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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.05.2002
Aktenzeichen: 3 ObOWi 22/02
Rechtsgebiete: SGB III, SGB VI


Vorschriften:

SGB III 304 Abs. 1
SGB III § 306 Abs. 1 Satz 1
SGB IV 107 Abs. 1
Dem zur Mitwirkung an einer Prüfung gemäß § 304 Abs. 1 SGB III verpflichteten Arbeitnehmer (§ 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III) muß weder die Prüfung angekündigt werden noch darf er einen Anwalt beiziehen.
Tatbestand:

Die Betroffenen sind ungarische Staatsangehörige. Sie waren ab Juli bzw. August 2000 als Arbeitnehmer der ungarischen Firma V.K. im Rahmen eines Werkvertrages auf dem Betriebsgelände der Firma A. in T. entsprechend den ihnen erteilten Arbeitsgenehmigungen tätig.

Am 11.9.2000 fand auf dem genannten Betriebsgelände eine Überprüfung dieses Werkvertrages gemäß §§ 304 ff. SGB III und § 107 SGB IV durch Mitarbeiter des Arbeitsamts P. statt. Die Betroffenen wurden nacheinander gesondert zu ihren Personalien, Art und Beginn der Tätigkeit, Arbeitgeber, Arbeitszeit, Nettolohn in Deutschland und Zusatzlohn im Heimatland, Zusatzleistungen und Abzügen sowie zu Zahlungen an den Arbeitgeber befragt. Hierbei wurden sie über ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Buch und die Folgen fehlender Mitwirkung belehrt. Der Betroffene K.-P. machte die geforderten Angaben, verweigerte aber die Unterschrift. Der Betroffene B. beantwortete schon die neunte Frage nicht mehr und leistete auch nicht die Unterschrift. Die übrigen Betroffenen machten nur noch Angaben zur Person, der Betroffene M. auch zu seiner Tätigkeit, und verweigerten die Unterschrift.

Die Betroffenen begründeten ihre Weigerung zur weiteren Mitwirkung jeweils damit, dass sie das Recht hätten, einen Anwalt beizuziehen. Dies habe ihnen der sie befragende Mitarbeiter des Arbeitsamts nicht gestattet. Die Betroffenen nahmen bei ihrer Weigerung billigend in Kauf, dass ihre auf die Auffassung des Rechtsanwalts der Firma V.K., des Herrn B., gestützte Rechtsansicht falsch war.

Das Amtsgericht verurteilte am 30.10.2001 wegen vorsätzlichen Nichtmitwirkens an einer Prüfung die Betroffenen K.-P. und jeweils zu einer Geldbuße von 1220 DM und die Betroffenen S., K., M. und S. zu Geldbußen von je 250 DM.

Die Rechtsbeschwerden blieben mit Ausnahme derjenigen des K.-P. ohne Erfolg.

Gründe:

1. Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen K.-P. wegen Nichtmitwirkens an einer Prüfung nach § 404 Abs. 2 Nr. 17 SGB III nicht. Ausweislich des angefochtenen Urteils hatte der Betroffene K.-P. die von ihm geforderten Auskünfte nicht schriftlich, sondern mündlich zu erteilen. Denn ihm wurde nicht auferlegt, diese Auskünfte mittels eines von ihm vorzulegenden Schriftstücks zu erteilen. Vielmehr wurden die von ihm mündlich erteilten Auskünfte von einem Mitarbeiter des Arbeitsamts in einem Formular festgehalten. Die Aufforderung durch den Behördenangehörigen an die auskunftspflichtige Person, dieses Formular nach mündlicher Abgabe der geforderten Erklärungen zu unterzeichnen, ändert nicht die Art des Auskunftsverlangens, sondern entspricht der im Bußgeldverfahren vorgeschriebenen Verfahrensweise, nämlich der Vorlage eines Protokolls zur Genehmigung und zur Unterschrift an den Zeugen gemäß § 168 a Abs. 3 Sätze 1 und 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Ein solches Vorgehen ist zwar bei der behördlichen Niederschrift von Auskünften zweckmäßig, die gemäß § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III erteilt werden. Sie wird aber weder durch die Verfahrensvorschriften des SGB X allgemein noch durch das SGB III speziell für die nach § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu erteilenden Auskünfte vorgeschrieben. Die in § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III normierte Auskunftspflicht ist deswegen bei der mündlichen Auskunft erfüllt, sobald sie mündlich vollständig und richtig erteilt ist. Die Weigerung, eine von einem Behördenangehörigen über eine solche Auskunft gefertigte Niederschrift zu unterzeichnen, verstößt deshalb nicht gegen § 404 Abs. 2 Nr. 17 SGB III.

2. Die Rechtsbeschwerden der übrigen Betroffenen sind unbegründet.

Das Rechtsbeschwerdegericht hat die angefochtene Entscheidung nur sachlich-rechtlich zu überprüfen, da die Betroffenen lediglich die Sachrüge in zulässiger Form erhoben haben. Für diese Prüfung steht dem Senat nur die Urteilsurkunde zur Verfügung (vgl. z.B. BGHSt 35, 238/241). Deswegen hat das gesamte urteilsfremde Vorbringen in den Rechtsbeschwerden, etwa dass sich die Mitarbeiter des Arbeitsamts P. schon früher oder bei der gegenständlichen Überprüfung gegenüber der Firma V.K. oder ihren Mitarbeitern nicht korrekt verhalten hätten, außer Betracht zu bleiben. Nichts anderes gilt für den Vortrag des Betroffenen S., von ihm sei keine Auskunft verlangt worden.

Die von den Betroffenen ausweislich des angefochtenen Urteils verlangten Auskünfte hatten sie gemäß § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu erteilen. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer noch keinen Lohn ausbezahlt bekommen hat - auch dies ist im angefochtenen Urteil nicht festgestellt - würde die Pflicht zur Beantwortung der Fragen nach seinem Nettolohn in Deutschland etc. nicht entfallen lassen. Er hätte dann die entsprechenden Vereinbarungen mit seinem Arbeitgeber offen zu legen und darauf hinzuweisen, dass noch keine Lohnauszahlung stattgefunden hat.

Die Betroffenen waren auch nicht berechtigt, die Erteilung der von ihnen geforderten Auskünfte zu verweigern, bis ihnen ein von ihnen mandatierter Rechtsanwalt zur Seite stand. Arbeitnehmer, von denen im Rahmen einer bei ihrem Arbeitgeber nach § 304 SGB III durchgeführten Prüfung Auskünfte gemäß § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III verlangt werden, haben so wenig wie ihr Arbeitgeber einen Anspruch darauf, dass ihnen eine solche Prüfung vor ihrer Durchführung angekündigt wird. Allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze verlangen nicht, dass geplante Kontrollen von Betrieben durch die Verwaltungsbehörden den Betriebsinhabern oder davon betroffenen Arbeitnehmern stets vorher mitgeteilt werden müssen. Auch die Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs X. Buch über das Verwaltungsverfahren wie diejenigen des Sozialgesetzbuchs III. Buch über die Durchführung der Prüfung nach § 304 SGB III schreiben dies nicht vor. ordnet aber der Gesetzgeber (anders als etwa in § 197 AO für die Außenprüfung) für ein bestimmtes Prüfungsverfahren nicht an, dass die Verwaltung dem Betroffenen eine geplante Prüfung vorher anzuzeigen hat, so ist die Verwaltungsbehörde hierzu im Einzelfall jedenfalls ohne Hinzutreten ganz besonderer Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, auch nicht verpflichtet. Die unterbliebene Ankündigung der Befragung eines Arbeitnehmers nach § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III erweitert deshalb auch nicht sein in § 306 Abs. 1 Satz 3 SGB III normiertes Auskunftsverweigerungsrecht.

Das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Recht auf ein faires Verfahren normiert auch keinen generellen Anspruch des auskunftspflichtigen Arbeitnehmers, vor der Erteilung von Auskünften nach § 306 Abs. 1 Satz 1 SGB III einen Rechtsanwalt zu konsultieren und Erklärungen nur in Abstimmung mit ihm abzugeben. Die vom Bundesverfassungsgericht zum Anspruch des Zeugen auf einen Beistand im Strafverfahren,(vgl. dazu StV 1993, 313; AnwBl 1983, 456; BVerfGE 38, 105; vgl. auch BGH NStZ 1989, 484) aufgezeigten Grundsätze machen deutlich, dass der Zeuge in einem Verwaltungsverfahren, das ohnehin schon nicht die Aufdeckung oder Ahndung von Ordnungswidrigkeiten oder von Straftaten zum Gegenstand hat, das auch nicht die .....



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