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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 3 ObOWi 4/02
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 25b
In einem Bebauungsplan können auch für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke unter entsprechenden Voraussetzungen baumschützende Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB getroffen werden.
Tatbestand:

Die Ehefrau des Betroffenen ist Eigentümerin eines im Gemeindegebiet D., Ortsteil St. G. gelegenen landwirtschaftlichen Anwesens, das auf einer Seite von einer weithin sichtbaren ortsbildbestimmenden Ahornallee begrenzt wird. Die längs der J.-F.-S. stehenden ca. 90 Jahre alten Alleebäume sind in dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan "D. IIk - Am Kirchberg" nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB als zu erhaltender Bestand eingetragen. In Kenntnis dieses Umstands und ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis fällte der Betroffene Ende August 1 999 vier dieser auf einem Grundstück seiner Ehefrau (Fl. Nr. der Gemarkung St. G.) stehenden Alleebäume. Drei der Bäume waren gesund und einer wies lediglich eine Beschädigung an der Rinde auf, die jedoch seine Standfestigkeit nicht beeinträchtigte.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 14.9.2001 wegen vorsätzlicher Fällung von Bäumen, die durch Bebauungsplan zur Erhaltung gesichert sind, zur Geldbuße von 7000 DM. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

Gründe:

Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe lassen die nach den Gesamtumständen gebotene Erörterung eines Verbotsirrtums vermissen und sind deshalb unvollständig.

Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter allerdings die baumschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB als rechtmäßig und damit als wirksam erachtet (vgl. Gaentzsch in Berliner Kommentar zum BauGB 2. Aufl. § 10 Rn. 14 m.w.N.).

Insoweit kann dahinstehen, ob das Vorbringen der Rechtsbeschwerde zutrifft, Anzahl und Standort der Alleebäume seien im Bebauungsplan nicht wirklichkeitsgetreu wiedergegeben worden. Bei einer Sicherungsfeststellung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB reicht eine schematische planerische Wiedergabe jedenfalls dann aus, wenn sich - wie hier - Art und Umfang der Sicherung zweifelsfrei aus dem vorhandenen Bestand eines Ensembles ergeben (vgl. Gierke in Brügelmann Baugesetzbuch - Stand: September 2001 - § 9 Rn. 415).

Der Wirksamkeit der baumschützenden Feststellungen steht auch nicht die landwirtschaftliche Nutzung des betroffenen Grundstücks entgegen.

Zwar hat der Gesetzgeber land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke grundsätzlich dem Regelungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB entzogen. Eine am Normzweck orientierte Auslegung gebietet jedoch eine restriktive Anwendung dieser Ausnahmeregelung. Ihr lag die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass städtebauliche Gründe es nicht erfordern, Regelungen über die Bepflanzung land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke in einem Bebauungsplan zu treffen (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zur Novelle 1976 des BauGB, BT-Drucks 7/2496 S. 84 zu 29). Dieser Gesichtspunkt und das der Festsetzung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in einem Bebauungsplan gemäß Nr. 1,8 immanente Planungsziel, diese Nutzungsart zu sichern und zu fördern (vgl. BVerwG BRS 23 Nr. 129), geben der Landwirtschaftsklausel in Nr. 25 ihre inhaltliche Ausformung und Begrenzung. Demnach ist die Sicherung der uneingeschränkten "Grünnutzung" das entscheidende Kriterium. Landwirtschaftliche Grundstücke sollen nicht ausnahmslos jeglicher planerischer Feststellung gemäß Nr. 25 entzogen werden, sondern es soll verhindert werden, dass - gleichsam als Normalfall - mit der Festsetzung von Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung auch die Bepflanzung der Flächen reguliert wird (Gaentzsch § 9 Rn. 61; Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Krautzberger BauGB - Stand: Mai 2001 - § 9 Rn. 159).

Ob dies dazu führt, dass landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bereits dann Festsetzungen gemäß Nr. 25 zugänglich sind, wenn dadurch die uneingeschränkte "Grünnützung" nicht berührt wird, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Sie sind es jedenfalls dann, wenn die baumschützende Festsetzung über die städtebauliche Zielsetzung der Nr. 25 hinaus auch noch andere planerische Zwecke verfolgt, die ebenfalls in § 9 Abs. 1 BauGB begründet sind und dort auch für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke getroffen werden können (Gaentzsch aaO; Bielenberg aaO). In Betracht kommen insoweit insbesondere Gründe des Natur- und Landschaftsschutzes gemäß Nr. 20. Bei einer Überlagerung dieser beiden Zielvorgaben können die natur- und landschaftsschützenden Gesichtspunkte unbeschadet der Subsidiaritätsklausel in Nr. 20 Eingang in die städtebaulichen Festsetzungen nach Nr. 25 finden (Bielenberg § 9 Rn. 107, 111, 159, 162; Gaentzsch § 9 Rn.. 47 f., 61; Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB 8. Aufl. § 9 Rn. 70, 95). Diese gewinnen dadurch eine außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Ausschlussklausel liegende - weitere - Legitimierung.

Nach Maßgabe dieser Kriterien bestehen gegen die Wirksamkeit der getroffenen Festsetzung keine durchgreifenden Bedenken.

Die geschützten Bäume haben durch ihre Randlage entlang einer Straße die uneingeschränkte Nutzbarkeit des angrenzenden landwirtschaftlichen Grundstücks nicht beeinträchtigt und aufgrund der Art der Bäume (Ahorn), ihres Alters und ihrer Funktion als Teil einer grundstücksübergreifenden Allee ist auch auszuschließen, dass sie selbst Gegenstand forst- oder landwirtschaftlicher Nutzung waren. Zudem diente die festgesetzte Bindung für die Erhaltung der Bäume neben städtebaulichen auch natur- und landschaftsschützenden Zielvorgaben. Durch ihre enge räumliche Verbindung mit den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen prägte die Allee nicht nur das Orts-, sondern auch das Landschaftsbild und nahm deshalb auch um dieser Qualität willen an der Festschreibung teil.

Die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen halten jedoch materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sie der gebotenen Erörterung eines Verbotsirrtums entbehren. Die Feststellung, der Betroffene habe den Bebauungsplan gekannt und gewusst, dass die Bäume als schützenswerter Bestand gesichert gewesen seien, ist unvollständig. Der Betroffene hat sich ausweislich der Urteilsgründe nämlich mit dem Hinweis verteidigt, wegen der landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks habe keine wirksame Regelung durch Satzung erfolgen können (UA S. 3). Er hat damit geltend gemacht, dass er die Landwirtschaftsklausel in § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB weit auslegt und aus diesem Grund insoweit folgerichtig (vgl. Gaentzsch § 10 Rn. 14) - sein Handeln für erlaubt gehalten habe. Er hat sich also auf einen Verbotsirrtum berufen, mit dem sich der Tatrichter hätte auseinandersetzen müssen. Das Fehlen derartiger Erörterungen begründet einen sachlichrechtlichen Urteilsmangel (vgl. BGHSt 25, 365/67).

Darüber hinaus erweist sich auch die zulässig erhobene Rüge der unrichtigen Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags (§ 244 Abs. 3 StPO, § 77 Abs. 2 Nr. 1, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) als begründet.

Der Tatrichter stützt seine Überzeugung vom Zustand der gefällten Bäume auf Lichtbilder sowie auf die Aussagen der Zeugen H. und Dr. S., wobei sowohl die Lichtbilder als auch die Zeugenaussagen jeweils nur den Zustand der bereits gefällten Bäume wiedergeben (UA S. 5). Bei dieser Beweislage durfte der Antrag auf Vernehmung des sachverständigen Zeugen W. dazu, dass dieser die Bäume noch vor dem Fällen gesehen und für krank befunden hat, nicht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden. Der insoweit dem Gericht eingeräumte Ermessensspielraum findet seine Grenze in der Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Die Aufklärungspflicht zwingt im Rahmen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG jedenfalls zur Erhebung solcher Beweise, deren Benutzung sich nach der Sachlage aufdrängt oder zumindest nahe liegt (Rebmann/Roth/Herrmann OWiG - Stand: Januar 2002 77 Rn. 11, 4 m.w.N.).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der benannte Zeuge W. verfügte als Gärtnermeister und Inhaber einer Baumschule im Gegensatz zu den vernommenen Zeugen über besondere Sachkunde und er konnte Angaben zum Zustand der Bäume vor dem Fällen machen. Die Ablehnung der Vernehmung dieses Zeugen überschreitet deshalb die Grenzen des dem Tatrichter in § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG eingeräumten Ermessens und ist insoweit der Überprüfung durch den Senat zugänglich (vgl. BGHSt 10, 327/329).

Dieser Verstoß zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils auch im Schuldspruch. Zwar würde eine Vorschädigung der Bäume die Schutzwirkungen der Festsetzung nicht ohne weiteres beseitigen und ein insoweit möglicherweise bestehender Anspruch auf Erteilung einer Fällgenehmigung hätte weder tatbestandsausschließende noch rechtfertigende Wirkungen (vgl. Tröndle/ Fischer StGB 50. Aufl. Vor § 324 Rn. 10 m.w.N.). Das Vorliegen erheblicher Baumschäden hätte aber Bedeutung für den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, der eine wesentliche unverzichtbare Grundlage für die Bußgeldbemessung bildet. Die insoweit bestehenden Feststellungsmängel stellen deshalb auch den Schuldspruch in Frage (vgl. BGHSt 33, 59).



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