Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 95/01
Rechtsgebiete: WärmeschutzV, WEG


Vorschriften:

WärmeschutzV § 8
WEG § 21 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 22 Abs. 1
Zur Frage der Erneuerung einer mit Eternitplatten verkleideten Fassade als modernisierende Instandsetzung unter Anbringung einer zusätzlichen der WärmeschutzV entsprechenden Wärmedemmung.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer im Jahr 1972 errichteten Wohnanlage, die aus drei jeweils neunstöckigen Häusern mit insgesamt 188 Wohnungen besteht. Der Antragstellerin gehört seit 1997 ein Miteigentumsanteil von 3,92/1000.

An den mit Eternitplatten verkleideten Außenwänden der Gebäude traten Schäden auf. Die Sanierung der Fassaden war u.a. Gegenstand der Eigentümerversammlung vom 17.5.1999, in der die Wohnungseigentümer eine Fassadenerneuerung mit neuer Metallunterkonstruktion und neuer vorschriftsmäßiger Wärmedämmung sowie gleichzeitiger Betonsanierung beschlossen. Dieser Eigentümerbeschluss wurde von der Antragstellerin angefochten und in der Versammlung vom 16.11.1999 wieder aufgehoben. In dieser Versammlung wurde außerdem beschlossen, ein Gutachten zu Schadensursache, Schadensausmaß und zu erwartender Schadensentwicklung einzuholen, das außerdem unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit eine Sanierungsempfehlung unter Berücksichtigung der Unterkonstruktion, der Wärmedämmung und der Zuglufterscheinungen enthalten sollte.

Das Gutachten wurde am 20.5.2000 erstattet. Der Sachverständige stellte "verheerende Schädigungen und Abwitterungen" fest, die akute Sicherungsmaßnahmen im Umgriff der Gebäude erforderten, und sprach sich für eine Erneuerung der Fassade als technisch und wirtschaftlich sinnvollste Maßnahme aus. Am 3.8.2000 fand eine weitere Eigentümerversammlung statt. Der Versammlungsniederschrift zufolge trug der Sachverständige die wesentlichen Punkte seines Gutachtens vor. Anschließend erörterten die Wohnungseigentümer die einzelnen Sanierungsmöglichkeiten: zum einen die Reparatur der Fassade durch Befestigung der Platten und Austausch gebrochener Platten, zum anderen das Aufbringen einer neuen Beschichtung (Fassadenertüchtigung) und schließlich die Erneuerung der gesamten Plattenverkleidung; ferner besprachen sie die Finanzierungsmöglichkeiten.

Zu TOP 4a (Beschlussfassung über die technische Art der Fassadensanierung) beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, die "Reparaturvariante" solle umgehend an allen drei Häusern ausgeführt werden, und ferner:

Es soll eine Gesamterneuerung der Fassaden bis einschließlich 2007 erfolgen.... Die Erneuerung der Fassade des ersten Hauses soll im Jahr 2001 erfolgen, die des zweiten Hauses im Jahr 2004 und die des dritten Hauses im Jahr 2007.

Zu TOP 4a wurde außerdem beschlossen, die Betonsanierung und die Malerarbeiten sollten Gegenstand der jeweiligen Gesamterneuerung sein.

Zu TOP 4b beschlossen die Wohnungseigentümer, die derzeitige Instandhaltungsrücklage von 30 DM/m² Wohnfläche bis zum Abschluss der Gesamtsanierung beizubehalten, die Sanierung des ersten Hauses im Jahr 2001 aus der vorhandenen Instandhaltungsrücklage und die der weiteren Häuser teils aus der Rücklage, teils durch Sonderumlagen zu finanzieren.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 4a für ungültig zu erklären, soweit er die Gesamterneuerung der Fassaden bis einschließlich 2007 zum Gegenstand hat. Das Amtsgericht hat den Antrag am 2.2.2001 abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht durch Beschluss vom 9.5.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die von den Wohnungseigentümern beschlossene Fassadenerneuerung sei einschließlich der siebenjährigen Ausführungsdauer und der Finanzierung als Maßnahme der ordnungsmäßigen Instandsetzung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums einem Mehrheitsbeschluss zugänglich. Die Abgrenzung zwischen einer modernisierenden Instandsetzung und einer baulichen Veränderung erfordere eine sorgfältige Abwägung der unterschiedlichen Interessen, wenn wie hier eine eindeutige Zuordnung nicht von vornherein möglich sei und die Kosten der Herstellung eines neuen Zustands die Kosten einer bloßen Reparatur erheblich überschritten. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 20.5.2000 drei Möglichkeiten der Fassadensanierung aufgezeigt. Die Fassadenreparatur durch Austausch zerstörter Platten und die Fassadenertüchtigung unter Beibehaltung des größten Teils der Platten der nunmehr 27 Jahre alten Verkleidung wiesen aus technischer Sicht Nachteile auf. Einzelne neu angebrachte Platten beeinträchtigten durch zwangsläufige farbliche Abweichung den ästhetischen Gesamteindruck. Vorhandene Schadstellen würden zwar beseitigt, aber mit dem Entstehen neuer Schadstellen in anderen Bereichen sei stets zu rechnen. Die Fassadenertüchtigung erreiche nur eine maximale Lebensdauer von zehn bis fünfzehn Jahren; Nacharbeiten seien erforderlich. Demgegenüber erreiche die Fassadenerneuerung durch Austausch der Platten und Anpassung der Wärmedämmung an den heute geltenden Standard auch eine hohe Winddichtigkeit und eine Lebensdauer der Fassade von etwa 30 Jahren. Etwaige Folgekosten seien gering. Die Erstellung einer Kosten/Nutzenanalyse hinsichtlich der durch die neue Wärmedämmung zu erwartenden Heizkosteneinsparungen erscheine nicht erforderlich. Schwerpunkt der Maßnahme sei nicht die Aufstockung der Wärmedämmung, sondern die Neuverkleidung der veralteten und schadhaften Fassaden. Die Verteilung der Arbeiten auf sieben Jahre zur Erreichung eines ebenso langen Finanzierungsspielraums halte sich in einem wirtschaftlich vernünftigen Rahmen und belaste den einzelnen Wohnungseigentümer nicht unverhältnismäßig.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Bauliche Veränderungen, die der ordnungsmäßigen Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums dienen, können grundsätzlich als Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung durch Stimmenmehrheit von den Wohnungseigentümern beschlossen werden (§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2, § 22 Abs. 1 WEG). Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die für die Wohnanlage der Beteiligten maßgebende Gemeinschaftsordnung keine abweichende Regelung enthält. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GO unterliegt die Durchführung der Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten, die nicht aus den Rücklagen gedeckt werden können (außergewöhnliche Instandsetzungskosten), der Beschlussfassung der Eigentümerversammlung. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 GO entscheidet die Versammlung mit einfacher Stimmenmehrheit der vertretenen Miteigentumsanteile, sofern im Wohnungseigentumsgesetz oder in der Gemeinschaftsordnung nichts anderes bestimmt ist. Da die Gemeinschaftsordnung insoweit keine weitere Regelung enthält, bedarf es entgegen der Meinung der Antragstellerin für die Beschlussfassung über "außergewöhnliche Instandsetzungskosten" keiner qualifizierten Mehrheit oder Einstimmigkeit.

b) Unter Instandsetzung ist grundsätzlich die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustands zu verstehen (BayObLGZ 1989, 465/467). Der Senat hat darüber hinaus eine Maßnahme auch dann als eine solche ordnungsmäßige Instandsetzung angesehen, wenn sie sich nicht auf die bloße Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands in Form einer Reparatur beschränkte. Die Voraussetzungen einer sogenannten verbessernden oder modernisierenden Instandsetzung hat der Senat dabei im einzelnen dargestellt. Entscheidend ist eine Abwägung aller Vor- und Nachteile einer bloßen Reparatur des vorhandenen Zustands einerseits und der Herstellung eines neuen Zustands andererseits. Ist eine Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll und hält sie sich im Bereich erprobter und bewährter Techniken, so kann eine Instandsetzungsmaßnahme auch dann vorliegen, wenn der ursprüngliche Zustand des Gebäudes verändert wird (BayObLGZ 1988, 271/273 f. und 1990, 28/31; st.Rspr.). Nach diesen Grundsätzen hat der Senat es als eine mögliche Instandsetzungsmaßnahme angesehen, wenn statt einer gewöhnlichen Flachdachsanierung ein Pult- oder Walmdach angebracht werden sollte (BayObLG NZM 1998, 338/338 = WE 1998, 405 m. w. N.). Auch die Erneuerung einer Fassadenverkleidung unter Anbringung eines zusätzlichen Wärmeschutzes ist nach diesen Grundsätzen zu beurteilen (OLG Düsseldorf NZM 2000, 1067/1068).

c) Die Vorinstanzen haben die von der Rechtsprechung für die sogenannte modernisierende oder verbessernde Instandsetzung aufgestellten Grundsätze beachtet und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die Neuanbringung einer vollständigen Fassadenverkleidung auf einer Unterkonstruktion aus Metall anstelle der bisherigen hölzernen Unterkonstruktion eine ordnungsmäßige Instandsetzungsmaßnahme darstellt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich bei der erforderlichen Abwägung auf das von den Wohnungseigentümern eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Soweit die Antragstellerin dies beanstandet, fehlt es an einer Substantiierung ihrer Einwendungen gegen den Inhalt des Gutachtens.

Von der Einholung einer Kosten/Nutzenanalyse für die zusätzlich anzubringende Wärmedämmung hat das Landgericht ohne Rechtsfehler abgesehen. Diese Maßnahme ist eine notwendige Folge der Fassadenerneuerung, denn gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 WärmeschutzV sind bei der Erneuerung von Außenwänden an Wohngebäuden die Anforderungen der seit 1.1.1995 geltenden Wärmeschutzvorschriften einzuhalten. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage einer Amortisation der zusätzlichen Wärmedämmung stellt sich daher nicht.

d) Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich, dass sie sich nicht in erster Linie gegen die Erneuerung der Fassadenverkleidung als solche wendet, sondern gegen den mit dem angefochtenen Eigentümerbeschluss festgelegten Zeitplan für die Durchführung. Die Antragstellerin erstrebt eine Verschiebung der Arbeiten bis zu einem Zeitpunkt, zu dem diese allein aus der Rücklage finanziert werden können. Demgegenüber ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den Wohnungseigentümern bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ein Ermessensspielraum zusteht (vgl. BayObLG NZM 1999, 34/35 und 504/505 f.). Angesichts der festgestellten Schäden einerseits und der Größe der Wohnanlage, des Umfangs der Sanierungsarbeiten und der Höhe der zu erwartenden Kosten andererseits hält sich die Entscheidung der Wohnungseigentümer, mit den Arbeiten alsbald zu beginnen und ihre Durchführung auf einen Zeitraum von sieben Jahren zu erstrecken, innerhalb des ihnen zustehenden Ermessensspielraums.

Der Eigentümerbeschluss zu TOP 4b, der sich mit der Finanzierung der beschlossenen Maßnahmen befasst, ist nicht angefochten worden. Für die vom Landgericht vorgenommene Prüfung, ob die beschlossenen Zahlungen den Wohnungseigentümern und insbesondere der Antragstellerin zumutbar sind, bestand nach der Verfahrenslage kein Anlass (vgl. BayObLG WE 1998, 405).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren setzt der Senat in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG auf 74820 DM fest.

Ende der Entscheidung

Zurück