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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 94/02
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 387
WEG § 21 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
Gegen Wohngeldansprüche kann regelmäßig nur mit anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen aufgerechnet werden.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsgegner gehört eine Dachgeschosswohnung.

Die Antragsteller machen Wohngeldansprüche gegen den Antragsgegner geltend. Sie haben beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 40902,84 DM nebst Zinsen zu verpflichten.

Der Antragsgegner hat zunächst mit Ansprüchen aufgerechnet, die ihm dadurch erwachsen seien, dass er Notmaßnahmen zur Beseitigung von Mängeln am Glasdach der Wohnanlage vorgenommen habe. Er hat außerdem mit Schriftsatz vom 3.12.1999 beantragt, die Antragsteller zu verpflichten, den Verwalter zu beauftragen, die Mängel an dem Glasdach durch ein Fachunternehmen beseitigen zu lassen und die dafür erforderlichen Mittel von zunächst 300000 DM einzuziehen. Ferner hat er mit Schriftsatz vom 3.8.2001 hilfsweise, für den Fall, dass die Aufrechnung nicht durchgreife, beantragt, die Antragsteller zur Zahlung von rund 184000 DM zu verpflichten; Kosten in dieser Höhe seien ihm im Zusammenhang mit den Mängeln des Glasdachs entstanden.

Am 8.11.2000 beschlossen die Wohnungseigentümer, zur Finanzierung einer Sanierung des Glasdachs eine Sonderumlage von 340000 DM zu erheben.

Das Amtsgericht hat am 2.10.2001 den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragsteller 40902,84 DM nebst Zinsen zu zahlen; die Gegenanträge des Antragsgegners hat es abgewiesen, im Beschlusssatz allerdings nur den Gegenantrag vom 3.12.1999. Ferner hat das Amtsgericht dem Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten auferlegt.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den Zahlungsantrag der Antragsteller im Hinblick auf die erklärte Aufrechnung abzuweisen; den auf eine Mängelbeseitigung gerichteten Gegenantrag vom 3.12.1999 hat er im Hinblick auf den Eigentümerbeschluss vom 8.11.2000 für erledigt erklärt und den auf Verpflichtung der Antragsteller zur Zahlung gerichteten Gegenantrag vom 3.8.2001 nicht mehr aufgegriffen. Die Antragsteller haben der Erledigterklärung am 14.3.2002 zugestimmt.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 24.7.2002 die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegner an die Antragsteller 20192,43 EUR nebst Zinsen zu zahlen habe. Außerdem hat es dem Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung der Kostenentscheidungen und der Geschäftswertfestsetzungen durch das Amtsgericht und das Landgericht; im übrigen bleibt es erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Aufrechnung des Antragsgegners gegen die unbestrittene Wohngeldforderung greife nicht durch. Die Ansprüche würden von den Antragstellern bestritten. Um Ansprüche aus Notgeschäftsführung handle es sich nicht. Der Antragsgegner habe nicht dargetan, dass die Maßnahmen zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum und nicht nur seinem Sondereigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig gewesen seien.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen stand.

a) Der Antragsgegner hat die Berechtigung der Wohngeldansprüche zu keiner Zeit in Frage gestellt. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren nur noch die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche des Antragsgegners. Die Abweisung des zunächst hilfsweise geltend gemachten, auf Verpflichtung der Antragsteller zur Zahlung gerichteten Antrags vom 3.8.2001 hat der Antragsgegner mit der Beschwerde nicht angefochten. Dieser Antrag wurde vom Amtsgericht ausweislich der Gründe des Beschlusses vom 2.10.2001 abgewiesen, allerdings nicht ausdrücklich auch im Beschlusssatz. Der Gegenantrag vom 3.12.1999 wurde zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht. Insoweit wurde die Sache jedoch am 14.3.2002 übereinstimmend für erledigt erklärt.

b) Wohnungseigentümer sind auf die pünktliche Zahlung der Beiträge der einzelnen Wohnungseigentümer zur Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit angewiesen. Diese darf deshalb nicht durch eine Auseinandersetzung über Gegenansprüche gefährdet werden. Daher ist die Aufrechnung eines Wohnungseigentümers gemäß § 387 BGB gegen Wohngeldansprüche einschließlich der Ansprüche aus einer beschlossenen Sonderumlage nach allgemeiner Meinung und ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich ausgeschlossen. Sie ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Gegenüber solchen Forderungen kann nur mit anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen oder mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung aufgerechnet werden (BayObLG NZM 1998, 918 und 973; FGPrax 1999, 176 f.; Merle in Bärmann-Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 28 Rn. 132).

c) Ohne Rechtsfehler sind Amtsgericht und Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei den vom Antragsgegner zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht um Ansprüche aus Notgeschäftsführung handelt. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die Maßnahmen zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig waren (§ 21 Abs. 2 WEG). Aus dem eigenen Sachvortrag des Antragsgegners ergibt sich, dass er nur solche Maßnahmen getroffen hat, die erforderlich waren, um nachteilige Auswirkungen des mangelhaften Glasdachs auf sein Sondereigentum abzuwenden. Auch scheitert die Annahme einer Notgeschäftsführung daran, dass - wiederum nach dem eigenen Sachvortrag des Antragsgegners - die Mängel des Glasdachs seit Jahren Gegenstand von Erörterungen in der Eigentümergemeinschaft waren (BayObLG WE 1994, 154 f.; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 21 Rn. 40).

d) Die geltend gemachten Ansprüche könnten unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs des Antragsgegners gegen die Wohnungseigentümer begründet sein. Denn jeder Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf ordnungsmäßige Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG), der eine Instandsetzung in angemessener Zeit einschließt. Verletzen die Wohnungseigentümer die ihnen obliegende Instandsetzungspflicht, können sich daraus Schadensersatzansprüche eines Wohnungseigentümers ergeben (BayObLG NZM 2002, 705). Solche Ansprüche waren Gegenstand des Hilfsantrags vom 3.8.2001, der nicht mehr Gegenstand der Entscheidung ist. Da es sich dabei um bestrittene und nicht rechtskräftig festgestellte Ansprüche handelt, kommt eine Aufrechnung mit ihnen schon deshalb nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind nicht frei von Ermessensfehlern. Der Gegenantrag vom 3.12.1999 auf Verpflichtung der Wohnungseigentümer, eine Sanierung des Glasdachs in Auftrag zu geben, ist übereinstimmend für erledigt erklärt worden; ohne Hauptsacheerledigung hätte der Antrag voraussichtlich Erfolg gehabt. Dies folgt schon daraus, dass die Wohnungseigentümer am 8.11.2000 die vom Antragsgegner mit seinem Gegenantrag verlangte Sanierung des Glasdachs beschlossen haben. Im Hinblick darauf erscheint es angemessen, die Antragsteller jeweils mit einem Teil der Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht und des Beschwerdeverfahrens zu belasten und von der Erstattung außergerichtlicher Kosten in diesen beiden Rechtszügen abzusehen. Der Erfolg des Antragsgegners im Rechtsbeschwerdeverfahren beschränkt sich auf eine Änderung der Kostenentscheidung. Insoweit erscheint es dem Senat angemessen, dem Antragsgegner die Gerichtskosten aufzuerlegen, aber von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG).

Der Senat geht von folgenden Geschäftswerten aus: Der Zahlungsanspruch der Antragsteller beträgt rund 41000 DM. Der Gegenantrag vom 3.12.1999 auf Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Beseitigung der Mängel ist entsprechenden dem Interesse aller Wohnungseigentümer gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG mit einem Geschäftswert von 300000 DM anzusetzen. Dieser Wert ist aber, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zu den dadurch verursachten Kosten stünde, gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG auf 50000 DM zu ermäßigen. Außerdem hat der Antragsgegner mit seinem Hilfsantrag gemäß Schriftsatz vom 3.8.2001 die Verpflichtung der Antragsteller zur Zahlung der zur Aufrechnung gestellten Ansprüche in Höhe von rund 184000 DM verlangt. Daraus errechnet sich für das Verfahren vor dem Amtsgericht ein Geschäftswert von insgesamt 275000 DM. Im Beschwerdeverfahren war der hilfsweise gestellte Antrag nicht mehr Verfahrensgegenstand. Der Geschäftswert beträgt daher für das Beschwerdeverfahren zunächst nur noch etwa 91000 DM. Nach übereinstimmender Erledigterklärung bildeten die auf den erledigten Teil entfallenden Kosten in Höhe von rund 9000 DM zusammen mit dem Zahlungsantrag der Antragsteller den Verfahrensgegenstand. Der Geschäftswert beläuft sich ab diesem Zeitpunkt auf rund 50000 DM. Dieser Wert ist auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgebend. Entsprechend werden die Geschäftswerte für alle Rechtszüge unter Abänderung der Geschäftswertfestsetzungen durch das Amtsgericht und das Landgericht festgesetzt, für das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren allerdings in Euro.

Ende der Entscheidung

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