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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.01.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 94/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22
WEG § 45
Ein Beschwerdegericht kann nur ausnahmsweise eine Sache an das Amtsgericht zurückverweisen.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 5. Januar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Beseitigung einer Betonmauer,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 25. Juli 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 8000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Antragstellern und dem Antragsgegner gehört je eine Erdgeschoßwohnung mit einer ihnen zur Sondernutzung zugewiesenen Gartenfläche. Die Antragsteller haben ihre Wohnung im Jahr 1994 erworben.

In der Teilungserklärung ist bestimmt, dass eine Umzäunung der Sondernutzungsfläche des Antragsgegners nicht gestattet ist.

Der Antragsgegner errichtete 1986 eine Terrasse auf seiner Sondernutzungsfläche und im Zusammenhang damit eine 3 m lange Betonmauer.

Die Antragsteller behaupten, die Betonmauer stehe auf ihrer gesamten Länge und einer Breite von etwa 3 cm auf ihrer Sondernutzungsfläche. Der Antragsgegner bestreitet dies und behauptet, die Wohnungseigentümer seien mit der Errichtung der Terrasse und der Stützmauer seinerzeit einverstanden gewesen, außerdem sei die Stützmauer wegen des abschüssigen Geländes erforderlich.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung der Betonmauer und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Geländeverlaufs zu verpflichten. Das Amtsgericht hat den Antrag am 2.5.2000 abgewiesen. Das Landgericht hat diese Entscheidung durch Beschluss vom 25.7.2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Errichtung der Mauer stelle eine bauliche Veränderung dar. Ein sie genehmigender Eigentümerbeschluß habe nicht vorgelegt werden können. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts könne aus dem Rundbrief vom 6.11.1986 das Einverständnis aller Wohnungseigentümer mit der Errichtung der Mauer nicht hergeleitet werden. Mindestens eine Wohnungseigentümerin sei nach den Angaben des Verwalters im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer mit der Errichtung der Mauer nicht einverstanden gewesen. Das Amtsgericht werde daher zunächst zu ermitteln haben, ob tatsächlich im Jahi 1986 ein Eigentümerbeschluss zustande gekommen sei. Hierzu seien die damaligen Wohnungseigentümer zu vernehmen. Im übrigen hätten sich die Beteiligten auch nicht in der Eigentümerversammlung vom 12.6.1999 geeinigt, weil zu dem maßgebenden Tagesordnungspunkt kein Beschluss gefaßt worden sei. Damit den Beteiligten keine Tatsacheninstanz verloren gehe, sei die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Beschwerdegericht tritt in den Grenzen der Beschwerde als Tatsacheninstanz an die Stelle der ersten Instanz. Es hat grundsätzlich selbst zu entscheiden, hierzu den Sachverhalt eigenständig festzustellen und noch erforderliche Ermittlungen selbst durchzuführen (BayObLG FamRZ 1996, 1023). Eine Zurückverweisung kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die erste Instanz ihre Endentscheidung nur auf verfahrensrechtliche Überlegungen gestützt hat (BayObLGZ 1995, 47/50) oder wenn das Verfahren der ersten Instanz so mangelhaft war, dass die abschließende Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren dem Verlust einer Instanz gleich käme (vgl. § 539 ZPO; Bassenge/ Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 25 Rn. 11). Siehe zum ganzen auch BayObLG, Beschluss vom 8.11.2000, 3Z BR 295/00.

b) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Amtsgericht ist aufgrund des Rundbriefs vom 6.11.1986 zu der Überzeugung gelangt, dass die Betonmauer vom Antragsgegner im Einverständnis mit allen Wohnungseigentümern hergestellt worden sei. Daraus hat es den rechtlich nicht zu beanstandenden Schluß abgeleitet, dass ein Beseitigungsanspruch nicht begründet sei. Das Landgericht ist demgegenüber der Meinung, aus dem Rundbrief lasse sich ein Einverständnis aller Wohnungseigentümer nicht ableiten. Auch wenn diese Ansicht des Landgerichts für zutreffend zu erachten ist, erweist sich die Entscheidung des Amtsgerichts doch nicht in einer Weise fehlerhaft, die eine Zurückverweisung an das Amtsgericht rechtfertigen könnte, die nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen kann. Es wäre vielmehr Sache des Landgerichts gewesen, die aufgrund seiner abweichenden Ansicht noch erforderlichen weiteren Ermittlungen selbst anzustellen. Zu diesem Zweck wird die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird das Landgericht gemäß § 47 WEG zu entscheiden haben. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 8.000 DM festgesetzt.

III.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

1. Bei der von dem Antragsgegner errichteten Betonmauer handelt es sich zwar nicht um eine "Umzäunung" der Sondernutzungsfläche des Antragsgegners im Sinne der Bestimmung der Teilungserklärung, aber um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums. zweifelhaft kann sein, ob diese über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG hinausgeht. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Mauer, so wie sie errichtet wurde, zur Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustands des im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstücks unverzichtbar ist (vgl. BayObLGZ 1990, 120/122). Der Antragsgegner behauptet dies mit dem Hinweis darauf, dass es ohne die Mauer zu Geländeabrutschungen käme. Dem ist im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gemäß § 12 FGG nachzugehen; gegebenenfalls ist hierzu ein Sachverständigengutachten zu erholen. Dabei ist zu beachten, dass der Gefahr einer Geländeabrutschung, wenn sie bestehen sollte, möglicherweise durch andere, weniger beeinträchtigende Maßnahmen als die Betonmauer begegnet werden kann.

2. Wenn es sich bei der Mauer um eine über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehende Baumaßnahme handelt, ist dazu die Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer erforderlich, die durch die Maßnahme im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG beeinträchtigt sind (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Dabei genügt auch eine nicht ganz unerhebliche Verschlechterung des optischen Erscheinungsbildes der Wohnanlage (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLG NZM 2000, 392 m. w. N.). Hierzu sind im Rahmen der Amtsermittlungspflicht Feststellungen zu treffen, ob und welche Wohnungseigentümer durch die Mauer in einer das Maß des § 14 Nr. 1 WEG übersteigenden Weise beeinträchtigt werden.

3. Ein auf § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG gestützter Anspruch auf Beseitigung einer beeinträchtigenden baulichen Veränderung, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, scheidet dann aus, wenn die durch die bauliche Veränderung beeinträchtigten Wohnungseigentümer oder ihr jeweiliger Rechtsvorgänger der Maßnahme zugestimmt haben; dabei genügt das bloße Dulden einer solchen Maßnahme nicht (BayObLGZ 1998, 32/34).

Dem Rundbrief des Verwalters vom 6.11.1986 kann eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer nicht entnommen werden. Dort wird nur um eine solche Zustimmung gebeten, im übrigen nur für andere Maßnahmen. ob sie erteilt wurde, ergibt sich aus dem Rundbrief nicht. Auch das Schreiben des Verwalters vom 12.2.1987 an den Antragsgegner kann naturgemäß keine Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu der von dem Antragsgegner vorgenommenen Baumaßnahme in Form der Errichtung einer Betonmauer enthalten. Eine Zustimmung des Rechtsvorgängers der Antragsteller, an die diese gebunden wären, ergibt sich nicht aus dem in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgelegten Schreiben des Rechtsvorgängers vom 28.11.2000. In diesem wird die Betonmauer nicht erwähnt. Dasselbe gilt für die Niederschrift über die Wohnungseigentümerversammlung vom 19.4.1986. Schließlich kann auch aus der anläßlich einer Ortsbesichtigung am 12.6.1999 getroffenen "Festlegung", der gemeinschaftliche Zugangsweg solle erhalten bleiben, nicht abgeleitet werden, dass die Betonmauer genehmigt worden wäre. Abgesehen davon handelt es sich bei dieser Festlegung nicht um einen Eigentümerbeschluß; die Eigentümerversammlung war ausweislich der Niederschrift bereits vorher vom Verwalter geschlossen worden. Ob eine Zustimmung des Rechtsvorgängers der Antragsteller oder aller Wohnungseigentümer vorliegt, wird daher weiterer Ermittlungen bedürfen.

Ende der Entscheidung

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