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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.04.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 1/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1472 Abs. 2
Zur Mitwirkungspflicht des geschiedenen Ehegatten an einer Verwaltungsmaßnahme im Rahmen einer Gütergemeinschaft in Liquidation.
Gründe:

I.

Die Parteien sind seit 15.6.2002 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie hatten durch notariellen Ehevertrag den Güterstand der Gütergemeinschaft mit gemeinsamer Verwaltung des Gesamtgutes vereinbart. Der Antragsteller hat das landwirtschaftliche Anwesen, in welchem sich die gemeinsame Ehewohnung befand, in das Gesamtgut eingebracht. Seit der Antragsteller Anfang 1998 aus der Ehewohnung ausgezogen ist, lebt die Antragsgegnerin mit den drei gemeinsamen Kindern in diesem Haus in der früheren Ehewohnung. Der Antragsteller hat nach der Ehescheidung durch Erklärung gegenüber der Antragsgegnerin vom 9.1.2003 seinen Anspruch auf Übernahme des von ihm eingebrachten Anwesens gegen Leistung von Wertersatz geltend gemacht.

Am 3.9.2001 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht, die Zustimmung der Antragsgegnerin zu ersetzen zur Errichtung einer Außentreppe zum ersten Obergeschoß des Wohnhauses durch einen Zimmerer zum Preis von maximal DM 6.000 inkl. Mehrwertsteuer auf Kosten der Gütergemeinschaft, hilfsweise, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung einer Außentreppe zum ersten Obergeschoß durch den Antragsteller zu ersetzen mit der Maßgabe, dass der Gütergemeinschaft der Parteien mit Ausnahme der Verwendung von bereits im landwirtschaftlichen Anwesen vorhandenem Bauholz hierdurch keine Kosten entstehen. Dem Hilfsantrag gab das Amtsgericht am 6.2.2003 statt; die anschließend auf Beschwerde der Antragsgegnerin hin ergangene Entscheidung des Landgerichts, die Anträge abzuweisen, wurde im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgehoben und die Sache zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (FGPrax 2003,227).

Der Antragsteller beantragte nunmehr klarstellend, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung einer Außentreppe zum ersten Obergeschoss des Wohnhauses zu ersetzen sowie zusätzlich die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Überlassung von 1,6 Kubikmeter Bauholz der Liquidationsgemeinschaft der Parteien an den Antragsteller zur Errichtung einer Außentreppe zum ersten Obergeschoss des benannten Wohnhauses. Letzteren Antrag nahm der Antragsteller am 20.11.2003 zurück. Die Antragsgegnerin stellte die Anträge, das Verfahren gemäß § 148 ZPO auszusetzen, bis über das Verfahren 2 F 344/03 beim AG Ansbach entschieden sei, hilfsweise, erst nach Anhörung der Parteien und nach Einnahme eines Augenscheins zu entscheiden, sowie den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 6.2.2003 aufzuheben, die Sache zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das Vormundschaftsgericht zurückzuverweisen und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen. Das Verfahren 2 F 344/03 beim AG Ansbach betrifft die Herausgabe des Anwesens an den Antragsteller einschließlich der Höhe der Sicherheiten für den Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.12.2003 den Tenor des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts klarstellend dahingehend neu gefasst, dass die Zustimmung der Antragsgegnerin zu der Verwaltungsmaßnahme, eine Außentreppe zum ersten Obergeschoss zu errichten, ersetzt wird.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Ziel weiter, eine Ersetzung ihrer Zustimmung zu verhindern.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 22, 27 Abs. 1 FGG. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin zur Verwaltungsmaßnahme der Errichtung einer Außentreppe ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Nach § 1472 Abs. 3 Satz 1 BGB sei jeder Ehegatte dem anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Gesamtgutes erforderlich sind. Was konkret als ordnungsgemäße Verwaltung anzusehen sei, bestimme sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen sei. Befinde sich das Gesamtgut in der Liquidationsphase, würden die wirtschaftlichen Gesichtspunkte in den Vordergrund treten, insbesondere die Erhaltung und Sicherung des Gesamtgutes. Danach entspreche der Bau der Außentreppe den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da ein Leerstehen einer Wohnung über Jahre hinweg keine sinnvolle wirtschaftliche Verwaltung darstelle und die Antragsgegnerin zur Herausgabe des Anwesens verpflichtet sei. Dem Antragsteller sei es auch nicht zuzumuten, die Herausgabe des Anwesens abzuwarten. Es bedürfe auch keiner weiteren Beweisaufnahme zu den von der Antragsgegnerin vorgetragenen Vorwürfen, weil nach Scheidung der Ehe die gegenseitigen scheidungsbedingten Vorwürfe nicht mehr erheblich seien.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO.

a) Nach der Klarstellung des Antrages durch den Antragsteller verlangt dieser die Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin zu einer Verwaltungsmaßnahme, nämlich der dem Bau einer Außentreppe für das in der Liquidationsgemeinschaft und noch im Mitbesitz beider Parteien befindliche Haus. Im Bereich des Ehegüterrechts ist die Vorschrift des § 1472 Abs. 3 BGB maßgebend.

Nach § 1472 Abs. 3 Satz 1 BGB ist jeder Ehegatte dem anderen gegenüber verpflichtet, bei Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Gesamtgutes erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder Ehegatte allein treffen. Ordnungsmäßig ist eine Verwaltung, die unter Beachtung der Grundsätze vernünftiger Wirtschaftsführung auf Erhaltung, Sicherung und Vermehrung des Gesamtgutes im Interesse der Ehegatten und etwaiger Kinder abzielt (BayObLG FamRZ 1983, 1127/1128; Staudinger/Thiele BGB 13. Aufl. § 1451 Rn. 4). Was konkret als ordnungsgemäße Verwaltung angesehen wird, bestimmt sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie. Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen, auf die subjektive Auffassung der Ehegatten kommt es nicht an (vgl. BayObLG FamRZ 1983, 1127/1128; Palandt/Brudermüller BGB 63. Aufl. § 1365 Rn. 21: Maßstab ist ein sorgsamer Wirtschafter mit ehelicher Gesinnung sowie § 1426 Rn. 1: ausschlaggebend Zweckmäßigkeitserwägungen und wirtschaftliches Interesse der Familie; MünchKomm/Kanzleiter BGB 4. Aufl. § 1426 Rn. 4; Staudinger/Thiele § 1426 Rn. 5).

Ist das Gesamtgut in die Liquidationsphase eingetreten, treten die wirtschaftlichen Gesichtspunkte in den Vordergrund, insbesondere die Erhaltung und Sicherung des Gesamtgutes. Die eheliche Gesinnung spielt nach der Ehescheidung keine entscheidende Rolle mehr; vielmehr bestehen insoweit nur noch Nachwirkungen der aufgelösten Ehe insofern, als die gegenseitige Rücksichtnahme bei der Regelung der Rechtsfolgen der Ehescheidung zu beachten ist. Auch in der Liquidationsphase darf deshalb das Gesamtgut nicht einseitig geschmälert oder - etwa durch Schenkungen - verringert werden. Der Ausgleichsanspruch des anspruchsberechtigten Ehegatten darf gleichfalls durch Verwaltungsmaßnahmen nicht gefährdet werden. Auf der anderen Seite wird von dem weichenden Ehegatten Rücksichtnahme auf die Belange desjenigen Ehegatten erwartet, der einen Vermögensgegenstand in das Gesamtgut eingebracht und nach Beendigung der Gütergemeinschaft Anspruch auf dessen Herausgabe hat. So wäre eine Verweigerung der Zustimmung zu einer Verwaltungsmaßnahme nur unter dem Gesichtspunkt, dass damit die Herausgabe des Vermögensgegenstandes verhindert oder zumindest erschwert werden soll, nicht anzuerkennen. Die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft und die gemeinsame Verwaltung bis zur endgültigen Beendigung der Liquidationsgemeinschaft dienen nicht der Fortsetzung des Scheidungsverfahrens mit anderen Mitteln, sondern der korrekten Abwicklung der gemeinsamen ehelichen Lebensleistung in wirtschaftlicher Hinsicht.

Nach diesen Grundsätzen durfte das Landgericht den Bau der Außentreppe als Maßnahme ansehen, die einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Das Leerstehen einer Wohnung über Jahre hinweg stellt keine sinnvolle wirtschaftliche Verwaltung dar, da ein Leerstehen wegen der mangelnden Wohnungspflege zu einer Wertminderung führt. Der Bezug der Wohnung und die dann wieder durchgeführte Wartung verhindern einen weiteren Wertverlust. Der Einzug des Antragstellers erfordert wegen der angespannten emotionalen Situation eine möglichst weitgehende Trennung der Lebensbereiche. Dem dient es, wenn der Antragsteller einen getrennten Eingang über die Außentreppe erhält. Damit ist, in Verbindung mit der wirtschaftlich sinnvollen Nutzung des Obergeschosses, auch die Errichtung dieser Treppe eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme. Diese Maßnahme entspricht auch im Übrigen der wirtschaftlichen Vernunft: der Antragsteller kann nach dem Einzug die von ihm bisher geleistete Miete einsparen, so dass sein reales ihm zur Verfügung stehendes Einkommen wächst. Zudem hat der Antragsteller sein Übernahmerecht nach § 1477 Abs. 2 BGB bereits ausgeübt; die Antragsgegnerin ist zur Herausgabe des Anwesens verpflichtet. Wirtschaftlich sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang, dem Übernahmeberechtigten bis zur Herausgabe die Bewirtschaftung des Anwesens nicht durch vermeidbare Kosten zu erschweren und ihm die zumindest teilweise Nutzung des ihm zustehenden Anwesens zu ermöglichen. Der Ausgang des Herausgabeverfahrens vor dem AG Ansbach ist nicht abzuwarten. An der Herausgabeverpflichtung der Antragsgegnerin besteht kein Zweifel; Anhaltspunkte dafür, dass durch die Errichtung der Außentreppe ihr Ausgleichsanspruch verringert werden könnte, sind nicht ersichtlich.

Die weiter von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gesichtspunkte, ein getrenntes Wohnen in dem Anwesen sei nicht möglich und sie fürchte um ihr Wohl und das der Kinder, führen zu keinem anderen Ergebnis. Zunächst beruft sich die Antragsgegnerin insoweit letztlich auf eine Rechtsposition, die ihr nicht zusteht. Denn sie ist zur Herausgabe - und damit zum Auszug - verpflichtet; solange sie nicht auszieht, setzt sie selbst die Ursache für Störungen und Auseinandersetzungen. Im Übrigen kommt es aber auf diese Argumente nicht entscheidend an. Denn ausschlaggebend ist die wirtschaftliche Seite, weil das personenrechtliche Band der Ehe zwischen den Parteien nicht mehr besteht. Nur in Ausnahmefällen könnten derartige Gründe einer im Übrigen sinnvollen Verwaltungsmaßnahme entgegenstehen. Das Landgericht hat offensichtlich und beanstandungsfrei eine solche Lage nicht gesehen. Es ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, ob das Anwesen zugunsten Dritter mit Nutzungsrechten belastet ist oder nicht. Die Mutter des Antragstellers übt altersbedingt das Wohnrecht nicht mehr aus und hat ihrem Sohn die Nutzung gestattet; hierzu ist sie berechtigt. Ein Nachweis ihrer Geschäftsunfähigkeit bei Erteilung der Gestattung liegt nicht vor. Es kommt weiter nicht darauf an, ob und wann der Antragsteller die Außentreppe wieder beseitigen will. Wichtig für die Bewertung der ordnungsgemäßen Verwaltung ist nur, dass dem Antragsteller die Nutzung eines Teiles des Hauses ermöglicht wird. Die Verpflichtung zu gemeinsamem Handeln im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung auch nach Auflösung der Ehe ist die Folge des auch von der Antragsgegnerin bei Eheschließung gewählten Güterstandes, der nicht mehr geändert werden kann.

b) Das Landgericht hat das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin nicht verletzt. Das Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs gibt zum einen den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht; es untersagt dem Gericht auf der anderen Seite, seiner Entscheidung Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zulegen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, in den Entscheidungsgründen auf jeden von den Beteiligten vorgetragenen Gesichtspunkt einzugehen. Ein Anspruch auf persönliche Anhörung durch das Gericht oder eine bestimmte Art der Beweisaufnahme besteht darüber hinaus nur im Rahmen der jeweiligen Verfahrensordnungen. Eine persönliche Anhörungspflicht gibt es im Verfahren der Zustimmungsersetzung nach der Verfahrensordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Das Gericht war auch nicht verpflichtet, das Anwesen in Augenschein zu nehmen, da die Lage und das Aussehen des Hauses für die rechtliche Entscheidung nicht erheblich waren. Dass die Antragsgegnerin ausreichend Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt dem Gericht zu unterbreiten, zeigen ihre vielseitigen Stellungnahmen. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht diese Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen hat, sind nicht ersichtlich. Darauf, ob das Vormundschaftsgericht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen hat, kommt es nicht an, da ein solcher Verstoß geheilt wäre.

2. Eine Kostenerstattung nach § 13a Abs. 1 FGG kam nicht in Betracht, weil der Verfahrensgegenstand im Grunde genommen die Folge einer Ehescheidung betrifft und deshalb der Gedanke des § 93a Abs. 1 Satz 1 ZPO heranzuziehen ist.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 1 und Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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