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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 96/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 2
Ein Versammlungsbeschluß ist trotz Einberufungsmängel nicht ungültig, wenn er auch trotz der Mängel geschlossen worden wäre.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Dem Antragsteller gehört die im 2. Obergeschoss (Dachgeschoss) gelegene Wohnung Nr. 15.

In der Eigentümerversammlung vom 12.3.2001, an der der Antragsteller nicht teilnahm, beschlossen die Wohnungseigentümer, folgenden neuen Tagesordnungspunkt 6 aufzunehmen: Verbot des Einbaus eines Kaminofens in der Wohnung Nr. 15.

Im Anschluss daran fassten die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

Dem Eigentümer der Wohnung Nr. 15 wird untersagt, einen Kaminofen an die bestehenden Notkamine oder in anderer Weise an das Gemeinschaftseigentum anzuschließen. Die Verwaltung hat unverzüglich per Einschreiben-Rückschein dem Antragsteller den Anschluss zu untersagen. Der Bezirkskaminkehrermeister wird durch die Verwaltung über dieses Schreiben informiert. Bei Zuwiderhandlung des Eigentümers der Wohnung Nr. 15 gegen diesen Beschluss ist die Einschaltung eines Anwaltes und Klage auf Rückbau des Kaminofens beim zuständigen Gericht zu stellen.

Im April 2001 baute der Antragsteller den Kachelofen in seiner Wohnung auf und schloss ihn an den vorhandenen Kamin an, nahm ihn aber bisher nicht in Betrieb.

Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 12.3.2001 für ungültig zu erklären und die Antragsgegner zu verpflichten, dem Anschluss des Kachelofens an den vorhandenen Gemeinschaftskamin zuzustimmen. Das Amtsgericht hat die Anträge am 20.9.2001 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss am 21.8.2002 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die formalen Mängel beim Zustandekommen des angefochtenen Eigentümerbeschlusses, nämlich unterbliebene Ladung des Antragstellers und unterbliebene Aufnahme des Beschlussgegenstands in das Einberufungsschreiben, seien nicht ursächlich für das Zustandekommen des Beschlusses gewesen. Dafür spreche insbesondere, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 26.6.2002 in Kenntnis der Argumente des Antragstellers sich einstimmig gegen dessen Vorhaben ausgesprochen hätten.

Der Eigentümerbeschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Ein Betrieb des an den im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Kamin angeschlossenen Kachelofens würde zu nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer führen. Aus dem Sachverständigengutachten ergebe sich, dass ohne Veränderung des Kamins eine Beeinträchtigung durch Rauch, Funkenflug und Rußentwicklung nicht auszuschließen sei. Ob die von dem Sachverständigen zur Vermeidung solcher Beeinträchtigungen für notwendig erachteten baulichen Veränderung von den Wohnungseigentümern hingenommen werden müssten, brauche nicht entschieden zu werden.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Angelegenheiten der Wohnungseigentümer werden, soweit diese darüber durch Beschluss entscheiden können, in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet (§ 23 Abs. 1 WEG). Zur Gültigkeit eines Eigentümerbeschlusses ist es erforderlich, dass der Beschlussgegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist (§ 23 Abs. 2 WEG). Geladen werden müssen zu der Eigentümerversammlung alle Wohnungseigentümer. Wird gegen diese Regelungen verstoßen, führt dies zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Eigentümerbeschlüsse. Die formalen Mängel haben aber dann nicht die Ungültigerklärung der gefassten Beschlüsse zur Folge, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sie bei Vermeidung der Mängel anders gefasst worden wären (allgemeine Meinung, z.B. BayObLGZ 1992, 79/82).

Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die unterbliebene Ladung des Antragstellers zu der Eigentümerversammlung vom 12.3.2001 und das Fehlen eines Tagesordnungspunktes in dem Einberufungsschreiben, der den Beschlussgegenstand bezeichnet, keine Auswirkungen auf den angefochtenen Eigentümerbeschluss hatten, dieser also in gleicher Weise gefasst worden wäre, wenn ein entsprechender Tagesordnungspunkt in das Einberufungsschreiben aufgenommen und der Antragsteller zu der Versammlung geladen worden wäre. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass sich die Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 26.6.2002 mit dem gerichtlichen verfahren über die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses und den Verpflichtungsantrag des Antragstellers befasst und sich einstimmig gegen das Vorhaben des Antragstellers entschieden haben. Im Hinblick darauf kann als feststehend davon ausgegangen werden, dass die Wohnungseigentümer ohne die Mängel der Einberufung zu der Versammlung vom 12.3.2001 den angefochtenen Beschluss in gleicher Weise gefasst hätten.

b) Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, von seinem Sondereigentum und den im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht (§ 14 Nr. 1 WEG).

(1) Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler aufgrund des Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass bei einem Anschluss des Kachelofens an den bestehenden Kamin ohne zusätzliche bauliche Veränderungen mit Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer durch Rauch, Funkenflug und Rußentwicklung zu rechnen ist. Denn der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, nur bei Beachtung der von ihm "vorgegebenen Daten und Angaben" könne eine Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer ausgeschlossen werden.

(2) Das Landgericht hat allerdings nicht beachtet, dass der Antragsteller im Schriftsatz vom 5.7.2002 seinen Verpflichtungsantrag geändert hat. Er hat ausgeführt, er werde die Vorgaben des Sachverständigen in dessen Gutachten erfüllen; seinem Antrag sei daher unter entsprechenden Auflagen stattzugeben. Das Landgericht hat sich mit diesem geänderten Antrag nicht auseinandergesetzt. Es hätte der Frage nachgehen müssen, ob die Wohnungseigentümer verpflichtet sind, dem Anschluss des Kachelofens an den Kamin unter der Bedingung zuzustimmen, dass die von dem Sachverständigen in seinem Gutachten genannten Auflagen erfüllt sind. Dieser Mangel führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, weil dazu tatsächliche Ermittlungen in Betracht kommen können.

Die Wohnungseigentümer sind dann nicht verpflichtet, den Anschluss zu dulden, wenn sie durch die zur Erfüllung der von dem Sachverständigen genannten Bedingungen erforderlichen Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer durch Rauch, Funkenflug und Rußentwicklung hat der Sachverständige bei Einhaltung der von ihm genannten Auflagen allerdings ausgeschlossen. Beeinträchtigungen können sich aber unter dem Gesichtspunkt einer nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks des Gebäudes durch den erforderlichen Kaminaufsatz ergeben. Eine Beeinträchtigung haben die Wohnungseigentümer in dem Eigentümerbeschluss vom 26.6.2002 in der nach dem Sachverständigengutachten erforderlichen Verschließung der Belüftungsöffnung in dem gemeinschaftlichen Abstellraum abgesehen, weil dieser dann keine Luftzufuhr mehr besitze. Das Landgericht wird sich insbesondere mit den in diesem Eigentümerbeschluss aufgeführten Einwendungen der Wohnungseigentümer gegen die von dem Sachverständigen für notwendig gehaltenen Maßnahmen auseinander zu setzen haben. Sollte dem geänderten Verpflichtungsantrag stattzugeben sein, wird der angefochtene Eigentümerbeschluss vom 12.3.2001 keinen Bestand haben können.

3. Den Geschäftswert setzt der Senat gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 5000 EUR fest. Er trägt dabei der besonderen Bedeutung Rechnung, die sowohl von dem Antragsteller als auch von den Antragsgegnern der Frage beigemessen wird, ob die Wohnungseigentümer einen Anschluss des Kachelofens an den Kamin zu dulden haben.

Ende der Entscheidung

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