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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 92/01
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
FGG § 29 Abs. 1 Satz 2
WEG § 45
Die Unkenntnis über Form und Frist eines Rechtsmittels in Wohnungseigentumssachen ist trotz unterbliebener Rechtsmittelbelehrung verschuldet, wenn der Beteiligte in einem früheren Verfahren ausdrücklich auf das Formerfordernis für das Rechtsmittel hingewiesen worden war.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr. Delius und Lorbacher

am 12. Juli 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Duldung und anderem,

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag des Antragsgegners, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die formgerechte Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. April 2001 zu erteilen, wird zurückgewiesen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. April 2001 wird verworfen.

III. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Im Jahr 1997 hatte eine Fachfirma in dieser Wohnanlage, auch in der Wohnung des Antragsgegners, Fenster- und Türelemente ausgetauscht. An den ausgewechselten Fensterelementen traten Mängel auf, die in einem vom Antragsgegner eingeleiteten Beweissicherungsverfahren festgestellt wurden. Im Zuge der Nachbesserung sollten auch in der Wohnung des Antragsgegners Arbeiten durchgeführt werden. Zu einer dazu notwendigen-terminlichen Absprache mit diesem kam es trotz längeren Schriftwechsels nicht.

Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.1.2001 den Antragsgegner verpflichtet, Mitarbeitern des Fensterbaubetriebs, nach Ankündigung durch den Verwalter mindestens eine Woche im voraus, an Werktagen zwischen 8.00 und 18.00 Uhr den Zutritt zu seiner Wohnung zu gestatten und die Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten im Bereich des Fenster-Tür-Elements zu dulden. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht durch Beschluss vom 30.4.2001 zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 12.5.2001 zugestellten, nicht mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss hat der Antragsgegner am 26.5.2001 mit eigenhändig unterzeichnetem Schreiben Rechtsmittel eingelegt. Nach gerichtlichem Hinweis auf die Formvorschriften für die sofortige weitere Beschwerde hat der Antragsgegner am 15.6.2001 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und zugleich erklärt, er halte an der sofortigen weiteren Beschwerde fest.

II.

Das Rechtsmittel ist unzulässig. Der Antragsgegner hat nämlich die Frist zur formgerechten Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht eingehalten.

1. Das beim Landgericht (§ 29 Abs. 4 FGG i.V.m. § 21 Abs. 2 FGG) eingegangene Beschwerdeschreiben vom 26.5.2001 wahrt zwar die Frist, aber nicht die Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG. Folglich ist dieses Rechtsmittel unzulässig mit der Folge, dass es ohne Sachprüfung zu verwerfen ist (vgl. § 574 ZPO).

2. Soweit die Erklärung vom 15.6.2001 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erneut die - nun formgerechte - Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde enthält, wahrt diese nicht die Frist des § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG.

3. Dem Antragsgegner kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 22 Abs. 2 FGG wegen Versäumung der Frist zur formgerechten Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht erteilt werden. Denn sein Versäumnis war nicht unverschuldet und ein Unterbleiben der Rechtsmittelbelehrung dafür nicht ursächlich.

Befindet sich ein Beteiligter im Rechtsirrtum über die Form der Beschwerdeeinlegung, so ist dieser Irrtum nach bisher herrschender Meinung im allgemeinen nicht unverschuldet (BayObLG NJW-RR 2000, 606; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 23 m. w. N.), auch wenn der Beteiligte anwaltlich nicht vertreten ist (BayObLG NJW-RR 2001, 444; WUM 1994, 166/167; Keidel/Kahl aaO). Zwar wird neuerdings erwogen, im Hinblick auf den Grundsatz eines aus Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. § 20 Abs. 3 GG herzuleitenden wirkungsvollen Rechtsschutzes die Fristversäumung eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten, dem eine Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt wurde, grundsätzlich als unverschuldet im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG anzusehen (Keidel/Schmidt § 16 Rn. 60; Demharter FGPrax 1995, 217 und WuM 2000, 43; vgl. auch Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn. 18, 34). Die Fristversäumung wegen unterbliebener Wahrung der Form für die Einlegung des Rechtsmittels wäre insoweit grundsätzlich nicht anders zu behandeln. Diese Überlegung führt hier jedoch nicht zu einem Erfolg des Wiedereinsetzungsantrags. Denn der Antragsgegner war bereits in einem früheren Wohnungseigentumsverfahren in vergleichbarer Verfahrenslage mit Beschluss des Bayerischen obersten Landesgerichts vom 12.12.1996 (2Z BR 133/96) ausdrücklich auf die einzuhaltende Form für die sofortige weitere Beschwerde hingewiesen worden. Der Senat kann unter diesen Umständen nicht davon ausgehen, dass der Antragsgegner trotz unterbliebener Rechtsmittelbelehrung unverschuldet in Unkenntnis der für die sofortige weitere Beschwerde zu beachtenden Förmlichkeiten war.

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner die eigenhändige Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht mit Unkenntnis über die einzuhaltende Form, sondern damit erklärt hat, er habe sie wegen seines Gesundheitszustands nicht rechtzeitig - gemeint ist formgerecht - einlegen können. Dass er jedoch überraschend aus gesundheitlichen Gründen und damit ohne Verschulden nicht in der Lage war, das Rechtsmittel, etwa durch einen Gang zur Geschäftsstelle des am Wohnort befindlichen Amtsgerichts oder des in der gleichen politischen Gemeinde befindlichen Landgerichts, formgerecht einzulegen, hat der Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht. Denn nach dem vorgelegten Bericht des behandelnden Krankenhauses wurde der Antragsgegner am 25.5.2001 in einem guten Allgemeinzustand entlassen. wenn er sich auch nach ärztlichem Rat noch die folgenden 14 Tage schonen sollte, so ist daraus nicht ableitbar, dass der Antragsteller in der verbliebenen zeit zwar zur eigenhändig unterzeichneten schriftlichen Beschwerdeeinlegung auf dem Postweg, nicht aber zum Aufsuchen der zuständigen gerichtlichen Geschäftsstelle in der Lage war.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die mit der Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren, welches auch das Verfahren für die Wiedereinsetzung mitumfasst, auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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