Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 93/04
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 4
1. Ein Rechtsanwalt muss in seiner Kanzlei sicherstellen, dass seine Angestellten bei der Versendung von Schriftsätzen per Telefax die Empfänger-Nummer genau überprüfen und ihn bei fehlgeschlagenen Übermittlungsversuchen unverzüglich benachrichtigen.

2. Eine Wiedereinsetzung wegen Versäumnis der Frist zur Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen scheidet aus, wenn die Wiedereinsetzung später als ein Jahr nach Fristversäumnis beantragt wird.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Am 6.7.2002 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der zahlreiche Beschlüsse gefasst wurden. Mit Schriftsatz vom 5.8.2002, beim Amtsgericht eingegangen am 7.8.2002, hat der Antragsteller beantragt, die meisten der am 6.7.2002 gefassten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Auf dem Schriftsatz der Antragstellervertreter befinden sich Stempelaufdrucke "Telefax" und "Folgt per Normalpost". Ein Telefax ist beim Amtsgericht nicht eingegangen, weil von einer Angestellten der Antragstellervertreter eine falsche Telefax-Nummer angewählt worden war.

Mit Verfügung vom 10.11.2003 hat das Amtsgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse erst am 7.8.2002, also verspätet, bei Gericht eingegangen sei. Am 13.11.2003 hat der Antragsteller daraufhin beantragt, ihm Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Antragsfrist nach § 23 Abs. 4 WEG zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Verfahrensbevollmächtigte habe den Auftrag zur Fertigung der Antragsschrift am 5.8.2002 erhalten; sie habe noch am selben Tag den Schriftsatz schreiben lassen und unterzeichnet. Dann habe sie den Schriftsatz einer zuverlässigen Angestellten mit der Weisung übergeben, den Schriftsatz spätestens am 6.8.2002 per Telefax an das Amtsgericht zu senden und zur Post zu geben. Der Schriftsatz sei von der Angestellten in den Speicher des Telefax-Geräts gegeben worden, aber von dort am 6.8.2002 nicht an das Amtsgericht gesendet worden. Von einer Eintragung in den Fristenkalender sei wegen des nahen Fristablaufs abgesehen worden.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13.1.2004 den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Anträge auf Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 4.3.2004 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand deshalb unbegründet sei, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Fristversäumnis auf einem Organisationsverschulden der Verfahrensbevollmächtigten beruhe, das dem Antragsteller zuzurechnen sei. Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten sei vor allem darin zu sehen, dass eine Erledigungskontrolle nicht stattgefunden habe. Eine solche sei nicht entbehrlich gewesen. Wäre eine Erledigungskontrolle durchgeführt worden, hätte auffallen müssen, dass ein Übertragungsprotokoll für das Telefax nicht vorlag, so dass die Frist nicht als gewahrt und erledigt hätte behandelt werden dürfen. Zwar sei die Überwachung des mechanischen Sendevorgangs nicht Sache des Rechtsanwalts selbst; doch müsse dieser durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Vorsorge dafür treffen, dass bei technischen Übermittlungsfehlern der Fehler noch rechtzeitig bemerkt werde.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG ist nach allgemeiner Meinung eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, deren Versäumnis einen Antrag auf Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen unbegründet macht, also zur Bestandskraft der Eigentümerbeschlüsse führt (Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 23 Rn. 20 und § 43 Rn. 74; MünchKomm/Engelhardt BGB 4. Aufl. § 23 WEG Rn. 20; Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 23 Rn. 28; jeweils mit weiteren Nachw.). Allerdings wird allgemein eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in entsprechender Anwendung von § 22 Abs. 2 FGG für zulässig gehalten (Niedenführ/Schulze § 23 Rn. 21; MünchKomm BGB/Engelhardt § 23 WEG Rn. 21; Weitnauer/Lüke § 23 Rn. 29). Nach dieser Vorschrift setzt eine Wiedereinsetzung voraus, dass die Frist ohne Verschulden des Antragstellers versäumt wurde, wobei freilich dem Antragsteller nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG das Verschulden seines Vertreters, also auch seines Verfahrensbevollmächtigten, zugerechnet wird.

b) Wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, kann dem Antragsteller keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gewährt werden.

(1) Die Frist ist nicht ohne Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers versäumt worden. Zum einen liegt ein Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten darin, dass sie nicht die Anweisung gegeben hat, auch noch kurz vor Ablauf der Anfechtungsfrist diese in den Fristenkalender einzutragen. Auf diese Weise ist eine Kontrolle der ordnungsmäßigen Erledigung der Einzelweisung unterblieben (vgl. BGH MDR 2004, 478/479). Zum anderen bestehen in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten offenbar keine organisatorischen Anweisungen dafür, bei den per Telefax zu versendenden Schriftstücken die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer genau zu überprüfen (BGH BGHReport 2004, 978; BGH FamRZ 2004, 1275). Wären solche allgemeinen Anweisungen in der Kanzlei erteilt worden, wäre es nicht zum Fehlschlag der Versendung per Telefax wegen einer falschen Empfänger-Nummer gekommen.

(2) Eine Wiedereinsetzung scheidet aber auch deshalb aus, weil bei Einreichung des Antrags auf Wiedereinsetzung die Frist des § 22 Abs. 2 Satz 4 FGG bereits abgelaufen war. Gegen die Versäumung dieser Frist gibt es keine Wiedereinsetzung (Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 22 FGG Rn. 9a; Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 22 Rn. 82; jeweils mit weiteren Nachw.). Diese absolute Frist, die im Interesse der Rechtssicherheit besteht, gilt auch für die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG (KG FGPrax 1999, 95 = NZM 1999, 569; MünchKomm BGB/Engelhardt § 23 WEG Rn. 21; Weitnauer/Lüke § 23 Rn. 29).

Eine Ausnahme von dieser Vorschrift ist schon deshalb nicht zu erwägen, weil die späte Kenntnis von der Verfristung des Anfechtungsantrags auf die ungenügende Organisation in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zurückzuführen ist. Offensichtlich war keinerlei Vorsorge dafür getroffen, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt zeitnah Kenntnis von einem missglückten Versuch, das Telefax zu senden, erhält.

3. Angesichts des Misserfolgs in allen Rechtszügen ist es nach § 47 WEG angemessen, dass der Antragsteller sowohl die gerichtlichen als auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt.

Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

Zurück