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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 101/99
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 304
AktG § 305
Hat die Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaften am 10.6.1992 der Festlegung eines angemessenen Ausgleichs für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zugestimmt, so findet die Änderung der körperschaftssteuerlichen Ausschüttungsbelastung durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.9.1993 keine Berücksichtigung. (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Zweibrücken AG 1995, 421).
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 11. September 2001

in dem Spruchstellenverfahren

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen gegen den Berichtigungsbeschluss des Landgerichts München I vom 1. März 1999 werden zurückgewiesen.

II. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers zu 2 vom 17. Juni 1999 wird verworfen.

III. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 3 und die Anschlussbeschwerden der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 3. Dezember 1998 werden dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

1. Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2, die, teilweise über in- und ausländische Tochtergesellschaften, Gasbetonsteine und andere Baumaterialien herstellt und vertreibt. Ihr Grundkapital beläuft sich auf 27000000 DM. Hiervon hielt die Antragsgegnerin zu 1, die damals die Rechtsform einer GmbH hatte, am 10.6.1992 99,56 %. Die Antragsgegnerin zu 1 schloss mit der Antragsgegnerin zu 2 am 30.4.1992 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der nach der am 10.6.1992 erfolgten Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 2 am 28.10.1992 im Handelsregister eingetragen und am 28.11.1992 veröffentlicht wurde. In diesem Vertrag garantiert die Antragsgegnerin zu 1 den außenstehenden Aktionären der Antragsgegnerin zu 2 für jede Stammaktie mit einem Nennwert von 100 DM einen jährlichen Ausgleich von 86 DM. Wahlweise bietet sie den Erwerb einer Aktie für 1250 DM an.

2. Die Antragsteller haben beim Landgericht beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen.

Mit Beschluss vom 3.12.1998 (AG 1999, 476) hat das Landgericht die Abfindung auf 1794 DM und den Ausgleich auf 108 DM je Stammaktie im Nennwert von 100 DM festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Es folge bei seiner Entscheidung den Überlegungen des Sachverständigen. Dieser sei bei der Ermittlung des Unternehmenswerts zum einen von den überprüften Planungsrechnungen der Antragsgegnerin zu 2 für das Jahr 1992 (Phase 1) und ab dem "Normjahr" 1993 für eine zweite Phase von einer aus einer Vergangenheitsanalyse entwickelten Ertragsprognose ausgegangen. Eine detaillierte Planung für das zweite bis achte Jahr sei im konkreten Fall nicht sinnvoll und deshalb vom Sachverständigen auch nicht nachzuholen gewesen. überzeugend sei dessen Grundannahme, in den neuen Bundesländern nach einer Sonderkonjunktur für die Jahre 1993 bis 1996 die gleichen durchschnittlichen Absatzmengen an Porenbausteinen und sonstigen Montagebauteilen wie in den alten Ländern anzusetzen und insgesamt für die Jahre 1993 ff. von durchschnittlichen Absatzmengen in inflationsbereinigten Nettopreisen auszugehen, die spürbar über den Durchschnittswerten der Vergangenheit lägen.

Der Kapitalisierungszinssatz betrage 9,5 %. Der Sachverständige habe zutreffend aus der Durchschnittsrendite risikoarmer Wertpapiere der letzten 20 Jahre vor dem Bewertungsstichtag einen Basiszinssatz von 7,5 % ermittelt. Dieser Zeitraum umfasse drei abgeschlossene Hoch- und Niedrigzinsphasen. Auch entspreche der von ihm angenommene Inflationsabschlag von 1 % der Spruchstellenpraxis. Insoweit sei von einer Überwälzung der Preissteigerungen der Kostenseite auf die Erlöse auszugehen. Es sei schließlich ein Risikozuschlag in Höhe von 2 % für 1992 und von 3 % für 1993 ff. angemessen. Während die speziellen Risiken eines Unternehmens in der Ertragswertberechnung zu berücksichtigen seien, könnten generelle Risiken, etwa durch unvorhersehbare Umsatz- und Ertragsschwankungen und allgemeine konjunkturelle Einbrüche, die den Investor im Gegensatz zu dem Anleger in langfristigen festverzinslichen Wertpapieren berührten, nicht in gleicher Weise berechnet werden. Die Baubranche sei besonders stark durch nicht prognostizierbare gesetzgeberische Entscheidungen und gesamtwirtschaftliche Konjunkturabläufe beeinflusst. Der relativ hohe Risikozuschlag sei erforderlich, da der Sachverständige ab 1993 als nachhaltig angenommenes Unternehmensergebnis das um etwa 30 % erhöhte durchschnittliche Ergebnis der Jahre 1987 bis 1991 angesetzt habe.

Dies ergebe einen Unternehmenswert von insgesamt 484,7 Mio. DM, wobei einzelne Auslandstochtergesellschaften zum fiktiven Liquidationswert anzusetzen gewesen seien, da dieser höher sei als der Ertragswert aus einer Betriebsfortführung. Hieraus errechneten sich die angemessene Abfindung und der angemessene Ausgleich.

3. Gegen die ihr am 15.12.1998 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin zu 3 mit der am 28.12.1998 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde mit dem Ziel eines höheren Ausgleichs und einer höheren Abfindung.

Die Antragsgegnerinnen haben am 25.3.1999 sofortige Beschwerde gegen den landgerichtlichen Berichtigungsbeschluss vom 1.3.1999, der ihnen am 17.3.1999 zugestellt worden ist, und gegen den darin enthaltenen Ausspruch der Verzinsung der Abfindung eingelegt.

Mit am 21.6.1999 eingegangenem Schriftsatz vom 17.6.1999 hat der Antragsteller zu 2, dem der Beschluss vom 3.12.1998 ebenfalls am 15.12.1998 zugestellt worden ist, ohne nähere Begründung "das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde" erklärt.

Die Antragsgegnerinnen haben schließlich mit Schriftsatz vom 2.8.1999 Anschlussbeschwerde erhoben; sie erstreben damit eine völlige Zurückweisung der Anträge.

II.

Die - sofortige (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 18,Rn. 3 7) - Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Berichtigungsbeschluss vom 1.3.11999 ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand der Überprüfung in der Beschwerdeinstanz ist dabei allein (vgl. Keidel/Schmidt FGG 14. Aufl. § 18 Rn. 61) die Zulässigkeit der Berichtigung und nicht ihre inhaltliche Richtigkeit (vgl. zu ihr unten IV 5). Das Landgericht konnte in Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 319 ZPO (vgl. BayObLGZ 1985, 184/187) seinen Beschluss vom 3.12.1998 berichtigen, da eine offenbare Unrichtigkeit vorlag. Es hatte die Verzinsung der Abfindung in den Gründen seiner Entscheidung zwar erörtert (Abschnitt III 5), den entsprechenden Ausspruch jedoch nicht in den Tenor aufgenommen. Damit ist der Irrtum aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst auch für Dritte ohne weiteres erkennbar (vgl. BGHZ 106, 370/373).

III.

1. Das Rechtsmittel des Antragsstellers zu 2 vom 17.6.1999 ist als unzulässig zu verwerfen. Als selbständige sofortige Beschwerde wahrt es die Beschwerdefrist nicht. Da keine zulässige selbständige Beschwerde der Antragsgegnerinnen vorliegt (vgl. unten III. 2), ist es auch als Anschlussbeschwerde nicht zulässig. Im echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt eine Anschließung nur an die vom Gegner eingelegte Hauptbeschwerde oder selbständige Anschlussbeschwerde in Betracht. Es gilt im vorliegenden Verfahren nichts anderes als im Zivilprozess (vgl. BGHZ 88, 360), da ein Bedürfnis für eine andere Handhabung nicht ersichtlich ist.

2. Im übrigen sind die Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 3.12.1998 zulässig.

Die Antragstellerin zu 3 hat ihre sofortige Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt.

Auch die Beschwerden der Antragsgegnerinnen sind jedenfalls als Anschlussbeschwerden zulässig. Soweit sie mit ihren Rechtsmitteln vom 25.3.1999 sofortige Beschwerde auch gegen die Verzinsung der Abfindung einlegen, wahren diese die Zweiwochenfrist gemäß § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht, da der Beschluss vom 3.12.1998 den Antragsgegnerinnen bereits am 15.12.1998 zugestellt worden war. Die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses vom 1.3.1999 ist hierfür ohne rechtliche Bedeutung. Die Zustellung des ersten Beschlusses setzte die Rechtsmittelfrist unabhängig von der späteren Berichtigung in Lauf (vgl. BGH NJW 1984, 1041; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 18 FGG Rn. 24). Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn der Beschluss in der zugestellten, nicht berichtigten Fassung insgesamt nicht klar genug war, um den Beteiligten die Grundlage für weiteres prozessuales Handeln zu bieten (vgl. BGHZ 113, 228; NJW 1995, 1033; Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 319 Rn. 25a; Musielak ZPO 2. Aufl. 319 Rn. 17; Jansen § 18 Rn. 37). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da die Auslassung im Tenor offenkundig war. Die Beschwerden sind jedoch als unselbständige Anschlussbeschwerden ebenso zulässig (vgl..BayObLG AG 1996, 127; Hüffer AktG 4. Aufl. 306 Rn. 4; MünchKommAktG/Bilda 2. Aufl. § 306 Rn. 117) wie die ausdrücklich so bezeichneten weiteren Rechtsmittel der Antragsgegnerinnen vom 2.8.1999.

3. Der Senat möchte die zulässigen Beschwerden mit der Maßgabe zurückweisen, dass in Ziff. I Satz 1 des landgerichtlichen Beschlusses in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 1.3.1999 die Wörter "soweit die Aktionäre nicht Ausgleichsbeträge für die jeweiligen Jahre geltend gemacht haben" entfallen. Er sieht sich daran jedoch durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 9.3.1995 Az. 3W 133 und 145/92 (AG 1995, 421) gehindert, da er bei Befolgung der dort geäußerten Rechtsansicht zur Berücksichtigung der Körperschaftssteuerausschüttungsbelastung einen höheren Ausgleich als das Landgericht festsetzen müsste (vgl. dazu unten V. 3). Er legt deshalb die sofortigen Beschwerden insgesamt dem Bundesgerichtshof gemäß § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 3 Satz 6 AktG, § 28 Abs. 2 FGG (vgl. auch BVerfG AG 2000, 321) zur Entscheidung vor, wobei eine vorangehende Anhörung der Beteiligten nicht geboten war (BayObLGZ 1986, 402/412). Eine Beschränkung der Vorlage auf die Frage des Ausgleichs ist nicht möglich. Zwar sind im Hinblick auf die Abfindung die Vorlagevoraussetzungen nicht gegeben. Eine Teilentscheidung entsprechend § 301 ZPO kommt jedoch nicht in Betracht (vgl. BGH NJW 2000, 3712/3713). Diese dürfte nur ergehen, wenn sie von der Entscheidung über den Rest des Verfahrensgegenstands unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse nicht besteht. Es soll die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit in ein und demselben Verfahren gewährleistet sein, auch die unterschiedliche Bewertung von Vorfragen soll ausgeschlossen werden (vgl. BGH NJW 1999, 1035 m.w.N.; BayObLG WuM 1994, 152/153). Entscheidende gemeinsame Vorfrage für die Festsetzung von Ausgleich und Abfindung ist jedoch die Ermittlung des Unternehmenswerts der Antragsgegnerin zu 2.

IV.

Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats die Abfindung zutreffend festgesetzt.

1. Ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag muss gemäß § 305 Abs. 1 AktG die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Die angemessene Barabfindung (§ 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG) muß die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG).

Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 263/284; 100, 289/304 f.; BayObLG AG 1996, 127; Hüffer AktG § 305 Rn. 18; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 59). Zu ermitteln ist der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann.

2. Das Landgericht hat im Anschluss an das von ihm erholte Gutachten bei der Ermittlung des Werts die Ertragswertmethode angewendet. Dies ist, von einer etwaigen Korrektur anhand des Börsenkurses abgesehen (dazu unten IV. 4), zulässig (vgl. BVerfGE 100, 289/307; OLG Düsseldorf AG 2001, 189/190 m.w.N.). Der Ertragswert eines Unternehmens besteht im Barwert zukünftiger Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben. Notwendig ist mithin eine Prognose, die zwangsläufig mit Unsicherheit belastet ist. Dabei hat das Landgericht einen geeigneten zeitlichen Ansatz gewählt, um die künftigen finanziellen Überschüsse zu prognostizieren, wenn es in Übereinstimmung mit dem Gutachter allein für das Jahr 1992 als erste Phase auf die vorhandene konkrete Planung der Antragsgegnerin zu 2 zurückgegriffen und daran eine zweite Phase angeschlossen hat, die den gesamten restlichen Prognosezeitraum umfasst.

Die Antragsteller weisen zwar zu Recht darauf hin, dass üblicherweise die erste Phase einen mehrjährigen, also längeren Planungszeitraum umfasst. So gehen etwa die berufsständischen Verlautbarungen für Wirtschaftsprüfer von einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren aus (vgl. HFA 2/1983 Abschnitt B 2 b 2,1; IDW § 1 Rn. 82). Dies setzt aber voraus, dass eine hinreichend detaillierte Planung zur Verfügung steht; eine solche ist von der Antragsgegnerin zu 2 aber nicht vorgelegt worden. Nach den Feststellungen der von den Antragsgegnerinnen ihrerseits mit einer gutachterlichen Stellungnahme zur Ermittlung von Ausgleichszahlung und Barabfindung beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verfügte die Antragsgegnerin zu 2 lediglich über eine Planungsrechnung für jeweils ein Prognosejahr (vgl. Anlage B 3 S. 26; Anlage B 6 S. 8).

Der Untersuchungsgrundsatz (§ 12 FGG) gebietet es hier nicht, zeitlich weitergehende Planungen etwa durch den Sachverständigen nachträglich erstellen zu lassen. Bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung ist auch der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen; im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der damit verbundene Aufwand ein entsprechendes Mehr an Zuverlässigkeit der Aussage des Sachverständigen geschaffen hätte. Der Ertragswert ist zwar zukunftsbezogen. Entscheidender Ausgangspunkt der Prognose entziehbarer Überschüsse ist jedoch stets eine sorgfältige Analyse der Vergangenheit des Unternehmens. Diese kann einen gesicherten Einblick verschaffen, da zumindest ein Teil der in der Vergangenheit wirksam gewordenen Faktoren auch künftig Einfluss auf die Ertragssituation haben wird. Für den folgenden Schritt, die Prognose, ist die Phasenmethode mit einer regelmäßig mehrjährigen ersten Phase nur ein möglicher Ansatz. Dabei wird versucht, die Prognose dadurch nachvollziehbar und handhabbar zu machen, dass der Prognosezeitraum in zwei oder mehrere Einzelphasen zerlegt wird. Im vorliegenden Fall kann der Senat jedoch nicht feststellen, dass durch den Rückgriff auf einen mehrjährigen ersten Planungszeitraum eine höhere Genauigkeit hätte er zielt werden können als durch den hier vorgenommenen eher pauschalen Ansatz. Es waren für die Antragsgegnerin zu 2 für die Geschäftsjahre ab 1993 keine strukturverändernden Vorhaben absehbar. Es zeichneten sich weder eine Erweiterung der Produktionskapazität oder eine Umgestaltung der Produktpalette ab, die besondere Investitionen erfordert hätten, noch sonstige Veränderungen, die nicht durch eine schlichte Extrapolation hinreichend genau erfasst werden konnten. Vielmehr betreibt die Antragsgegnerin zu 2 ein Unternehmen, bei dem sie als Zulieferin von Bauunternehmen regelmäßig kurzfristigen Bedarf von Kunden zu decken hat, wobei dieser nur in engen Grenzen durch Maßnahmen zu beeinflussen ist, die ihrerseits auf einer Unternehmensplanung beruhen können.

Folgerichtig verlangen die erwähnten berufsständischen Verlautbarungen für Wirtschaftsprüfer auch nicht in jedem Fall zwingend eine mehrjährige erste Prognosephase; vielmehr wollen sie nur einen Rahmen vorgeben, in dem die fachgerechte Lösung im Einzelfall eigenverantwortlich gefunden werden muss (vgl. IDW § 1 Rn. 1), und sehen im Einzelfall durchaus die Möglichkeit vor, auch "den Zukunftserfolg eines jährlich gleichbleibenden Durchschnittsbetrags zu schätzen, ausgehend von der Ertragssituation am Bewertungsstichtag" (HFA 2/1983 Abschnitt B 2 b 2,1).

Auf die tatsächlichen Erträge, die angesichts des Zeitablaufs zwischenzeitlich verfügbar wären, kommt es wegen des Stichtagsprinzips (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) nicht an; vielmehr dürfen bei der Prognoseentscheidung nur solche positiven und negativen Entwicklungen berücksichtigt werden, die bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Vertrag zumindest in ihrem Kern bereits angelegt und absehbar waren (vgl. BGH AG 1998, 286/287). Dies gilt auch dann, wenn wie hier eine mehrjährige Planung des Unternehmens, auf die der Gutachter zurückgreifen könnte, nicht vorliegt, zumal dann, wenn in ihren Auswirkungen schwer einschätzbare Sonderentwicklungen wie die Baukonjunktur in den neuen Bundesländern die Ertragslage beeinflussen können.

3. Der Senat hält den vom Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen verwendeten Kapitalisierungszinssatz von 9,5 % für geeignet, eine angemessene Abfindung zu ermitteln.

a) Der Sachverständige und in seiner Folge das Landgericht gehen von einem Basiszinssatz von 7,5 % aus. Dabei wird in sachgerechter Weise als Basiszinssatz der Durchschnitt der Zinssätze herangezogen, die in der Vergangenheit (hier in den letzten 20 Jahren vor dem Stichtag) bei einer Anlage in risikoarmen Wertpapieren zu erzielen war (vgl. BayObLG AG 1996, 127/129; OLG Düsseldorf AG 2000, 323/324 f.; OLG Celle AG 1999, 128/130; OLG Stuttgart AG 2000, 428/431). Zur Prognose der langfristigen Zinsentwicklung findet sinnvoller Weise eine solche Orientierung an der Zinsentwicklung der Vergangenheit statt (vgl. auch IDW § 1 Rn. 121).

b) Das Landgericht hat ferner im Anschluss an den Sachverständigen bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes einen Inflationsabschlag von 1 % vorgenommen. Ein derartiger Abschlag ist erforderlich, da jedes Unternehmen in der Lage ist, der Geldentwertung durch Überwälzung gestiegener Kosten auf die Abnehmer mittels Preiserhöhung jedenfalls in gewissem Umfang zu begegnen. Dieser Umstand muss bei dem Vergleich mit einer Anlage in fest verzinslichen Anleihen berücksichtigt werden, da diese in vollem Umfang der Geldentwertung unterliegen (vgl. BayobLG AG 1996, 127/129; OLG Düsseldorf AG 2000, 323/325; Großfeld Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht 3. Aufl. S. 72 f.; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 79). Es ergeben sich nach den Feststellungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin zu 2 zukünftige Kostensteigerungen wird in vollem Umfang auf Abnehmer überwälzen 'oder durch Produktivitätsfortschritte auffangen können. Dies bedeutet, dass der Inflationsabschlag auch nicht in voller Höhe der durchschnittlichen Inflationserwartung angesetzt werden kann. Wegen der Höhe schließt sich der Senat der Schätzung des sachverständig beratenen Landgerichts an.

c) Auch der vom Landgericht im Anschluss an das Gutachten vorgenommene Risikozuschlag in Höhe von 2 % für 1992 und von 3 % für die Folgejahre ist entgegen der Auffassung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre für die Abfindung geeignet, bei der Ermittlung der angemessenen Abfindung Verwendung zu finden.

Ein solcher Zuschlag ist bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes anzusetzen, wenn nicht schon ein entsprechender Abschlag bei den prognostizierten Erträgen gemacht worden ist (BayObLG AG 1996, 127/129 f.; OLG Düsseldorf AG 2000, 323/325; Hanseatisches OLG Hamburg NZG 2001, 471/473; ablehnend OLG Celle AG 1999, 128/130 f.; wie hier auch IDW § 1 Rn. 94 ff.). Der Zuschlag trägt dem Umstand Rechnung, dass der Vergleich mit einer Anleihe eines Schuldners erster Güte erfolgt. Den bei einer Beteiligung an einem Unternehmen stets gegebenen höheren Grad an Unsicherheit lässt sich der Marktteilnehmer jedoch durch eine Risikoprämie abgelten.

Angesichts der vom Landgericht prognostizierten dauerhaften Erträge der Antragsgegnerin zu 2, die ganz erheblich über den durchschnittlichen Erträgen der Jahre vor dem Stichtag liegen, erscheint auch die Höhe des gewählten Prozentsatzes gerechtfertigt.

Der Risikozuschlag soll abstellen auf die allgemeinen Risiken des Unternehmens. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen diesen allgemeinen und unternehmensspezifischen Risiken, die bereits im zu erwartenden finanziellen Überschuss Berücksichtigung finden, ist nicht möglich. Es kann daher die Höhe des Risikozuschlags nicht losgelöst vom Ansatz der Ertragswerte ermittelt werden. Schon dieser Umstand schließt es aus, den in einem anderen Einzelfall gewählten Ansatz, als Anhaltspunkt für den Risikozuschlag abzustellen auf die Differenz zwischen Basiszins und banküblicher Verzinsung von Großkrediten (BayObLG AG 1996, 127/129 f.; vgl. auch HFA 2/1983 Abschnitt B 3), schematisch auf andere Fälle zu übertragen.

4. Der festgestellte Ertragswert ist nicht unter Berücksichtigung des Börsenkurses zu korrigieren.

Bei der Bestimmung der Abfindung ist zwar der Börsenkurs der Aktien der Antragsgegnerin zu 2 zu berücksichtigen. Der Verkehrswert der Aktie, der regelmäßig mit dem Börsenwert identisch ist, stellt die untere Grenze des dem Aktionär zu zahlenden Entschädigungsbetrags dar (BVerfGE 100, 289/307 ff.). Dabei ist der Börsenkurs zugrunde zu legen, der unter Ausschluss außergewöhnlicher Tagesausschläge oder kurzfristiger sich nicht verfestigender sprunghafter Entwicklungen aus dem Mittel der Börsenkurse der letzten drei Monate vor dem Stichtag gebildet wird (BGH ZIP 2001, 734). Im fraglichen Zeitraum lag der Börsenkurs der Aktien der Antragsgegnerin zu 2 jedoch durchwegs unter der vom Landgericht ermittelten Barabfindung.

5. Der Ausspruch über die Verzinsung des Barabfindungsbetrages beruht auf § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG. Danach ist der Betrag der Barabfindung ab dem ersten Tag nach der Eintragung mit 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. dem mittlerweile an seine Stelle getretenen Referenzzinssatz zu verzinsen. Dieser variable Zinssatz findet auch Anwendung für den Zeitraum vor der Einführung der erwähnten, die Rechtslage nur klarstellenden Vorschrift durch das Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 20.10.1994 (BGBl. 1 3210; vgl. BayObLG AG 1996, 127/131; OLG Celle AG 1999, 128/131; OLG Stuttgart AG 2000, 428/432; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 93).

Zwar sind Zinsen nach einhelliger Auffassung neben dem Ausgleich nicht für denselben Zeitraum zu zahlen (vgl. BayObLG AG 1996, 127/131; OLG München AG 1998, 239; Ammon FGPrax 1998, 121/122; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 99). Eine nähere Bestimmung der Anrechnung kann im Spruchstellenverfahren jedoch nicht getroffen werden, da dieses ausschließlich über die Angemessenheit von Barabfindung und Ausgleich zu entscheiden hat. Der Ausspruch des Landgerichts, dass der Zinsanspruch entfällt, soweit die Aktionäre Ausgleichsbeträge geltend gemacht haben, dürfte daher nach Auffassung des Senats keinen Bestand haben.

V.

Der Senat beabsichtigt, den Ausgleich wie das Landgericht festzusetzen.

1. Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1.AktG muss ein Gewinnabführungsvertrag für die außenstehenden Aktionäre eine angemessene Ausgleichszahlung durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung vorsehen. Diesen Anspruch hat das Landgericht zutreffend aus dem Ertragswert abgeleitet.

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 3 ist dabei der Liquidationswert des vom Sachverständigen gesondert bewerteten Vermögens (inaktive bzw. ertragslose ausländische Tochtergesellschaften) nicht zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf AG 2000, 323/325; MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 73). Der Ausgleichsanspruch tritt an die Stelle der notwendig ausfallenden Dividende. Seine Angemessenheit bestimmt sich somit danach, welchen Dividendenanspruch der Aktionär ohne den Unternehmensvertrag zu erwarten gehabt hätte. In die Berechnung der Dividende wären aber Vermögenswerte, die auf den Ertrag keinen Einfluss haben, nicht eingeflossen (OLG Düsseldorf aaO). Ein Ausnahmefall (vgl. OLG Düsseldorf aaO) liegt hier nicht vor.

Auch die rechnerische Herleitung mit Hilfe des Kapitalisierungszinssatzes ist zutreffend.

3. Die Antragstellerin zu 3 meint weiter, die Ausgleichszahlung bedürfe wegen einer Änderung der körperschaftssteuerlichen Ausschüttungsbelastung einer Korrektur. Dies trifft nach Auffassung des Senats nicht zu. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 30.4.1992 sieht eine jährliche Ausgleichszahlung vor, mit der "das übliche Steuerguthaben verbunden" ist. Auch das Landgericht hat im Anschluss an das Gutachten die Ausgleichszahlung ermittelt "nach Herstellung der Körperschaftssteuerausschüttungsbelastung von 36 %"..Durch Art. 2 Nr. 7 des Standortsicherungsgesetzes vom 13.9.1993 (BGBl. I S. 1569) wurde die Ausschüttungsbelastung auf 30 % herabgesetzt ab dem ersten nach dem 31.12.1993 endenden Wirtschaftsjahr. Dieser Umstand vermindert die Steuergutschrift. Bei Berücksichtigung der verminderten Körperschaftssteuerausschüttungsbelastung ergäbe sich, ausgehend von der Berechnung des Sachverständigen (Gutachten Seite 21), ein höherer als der vom Landgericht festgesetzte Ausgleich, nämlich von etwa 118 DM. Gleichwohl kommt eine solche Anpassung des Ausgleichs nicht in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf AG 2000, 323/326; MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 175; Riegger/Kramer DB 1994, 565; a.A. OLG Zweibrücken AG 1995, 421/422). Der Senat vermag der nicht näher begründeten Auffassung des OLG Zweibrücken, dass "in einem noch in der Tatsacheninstanz anhängigen Verfahren, das (u.a.) fortlaufende Leistungen zum Gegenstand hat, ... bereits eingetretene Änderungen zu berücksichtigen" seien, nicht beizutreten. Es gilt insoweit zwar nicht der Grundsatz des intertemporalen Rechts (vgl. Art. 170 EGBGB, Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. Einf § 241 Rn. 29), dass das Schuldverhältnis dem Recht untersteht, das zur Zeit der Verwirklichung seines Entstehungstatbestands gegolten hat. Die geänderte Regelung der Ausschüttungsbelastung (§ 27 Abs. 1 KStO) betrifft den Tatbestand des § 304 AktG nicht unmittelbar, sondern nur als Reflex. Dennoch kann im vorliegenden Fall wegen des auch für den Ausgleich geltenden Stichtagsprinzips (vgl. BGH WM 1998, 867/869; MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 69) diese Gesetzesänderung keine Berücksichtigung finden. Es gab im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 2 (vgl. § 304 Abs. 1 Satz 3 AktG) keinen hinreichend gesicherten Anhaltspunkt für diese Novellierung. Der Gesetzentwurf datiert erst vom 20.1.1993 (BT-Drucks. 12/4158); er erfuhr ferner aufgrund Ausschussempfehlungen und Vermittlungsverfahren grundlegende Änderungen.

4. Der Senat hält schließlich die Ausgleichsregelung nicht deshalb für unangemessen, weil sie keine Anknüpfung an die Höhe des körperschaftssteuerliche Ausschüttungsbelastung vorsieht (vgl. OLG Düsseldorf AG 1999, 89/90). Das auf eine persönliche Steuerschuld des Aktionärs anrechenbare Steuerguthaben kann sich nach der vertraglichen Regelung bei konstantem Ausgleichsanspruch erhöhen oder erniedrigen. Dies hängt jedoch allein von der steuerrechtlichen Regelung ab, welche von den Antragsgegnerinnen weder vorhersehbar noch beeinflussbar ist. Inwieweit die Gutschrift für den Aktionär wirtschaftlich überhaupt bedeutsam wird, beruht auf dessen individuellen Steuerverhältnissen, fällt also in dessen Risikobereich.

Ende der Entscheidung

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