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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.09.2003
Aktenzeichen: 3 ObOWi 61/03
Rechtsgebiete: PflSchG, OWiG


Vorschriften:

PflSchG § 2 Nr. 13
PflSchG § 40 Abs. 1 Nr. 6
OWiG § 130 Abs. 1 Satz 1
1. Ein Vorrätighalten von Pflanzenschutzmitteln zur Abgabe gemäß § 2 Nr. 13 PflSchG setzt eine Absicht zur Abgabe voraus. Diese muss noch nicht durch konkrete Handlungen nach außen erkennbar geworden sein, bedarf jedoch als eigenständiges Tatbestandsmerkmal der tatrichterlichen Feststellung.

2. Die Verletzung der Aufsichtspflicht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG erfordert absichtliche Begehung der Zuwiderhandlung, wenn diese als Ordnungswidrigkeit nur bei solcher mit Geldbuße bedroht ist.


Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen zur Geldbuße von 200 EUR.

Mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragte, rügte der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Die mit gesondertem Beschluss zugelassene Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG) hatte in der Sache Erfolg und führte zur Freisprechung des Betroffenen.

Gründe:

1. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Betroffene war bis 2001 Vorstandsmitglied der Raiffeisenkasse A. eG. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel der Handel mit Pflanzenschutzmitteln, den die Genossenschaft in einem dort befindlichen Lagerhaus mit Kundenverkehr betrieb. Den Geschäftsverkehr führte der dem Betroffenen unmittelbar unterstellte Mitarbeiter L. Der Betroffene unterließ es, diesen über die einschlägigen pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen zu unterrichten und ihn stichprobenartig zu kontrollieren. Als ein Kunde acht Packungen Wühlmaus-Köder Arrex zu je 100 g mit 2 % Zinkphosphidgehalt wegen Ablaufs der Zulassung retournierte, bewahrte sie der Mitarbeiter zusammen mit anderen Pflanzenschutzmitteln in dem abgeschlossenen Lagerraum des Betriebs auf. Er hatte es - entgegen der üblichen Verfahrensweise in derartigen Fällen - infolge Unachtsamtkeit versäumt, die zur Entsorgung vorgesehenen Mittel mit dem Vermerk "nicht zum Verkauf" zu versehen. Diese standen damit einem Wiederverkauf zur Verfügung.

2. Dieser Sachverhalt trägt nicht die Verurteilung wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen gemäß § 130 OWiG.

Dies würde voraussetzen, dass eine schuldhafte Verletzung von Aufsichtspflichten durch den Betroffenen ursächlich geworden ist für eine Zuwiderhandlung gegen Pflichten, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. An einer derartigen Zuwiderhandlung fehlt es hier.

Ein Inverkehrbringen nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG liegt entgegen der Auffassung des Tatgerichts nicht vor. Nach dem festgestellten Sachverhalt könnte insoweit allenfalls die Tatvariante "Vorrätighalten zur Abgabe" in Betracht kommen (vgl. § 2 Nr. 13 PflSchG), da eine "Abgabe" nicht erfolgt ist und es für das "Anbieten" oder "Feilhalten" an der erforderlichen Außenwirkung fehlt (vgl. Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze - Stand: Mai 2003 - PflSchG § 2 Rn. 15).

Ein Vorrätighalten zur Abgabe liegt - entgegen der vom Tatrichter vertretenen Auffassung - nicht schon dann vor, wenn aufgrund unzulänglicher Kennzeichnung oder räumlicher Trennung der retournierten Waren die Möglichkeit einer - versehentlichen - erneuten Abgabe besteht. Erforderlich ist vielmehr als zusätzliches Begriffsmerkmal die innere Absicht der Abgabe. Diese muss noch nicht durch konkrete Handlungen nach außen erkennbar geworden sein, bedarf jedoch als eigenständiges Tatbestandsmerkmal der tatrichterlichen Feststellung. Insoweit gilt nichts anderes als bei dem "Vorrätighalten zum Verkauf" im Sinn von § 7 Abs. 1 LMBG (vgl. zur dortigen Rechtslage OLG Düsseldorf LRE 20, 351; Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht - Stand: November 2002 - LMBG § 7 Rn. 13 m.w.N.).

Die Feststellung zur subjektiven Tatseite des Vorrätighaltens ist auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Zuwiderhandlung gegen § 40 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG hier nicht Grundlage der Ahndung, sondern Bezugstat der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 Abs. 1 OWiG ist. Als solche ist sie objektive Bedingung der Ahndung und muss deshalb nicht von Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Aufsichtspflichtigen umfasst sein (Göhler OWiG 13. Aufl. § 130 Rn. 17 m.w.N.). Bei dem Zuwiderhandelnden muss dagegen vorsätzliche Begehungsweise vorliegen, wenn nur diese mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Andernfalls würde der Aufsichtspflichtige durch die als Auffangtatbestand zu verstehende Vorschrift des § 130 OWiG (vgl. OLG Düsseldorf VRS 77, 375/376 m.w.N.) schlechter gestellt werden als wenn er selbst als Täter die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen hätte (BayObLG wistra 1999, 71/73; Göhler § 130 Rn. 21; KK/ Rogall OWiG 2. Aufl. § 130 Rn. 75).

Aus denselben Erwägungen muss beim Zuwiderhandelnden Vorsatz in qualifizierter Form vorliegen, wenn die Bezugstat solchen voraussetzt. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Bedingung einer Ahndung nach § 130 OWiG nur dann vorliegt, wenn der Mitarbeiter, der Zeuge L., die retournierte Ware mit Abgabeabsicht vorrätig gehalten hat. Dies war nach den getroffenen Feststellungen nicht der Fall. Die Ware sollte vielmehr entsorgt werden und es unterblieb lediglich versehentlich die Anbringung eines entsprechenden Vermerks. Dies ergibt sich zwar nicht eindeutig aus der tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellung im engeren Sinn auf Seite 2/3 des Urteils, aber aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (vgl. insoweit LR/Hanack StPO 25. Aufl. § 337 Rn. 135 m.w.N.). Das Amtsgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung auf Seite 3/4 des Urteils die entsprechende Aussage des Zeugen L. wiedergegeben und diese erkennbar als inhaltlich zutreffend erachtet.



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