschaffenheit entsprechenden Rahmen genutzt werden dürfen. Durch den Nachtrag zur Teilungserklärung vom 14.10.1996 und die darauf beruhenden Grundbucheintragungen hat sich daran nichts geändert; die Festlegung der zulässigen Nutzungsart als Speicher blieb weiterhin rechtsverbindlich (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 1103 f.).

b) Die Nutzung als Abstellraum zur Aufbewahrung nicht benötigter Gegenstände entspricht grundsätzlich der Beschaffenheit eines Speichers (vgl. BayObLG WuM 1989, 262/264 und NJW-RR 1991, 140; Staudinger/Kreuzer WEG § 15 Rn. 24). Dies zieht der Antragsteller auch nicht in Zweifel. Er wendet sich vielmehr dagegen, dass der Ehemann der Antragsgegnerin, dem sie die Räume vermietet hat, diese für seine beruflichen Zwecke als Lager benutzt. Dies muss jedoch erfolglos bleiben.

(1) Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass die Anlage als reines Wohngebäude geplant gewesen sei und nur zu Wohnzwecken genutzt werde. Nach § 2 Nr. 2 GO ist die Ausübung eines freien Berufs oder Gewerbes in der Wohnung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist wie jede Grundbucherklärung nach ihrer nächstliegenden Bedeutung auszulegen. Entgegen der Meinung des Antragstellers ergibt sich daraus nicht, dass ein Wohnungseigentum jeweils nur teilweise zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken genutzt werden dürfe; eine solche Nutzung der gesamten Wohnung ist vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich (vgl. zu ähnlichen Klauseln BayObLG WÜM 2000, 684/685, ZMR 1999, 186/187 und WE 1997, 319).

(2) Es kann offen bleiben, ob § 2 Nr. 2 GO bei sinngemäßer Anwendung auf das keiner Wohnung zugeordnete Teileigentum der Antragsgegnerin dahin auszulegen ist, dass die Nutzung der Speicherräume zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken der Genehmigung des Verwalterbedarf, denn der Verwalter hat die Nutzung als Notariatsarchiv genehmigt.

(3) Allein der Umstand, dass der Verwalter eine Nutzungsgenehmigung erteilt hat, macht eine von der Zweckbestimmung abweichende Nutzung materiell-rechtlich noch nicht zulässig. Die Entscheidung des Verwalters unterliegt einer Kontrolle durch die Wohnungseigentümer sowie einer Überprüfung durch das Gericht. Dass die Entscheidung über die zulässige Nutzung letzten Endes den Gerichten zusteht, ergibt sich aus § 15 Abs. 3 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen kann, die den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer entspricht (BayObLG WE 1997, 319 f. m.w.N.). Dem gemäß hat das Landgericht geprüft, ob die Nutzung der Speicherräume als Notariatsarchiv unter den hier gegebenen Umständen mehr stört oder beeinträchtigt als die Nutzung als Nebenräume einer Wohnung. Dies hat das Landgericht verneint. Seine Ausführung en sind frei von Rechtsfehlern, auch der Antragsteller bringt dagegen nichts vor.

3. Dem Senat erscheint es angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsteller die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 12000 DM festgesetzt; dies entspricht der Wertfestsetzung der Vorinstanzen.



Ende der Entscheidung

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