Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.10.2001
Aktenzeichen: 3 ObOWi 73/01
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 81 Abs. 2
Hat die Staatsanwaltschaft im Bußgeldverfahren keinen Antrag gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG gestellt, so verbleibt ihr nur das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, wenn nicht der Tatrichter von Amts wegen in das Strafverfahren übergeleitet hatte.
Tatbestand:

Die Betroffene erhielt im Jahr 1994 einen Rüden der Rasse "American Staffordshire Terrier" geschenkt, den sie bei ihrer Wohnsitzgemeinde anmeldete. Bei dieser Anmeldung ging es nur um die Hundesteuer; die Betroffene nannte dabei nicht die ihr bekannte Rasse des Hundes und wurde auch nicht danach gefragt.

Im Jahr 1995 schaffte sie sich eine Hündin gleicher Rasse an, die von ihrem Freund für sie ebenfalls bei der Gemeinde wegen der Hundesteuer angemeldet wurde. Die Betroffene wusste, dass für Kampfhunde besondere Vorschriften gelten, erfuhr aber erst am 10.7.2000 positiv, dass für das Halten derartiger Hunde eine Erlaubnis erforderlich sei.

Am 4.8.2000 beantragte die Betroffene eine Erlaubnis zum Halten der beiden Hunde. Das gegen den ablehnenden Bescheid der Gemeinde vom 22.8.2000 eingelegte Rechtsmittel nahm die Betroffene am 8.9.2000 zurück.

Nach Erstellung eines Sachverständigengutachtens über die Ungefährlichkeit der Hunde bemühte sich die Betroffene, die Hunde in einem Tierheim unterzubringen, was jedoch scheiterte. Sie überlegte, die Tiere nach Thüringen zu verbringen, weil sie dort die Chancen für die Erteilung einer Erlaubnis höher einschätzte. Einer Aufforderung der Behörden, den Aufenthalt der Tiere bekannt zu geben, kam die Betroffene nicht nach, um eine Sicherstellung und Einziehung der Hunde zu verhindern. Zumindest bis zum Zeitpunkt der Ladung zur Hauptverhandlung (28.3.2001) hielt die Betroffene die beiden Hunde im Bereich ihrer Wohnsitzgemeinde.

Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene am 26.4.2001 wegen vorsätzlichen Haltens zweier Kampfhunde ohne die erforderliche Erlaubnis zu einer Geldbuße von 1000 DM.

Hiergegen richteten sich die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandete, dass das Amtsgericht nicht nach der am 21.4.2001 in Kraft getretenen Vorschrift des § 143 StGB verurteilt habe.

Gründe:

1. Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft

Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

Der von der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge allein vorgetragene Angriff auf die Beweiswürdigung des Tatrichters ist unbegründet. Zutreffend ist zwar, dass gemäß Art. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 12.4.2001 (BGBl I S. 530) die Änderung des Strafgesetzbuches durch Einfügung des § 143 über den unerlaubten Umgang mit gefährlichen Hunden am 21.4.2001 in Kraft getreten ist, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung einen gefährlichen Hund hält. Von der Gesetzeslage her käme demnach eine Strafbarkeit der Betroffenen in Betracht, wenn diese in der Zeit vom 21.4.2001 bis zur Hauptverhandlung am 26.4.2001 Halterin der beiden Hunde gewesen wäre. Hiervon hat sich der Tatrichter aber nicht zu überzeugen vermocht. Seine Beweiswürdigung hält auch einer rechtlichen Überprüfung stand.

Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung nur dann, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit stellt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 337 Rn. 27 ff. m. w. N.). Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist aber nicht lückenhaft; denn der Tatrichter hat alle ihm bekannten Umstände in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen. Er hat berücksichtigt, dass sich die Betroffene erfolglos bemüht habe, die Hunde in einem Tierheim unterzubringen, dass sie überlegt habe, die Haltung der Hunde nach Thüringen zu verlegen, weil dort die Chancen für eine Genehmigung höher seien als in Bayern, und dass sie trotz Aufforderung den Behörden den Aufenthalt der Hunde verschwiegen habe, um eine Sicherstellung und Einziehung der Hunde zu verhindern. Dennoch glaubte der Tatrichter keinen sicheren Nachweis für die Haltereigenschaft der Betroffenen für die Zeit ab dem 21.4.2001 zu haben. Hierin kann auch keine übersteigerte Anforderung für die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit gesehen werden. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat die Betroffene nur eingeräumt, bis zum Zeitpunkt der Ladung zur Hauptverhandlung (28.3.2001) Halterin der Hunde gewesen zu sein. Darüber hinaus hat der Tatrichter objektive Anhaltspunkte für die Haltereigenschaft nicht festgestellt. Die von ihm angestellten Erwägungen lassen auch nicht den alleinigen Schluss zu, dass sie dennoch weiterhin Halterin gewesen sei. Denn es bestand auch die Möglichkeit, dass die Betroffene die Hunde ausgesetzt oder aber einer anderen Person unter Ausschluss ihrer eigenen Befugnis zur Betreuung zur Haltung überlassen hat, um eine Tötung zu vermeiden. Darauf, ob solche Verhaltensweisen zulässig gewesen wären (vgl. § 3 Nr. 3 TierschG), kommt es hier nicht an, da ein rein tatsächliches Verhältnis die Haltereigenschaft begründet (Palandt/Thomas BGB 60. Aufl. § 833 Rn. 9). Hinsichtlich des Tierhalterbegriffs kann auf die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Rechts zurückgegriffen werden (Metzger in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze TierschG - Stand August 2000 - § 2 Rn. 5).

Ist aber die Beweiswürdigung des Tatrichters, gerade was die Frage der Strafbarkeit betrifft, nicht mit Erfolg angreifbar, so ist im Rechtsbeschwerdeverfahren auch ein Hinweis gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG nicht veranlasst, mit welchem die Betroffene die Stellung einer Angeklagten erhielte (§ 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG). Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGHSt 35, 298) entschieden, dass das Bußgeldverfahren auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren in ein Strafverfahren übergeleitet werden kann und dann regelmäßig als Revisionsverfahren fortzusetzen ist, jedenfalls dann, wenn die Staatsanwaltschaft als Beschwerdeführerin nicht innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist den Übergang in das Strafverfahren beantragt und auch nicht zugleich ihr Rechtsmittel als Berufung bezeichnet (BGHSt 35, 298/305; a.A. KK/Steindorf OWiG 2. Aufl. § 81 Rn. 20).

Ein Hinweis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG ist von Amts wegen aber nur zu erteilen, wenn ein hinreichender Tatverdacht einer Straftat im Sinne des § 203 StPO besteht und keine Verfahrenshindernisse vorliegen (BayObLGSt 1999, 18/19 = VRS 96, 469/470; Göhler OWiG 12. Aufl. § 81 Rn. 8). Ein hinreichender Tatverdacht kann aber nicht mehr angenommen werden, wenn im Rechtsbeschwerdeverfahren (oder aber auch im Falle der Fortführung als Revisionsverfahren) die Beweiswürdigung des Tatrichters von der Nichterweislichkeit einer Straftat der rechtlichen Überprüfung standhält.

Die Staatsanwaltschaft kann daher mit der Sachrüge nicht mit Erfolg beanstanden, dass der Tatrichter aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen keinen hinreichenden Tatverdacht angenommen und daher nicht den Hinweis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG erteilt habe.

Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG ist der Hinweis grundsätzlich auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu erteilen. Hat die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung teilgenommen und den Antrag schon vor dem Tatrichter gestellt, dieser aber eine Überleitung nicht vorgenommen, so steht der Staatsanwaltschaft auch in diesem Fall nur das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zur Verfügung, mit der sie dann mit der Verfahrensrüge, ihr Antrag sei übergangen worden, eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erreichen kann (vgl. BayObLG vom 27.10.1989 - 2 ObOWi 286/99). Hat sie an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen oder in ihr einen Antrag gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG nicht gestellt, so verbleibt ihr ebenfalls nur das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, wenn nicht der Tatrichter von Amts wegen in das Strafverfahren übergeleitet hatte. Sie kann dann nur zusammen mit dem innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist gestellten Antrag auf Überleitung in das Strafverfahren die Feststellungen hinsichtlich des hinreichenden Tatverdachts anzugreifen versuchen, entweder mit der Verfahrensrüge (Aufklärungsrüge) dahingehend, dass sich die Aufklärung bestimmter Tatsachen aufgedrängt habe, welche den Tatverdacht zu erhärten in der Lage gewesen seien, oder mit der Sachrüge dahingehend, dass aufgrund der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts verneint worden sei.

Im vorliegenden Fall kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Staatsanwaltschaft durch die Sachrüge der Nichtverurteilung wegen einer Straftat incidenter den Antrag auf Überleitung in das Strafverfahren gestellt hat; eine Aufklärungsrüge hat sie jedoch nicht erhoben. Der mit der Sachrüge erhobene Vorwurf, die vom Tatrichter festgestellten Tatsachen zwängen zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachts, ist aber, wie bereits ausgeführt, unbegründet. Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Staatsanwaltschaft innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist zudem erklärt hätte, ihr Rechtsmittel solle als Berufung behandelt werden, kann ebenso wie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO) dahingestellt bleiben, weil eine derartige Erklärung nicht abgegeben worden ist.

2. Rechtsbeschwerde der Betroffenen

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist ebenfalls zulässig (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 341 Abs. 1, § 344, § 345 StPO), aber nicht begründet.

Die Tatbestandsverwirklichung im Sinne des Art. 37 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 LStVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10.7.1992 (GVB1 S. 268) ist vom Tatrichter rechtsbedenkenfrei festgestellt und wird auch von der Betroffenen im Ergebnis nicht angegriffen. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung verweist der Senat auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 12.10.1994 (BayVB1 1995, 76).

Soweit die Betroffene sich auf einen übergesetzlichen Notstand beruft, sind ihre Ausführungen nicht begründet. Zum einen legt die Rechtsbeschwerde nicht dar, wodurch ihr Rechtsgut Eigentum bzw. das Leben und Wohlbefinden des Tieres (vgl. § 1 TierschG, § 90 a BGB) konkret gefährdet gewesen sei. Zum anderen ist der Täter dann nicht entschuldigt, wenn er (wie hier) die Gefahr selbst verursacht hat (vgl. § 35 Abs. 1 StGB entsprechend); denn Art. 37 Abs. 1 LStVG besagt, dass einer Erlaubnis bedürfe, wer einen Kampfhund halten will. Die Betroffene musste sich also vor Begründung ihrer Haltereigenschaft um eine Erlaubnis bemühen.

Das eigentliche Problem, das die Rechtsbeschwerde aufwirft, ist aber die Frage der Unmöglichkeit der Beendigung eines rechtswidrigen Zustands, nämlich der Haltereigenschaft. Da es sich hierbei um ein tatsächliches Verhältnis handelt, genügt hierfür zwar die bloße Beendigung der tatsächlichen Bestimmungsmacht über das Tier. Diese Beendigung kann allerdings nicht durch Aussetzen herbeigeführt werden, da dies dem Verbot des § 3 Nr. 3 TierschG zuwiderliefe und seinerseits zu einer Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 TierschG führen würde. Neben eigenen Bemühungen des Tierhalters, ein Tierheim oder eine andere Person zu finden, welche eine Erlaubnis zum Halten erhalten kann und zur Übernahme der Tiere bereit ist, muss daher von der Tierhalterin zumindest gefordert werden, dass sie sich mit der für die Erlaubniserteilung zuständigen Behörde in Verbindung setzt und dieser die Überlassung der Tiere andient.

Bis zum Zeitpunkt des Beginns der Bemühungen um eine Aufgabe der Haltereigenschaft ist damit ohnehin weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit oder Schuld in Frage gestellt.

Ab diesem Zeitpunkt kann sich nur der Schuldumfang der Tat einschränken. Da aber im vorliegenden Fall ein Andienen gegenüber der erlaubniserteilenden Behörde nicht festgestellt ist, steht auch dieser Schuldumfang nicht in Frage. Die sonstigen Bemühungen um eine Erlaubnis bzw. die Aufgabe der Haltereigenschaft hat das Amtsgericht aber bei der Geldbußenbemessung mildernd berücksichtigt, wie auch die verhängte Geldbuße im übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Unerörtert kann dabei bleiben, ob bei der Haltung zweier Hunde ein oder zwei rechtlich zusammentreffende Verstöße gegen die Bußgeldbestimmung vorliegen, da jedenfalls die Annahme einer Ordnungswidrigkeit die Betroffene nicht beschwert.

Ende der Entscheidung

Zurück