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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.01.2005
Aktenzeichen: 3Z AR 44/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 46 Abs. 2
FGG § 65a Abs. 1
Schweigt der Betreuer auf eine gerichtliche Anfrage, ob er der Abgabe des Betreuungsverfahrens an ein anderes Vormundschaftsgericht zustimme, ist dies, soweit nicht gegenteilige Anzeichen vorliegen, als Verweigerung der Zustimmung zu werten.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Sprau sowie der Richterin Vavra und des Richters Dr. Kainz am 5. Januar 2005 in der Betreuungssache

auf die Vorlage des Amtsgerichts München

beschlossen:

Tenor:

Die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht Rosenheim ist gerechtfertigt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht München führt für den Betroffenen seit Jahren ein Betreuungsverfahren, in welchem für ihn für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Reha-Einrichtungen sein Vater zum Betreuer bestellt ist. Der Betroffene hält sich seit Mitte 1997 dauerhaft in einem Pflegeheim im Bezirk des Amtsgerichts Rosenheim auf. Deshalb will das Amtsgericht München das Verfahren an das zur Übernahme bereite Amtsgericht Rosenheim abgeben. Der Betreuer hat sich zur Abgabe nicht geäußert; der Betroffene ist nach dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen vom 12.10.2004 geschäftsunfähig.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen (§ 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG; BayObLGZ 1989, 1). Die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Abgabe nach § 46 Abs. 2 Satz 1, § 65a Abs. 1 Satz 1 FGG liegen vor. Der Betreuer hat zwar der Abgabe nicht ausdrücklich widersprochen, doch kann seine fehlende Äußerung nicht als Zustimmung gewertet werden. Auch wenn eine Zustimmung grundsätzlich weder ausdrücklich noch formell zu erfolgen hat (vgl. Keidel/Engelhardt FGG 15. Auflage § 46 Rn. 19), müssen doch in jedem Fall irgendwelche objektiven Anzeichen vorliegen, welche die Annahme einer konkludenten Zustimmung rechtfertigen können. Das bloße Schweigen auf eine gerichtliche Anfrage stellt kein derartiges Indiz dar (a. A. OLG Zweibrücken FamRZ 1993, 351, welches in solchen Fällen grundsätzlich von einer konkludenten Zustimmung ausgeht, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen; wie hier: BayObLG FamRZ 1995, 753; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 10. Aufl. § 46 FGG Rn. 6; Keidel/Engelhardt § 46 Rn. 19); dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn das Gericht bei seiner Anfrage auf diese Rechtsfolge eines Schweigens hingewiesen hätte. Dies ist hier nicht der Fall. Das Schweigen des Betreuers ist deshalb wie eine Verweigerung der Zustimmung zu behandeln.

2. Gemäß § 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG kann ein Betreuungsverfahren aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgegeben werden. Ob solche Gründe vorliegen, richtet sich nach Zweckmäßigkeitserwägungen. Es kommt auf die gesamten Umstände an. Maßgebend ist, ob das um Übernahme angegangene Gericht das Verfahren voraussichtlich leichter und sachdienlicher führen kann als das abgebende Gericht. Im Vordergrund hat das Wohl des Betreuten zu stehen. Aber auch das Interesse des Betreuers an einer möglichst einfachen Gestaltung seiner Amtsführung ist zu berücksichtigen, soweit dadurch die Belange des Betreuten nicht beeinträchtigt werden (BayObLGZ 1996, 274/276 und 1998, 1/2 m.w.N.). Hat sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betreuten geändert und sind die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen, ist dies in der Regel als wichtiger Grund anzusehen (§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG).

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Abgabe der Betreuungssache an das Amtsgericht Rosenheim gerechtfertigt.

Der Betroffene lebt seit Jahren und auf Dauer im Bezirk dieses Gerichts. Damit ist ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne von § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG eingetreten. Die Aufgaben des Vormundschaftsgerichts, insbesondere persönliche Anhörungen und die Verschaffung des unmittelbaren Eindrucks von dem Betroffenen, sind an diesem Ort zu erfüllen. Die Aufgaben des Betreuers in den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vertretung gegenüber der Reha-Einrichtung sind gleichfalls überwiegend am neuen Aufenthaltsort wahrzunehmen, weil sie einen persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen und dem Heim erfordern. Doch auch die Aufgabenwahrnehmung durch den Betreuer für die Vermögenssorge wird durch eine Abgabe nicht erschwert. Die Vermögensverwaltung kann - wie bisher - im Wesentlichen durch schriftlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Vormundschaftsgericht erledigt werden.

Insgesamt liegt damit kein Grund vor, eine vom Regelfall des § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG abweichende Entscheidung zu treffen.



Ende der Entscheidung

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