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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 95/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG 15 Abs. 3
BGB § 242
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Zur Frage der Verwirkung eines Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung, wenn in einem als Laden bezeichneten Teileigentum eine Gaststätte betrieben wird.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegner ist Eigentümer einer Teileigentumseinheit, die in der Teilungserklärung als Laden bezeichnet ist. Diese Teileigentumseinheit wurde bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der Teilungserklärung als Gaststätte genutzt. Der Antragsgegner erwarb die Teileigentumseinheit im Jahre 1987. Er verpachtete die Gaststätte mit Vertrag vom 26.3.1993. Das Pachtverhältnis läuft bis zum 31.3.2003.

In der Eigentümerversammlung vom 13.7.2000 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich folgenden Beschluss:

"Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, den Eigentümer der Einheit Nr. 2 laut Teilungserklärung, Herrn S. und den Eigentümer der Einheit Nr. 63 laut Teilungserklärung (Aufteilungsplan Nr. 66), Herr K., aufzufordern, die Nutzung des Restaurants bzw. des Cafes zum 31.12.2000 zu beenden und die beiden Einheiten nur noch als Laden, wie in der Teilungserklärung eingetragen, zu nutzen. Wird dieser Aufforderung zum 31.12.2000 nicht Folge geleistet, wird der Verwalter beauftragt und bevollmächtigt, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, und bei Gericht eine Nutzung entsprechend der Teilungserklärung zu verlangen."

Dieser Beschluss wurde durch einen weiteren Beschluss vom 31.5.2001 bestätigt.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, in seinem Sondereigentum keine Gaststätte zu betreiben, den Gaststättenbetrieb zu beenden und auch künftig keine Gaststätte mehr zu betreiben. Mit Beschluss vom 26.2.2002 hat das Amtsgericht dem Antragsgegner untersagt, sein Teileigentum als Gaststätte zu nutzen oder nutzen zu lassen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.8.2002 die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 45 Abs. 1 WEG statthaft. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen richten sich nach den Regelungen für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 43 Abs. 1 WEG). Auf die in den §§ 574 ff. ZPO normierten Regelungen kommt es deshalb im vorliegenden Verfahren nicht an (vgl. Demharter NZM 2002, 233 ff.).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich nicht aus den Eigentümerbeschlüssen vom 13.7.2000 und 31.5.2001. Die Beschlüsse enthielten lediglich eine Aufforderung an den Verwalter, nicht jedoch die unmissverständliche Aufforderung an den Antragsgegner, den Betrieb einer Gaststätte zu unterlassen. Ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG sei verwirkt. Der Antragsgegner dürfe nach einem über 23-jährigen Betrieb der Gaststätte darauf vertrauen, dass ein möglicher Unterlassungsanspruch nicht geltend gemacht werde. Dass eine Nutzungsänderung in der Weise stattgefunden habe, dass die Gaststätte durch Aufstellung zahlreicher Spielgeräte zu einem Spielsalon geworden sei, sei nicht substantiiert vorgetragen. Für behauptete Belästigungen fehle es an einer substantiierten Darlegung. Zeugen seien trotz mehrfacher Aufforderung nicht benannt worden.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass aus den Beschlüssen der Wohnungseigentümer vom 13.7.2000 und 31.5.2001 nichts zugunsten der Antragsteller hergeleitet werden kann. Zwar erscheint es nicht unbedingt zwingend, dass sich aus den Beschlüssen nicht die unmissverständliche Aufforderung an den Antragsgegner ergebe, den Betrieb einer Gaststätte zu unterlassen. Die Beschlüsse können jedoch, unabhängig von der Entscheidungskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung, schon deshalb keine Bindungswirkung begründen, weil sie nicht rechtsgestaltend die Nutzung als Gaststätte untersagt haben, sondern, ausgehend von einem bereits bestehenden Unterlassungsanspruch, den Verwalter lediglich zu Maßnahmen zur Durchsetzung dieses angenommenen Anspruchs beauftragt und bevollmächtigt haben.

b) Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Unterlassungsanspruch der Antragsteller verwirkt ist.

(1) Die Tatsachen, aus denen das Landgericht die Verwirkung abgeleitet hat, sind rechtsfehlerfrei festgestellt und des halb für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 27 Abs. 1 FGG).

Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, dass es das Landgericht unterlassen habe, vom Antragsteller benannte Zeugen zu hören, ist diese Rüge nicht bestimmt. Die Antragsteller haben weder vorgetragen, welche Zeugen hätten gehört werden sollen, noch was in das Wissen dieser Zeugen gestellt wird. Allein der Vortrag, die Zeugen hätten über Vorfälle aussagen können, die sich ereignet haben, ermöglicht es dem Senat auch unter Heranziehung des Akteninhalts nicht, einen Verfahrensfehler des Landgerichts festzustellen. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass von den Antragstellern behauptete Störungen zum einen nicht ausreichend spezifiziert sind und zum anderen nicht klar ist, ob diese Störungen von der Teileigentumseinheit des Antragsgegners oder von einer anderen Gaststätte ausgehen.

(2) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme der Verwirkung.

Unterlassungsansprüche wegen einer vereinbarungswidrigen Nutzung sind verwirkt, wenn seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Gegenstand der Verwirkung können auch einzelne Ansprüche aus einem dinglichen Recht sein. Für Unterlassungsansprüche gilt dies jedenfalls dann, wenn die Rechtsverletzung - wie hier eine zweckwidrige Nutzung - auf einem bestimmten, abgeschlossenen Eingriff beruht (BayObLG NJW-RR 1991, 1041).

Am Zeitmoment kann angesichts des Umstandes, dass in dem Teileigentum bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Antragsgegner im Jahre 1987 eine Gaststätte betrieben wurde, kein Zweifel bestehen.

Auch das Umstandsmoment ist erfüllt. Der Antragsgegner konnte bereits bei Erwerb des Teileigentums darauf vertrauen, dass die Räume als Gaststätte genutzt werden können, weil bereits eine solche Nutzung tatsächlich stattfand. Da von ihm eine Unterlassung der Nutzung auch in der weiteren Zeit nicht begehrt wurde, konnte der Antragsgegner auch bei Abschluss des Pachtvertrages vom 26.3.1993 auf die fortbestehende Nutzungsmöglichkeit vertrauen. Ob darüber hinaus durch die Aufforderung an den Antragsgegner, für die Entsorgung seines eigenen Mülls zu sorgen, ein weiterer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, kann angesichts dieser Umstände dahinstehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, die Antragsteller mit den Gerichtskosten zu belasten, da sie unterlegen sind. Dagegen liegen keine Umstände vor, die die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten rechtfertigen würden.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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