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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 108/00
Rechtsgebiete: KostO, G-Vertrages


Vorschriften:

KostO § 102
KostO § 107
KostO § 49
KostO § 136
KostO § 103
KostO § 46 Abs. 4
KostO § 107 Abs. 2
KostO § 107 Abs. 2 Satz 3
G-Vertrages § 15 Abs. 6
G-Vertrages § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

3Z BR 108/00 LG Traunstein 8 T 4083/99 AG Laufen VI 364/98

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Schreieder

am 21. Juni 2000

in der Kostensache

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden Nr. 1 des Beschusses des Landgerichts Traunstein vom 1. Februar 2000 sowie der Beschluß des Amtsgerichts Laufen vom 13. Oktober 1999 dahin abgeändert, daß die von der Beteiligten geschuldete Gebühr 8 140 DM beträgt.

Gründe:

I.

1998 verstarb der Ehemann der Beteiligten. Er hinterließ einen Aktivnachlaß von 2 700 666 DM. Daneben war er als Kommanditist an einer Kommanditgesellschaft zu 1/4 beteiligt. Weitere Kommanditisten zu je 1/4 waren die Beteiligte sowie die beiden Kinder des Erblassers. Komplementärin ist eine GmbH, an der der Erblasser ebenfalls zu 1/4 beteiligt war.

§ 15 des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft lautet:

"§ 15 Vererbung von Gesellschaftsanteilen

(1) Durch den Tod eines Kommanditisten wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern mit dem Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt.

(2) Beim Tode von ... (Erblasser) oder ... (Beteiligte) geht die Kommanditbeteiligung des verstorbenen auf den überlebenden Ehegatten über. Herr ... (Sohn) erhält vorweg einen Prozentpunkt der entsprechenden Kommanditbeteiligung. Nach dem Ableben des Längstlebenden geht seine Kommanditbeteiligung und die des Vorverstorbenen auf seine Abkömmlinge,... (Tochter) zu 49 % und ... (Sohn) zu 51 %, über.

(3) Verstirbt die Kommanditistin ... (Tochter), so geht deren Kommanditbeteiligung auf einen ihrer Abkömmlinge über. Die Kommanditistin ist berechtigt, diesen Rechtsnachfolger durch Verfügung von Todes wegen oder zu ihren Lebzeiten durch schriftliche Erklärung gegenüber der Geschäftsleitung der Gesellschaft zu bestimmen. Hat sie keine solche Bestimmung getroffen, so können ihre Erben den Rechtsnachfolger, der jedoch Abkömmling sein muß, binnen drei Monaten nach dem Erbfall bestimmen. Verstirbt die Kommanditistin ohne Abkömmling, fällt ihre Kommaditbeteiligung an den Familienstamm ... (Sohn). Ihren Erben oder Vermächtnisnehmern stehen gegen die Gesellschaft keinerlei Abfindungsansprüche zu.

(4) Abs. 3 gilt sinngemäß, wenn der Kommanditist ... (Sohn) verstirbt.

(5) Bei späteren Erbfällen wird die Rechtsnachfolge dergestalt geregelt, daß in jedem Familienstamm (§ 3 Abs. 3) jeweils nur ein Abkömmling des verstorbenen Kommanditisten Rechtsnachfolger in dessen Kommanditbeteiligung ist. Verstirbt ein Kommanditist ohne Abkömmling, dann fällt dessen Kommanditbeteiligung, ohne daß ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft besteht, an den anderen Familienstamm.

(6) Die Kommanditisten sind gehalten, durch Verfügung von Todes wegen sicherzustellen, daß die Rechtsnachfolge in ihren Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH synchron dem der Rechtsnachfolge in ihre Kommanditbeteiligung verläuft."

Mit formgültigen Testamenten vom 8.10.1979 und 29.9.1989 setzte der Erblasser die Beteiligte als Alleinerbin ein. Diese nahm in der Nachlaßverhandlung am 2.7.1998 vor dem Amtsgericht die Erbschaft an. Antragsgemäß wurde ihr ein Erbschein bewilligt, wonach sie Alleinerbin ist, sich der Erbschein aber nicht auf den in Österreich gelegenen Grundbesitz im Wert von 100 000 DM erstreckt.

Mit Kostenrechnung vom 11.6.1999 setzte das Amtsgericht für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen nach § 102 KostO eine Gebühr von 5 200 DM, für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung gemäß §§ 107, 49 KostO 7670 DM sowie für die Erteilung eines Erbscheins nach § 107 KostO 7 670 DM, insgesamt somit 20 540 DM fest.

Auf die Erinnerung der Beteiligten änderte das Amtsgericht die Gebühr auf 11 680 DM, wobei es den Wert des Kommanditanteils nicht in den Geschäftswert einbezog.

Auf die Beschwerde der Staatskasse änderte das Landgericht am 1.2.2000 den Beschluß des Amtsgerichts dahin ab, daß von der Beteiligten zu den bereits in Rechnung gestellten 20 540 DM ein weiterer Betrag von 1 160 DM nachzufordern ist. Die Beschwerde der Beteiligten sowie die weitergehende Beschwerde der Staatskasse wies es zurück. Dagegen wendet sich die Beteiligte mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde, mit der die Beteiligte erreichen will, daß der Kommanditanteil des Erblassers nicht dem Nachlaß zugerechnet wird.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) hat in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, aus § 15 Abs. 6 i.V.m. § 15 Abs. 2 des KG-Vertrages werde ersichtlich, daß die Gesellschafter eine erbrechtliche Nachfolge beabsichtigt hätten, wonach nach dem Tode des Erblassers dessen Kommanditanteil von 25 % nicht den übrigen Gesellschaftern zuwachsen sollte, sondern durch qualifizierte Nachfolgeklausel die Ehefrau 24 % und der Sohn 1 % erhalten sollten. Diese qualifizierte Nachfolgeklausel sei erst durch die testamentarischen Verfügungen des Erblassers vom 8.10.1979 bzw. 29.9.1989 und 23.12.1989, nämlich durch Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin, inhaltlich ausgefüllt worden. Der der Ehefrau erteilte Erbschein bezeuge daher in widerleglicher Vermutung nicht nur deren Gesamtrechtsnachfolge in das private Vermögen des Erblassers, sondern auch deren Sonderrechtsnachfolge in den Gesellschaftsanteil des Erblassers an der KG. Ohne diese Erbenstellung hätte die Ehefrau nicht die Sonderrechtsnachfolge antreten können. Der Wert des Kommanditanteils, der aufgrund Sonderrechtsnachfolge auf die Ehefrau als Alleinerbin übergegangen sei, müsse deshalb berücksichtigt werden. Das Amtsgericht habe den Wert zutreffend mit 4 740 751 DM berechnet. Aus dem Nachlaßverzeichnis ergebe sich ein weiteres Aktivvermögen von 2 700 666 DM. Daraus errechneten sich Gebühren für die Testamentseröffnung in Höhe von 5 635 DM, für die eidesstattliche Versicherung in Höhe von 8 030 DM, für die Erteilung des Erbscheins in Höhe von 8 030 DM sowie Schreibauslagen gemäß § 136 KostO in Höhe von 5 DM, insgesamt somit 21 700 DM. Da mit Kostenrechnung vom 11.6.1999 bereits 20 540 DM in Rechnung gestellt worden seien, habe die Kostenschuldnerin noch 1 160 DM nachzuentrichten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

Der Kommanditanteil fällt nicht in den Nachlaß und ist daher bei der Bestimmung des Nachlaßwertes nicht zu berücksichtigen.

a) Die Gesellschafter einer Personengesellschaft können im Gesellschaftsvertrag regeln, ob ein Gesellschaftsanteil vererblich sein soll, und näher bestimmen, wie der einzelne Gesellschafter seinen Anteil vererben kann (sog. erbrechtliche Nachfolgeklausel; vgl. Palandt/Edenhofer BGB 59. Aufl. § 1922 Rn. 17). Wird der Gesellschaftsanteil den Vorgaben dieser Klausel entsprechend vererbt, fällt er in den Nachlaß. Die Gesellschafter haben aber auch die Möglichkeit, im Gesellschaftsvertrag durch Rechtsgeschäft unter Lebenden die Übertragung so zu regeln, daß mit dem Erbfall der Anteil auf den Begünstigten übergeht, insbesondere falls dieser wie hier bereits Mitgesellschafter ist (sog. rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel; BGHZ 68, 225/234; Priester DNotZ 1977, 559; MünchKomm/Ulmer BGB 3. Aufl. § 727 Rn. 36/38; Baumbach/Hopt HGB 29. Aufl. § 139 Rn. 56). In diesem Fall fällt der Anteil nicht in den Nachlaß.

b) Was die Gesellschafter gewollt haben, ist im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) zu ermitteln (BayObLG DB 1980, 2028). Ein wesentliches Kriterium für eine erbrechtliche Nachfolgeklausel besteht darin, daß durch die gesellschaftsrechtliche Regelung noch nicht endgültig feststeht, wer Erbe wird. Dies entscheidet sich erst bei Eintritt des Erbfalls. Voraussetzung für den Anteilsübergang ist es dann, daß der Gesellschafter als Erblasser für die Erbenstellung der als Nachfolger nach dem Gesellschaftsvertrag in Betracht kommenden Person sorgt (MünchKomm/Ulmer § 727 Rn. 32). Wenn die in der Nachfolgeklausel bezeichnete Person nicht schon zu den gesetzlichen Erben gehört, bedarf es einer letztwilligen Verfügung. Ist der potentielle Nachfolger nicht Erbe, geht die Nachfolgeklausel ins Leere.

Demgegenüber wird bei der rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel schon im Gesellschaftsvertrag endgültig bestimmt, was nach dem Tod des Gesellschafters mit seinem Gesellschaftsanteil - im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen - geschieht und damit die Ungewißheit über die künftige personelle Zusammensetzung der Gesellschaft beseitigt. Bindet sich der Erblasser bereits im Gesellschaftsvertrag endgültig, so daß er keine anderweitige Nachfolgeregelung mehr treffen kann, und erwächst dem Nachfolger daraus ein unentziehbares Recht, dann liegt eine rechtsgeschäftliche Nachfolgeregelung vor (BGHZ 68, 225/234; BayObLG DB 1980, 2028/2029).

c) Bei Zugrundelegung dieser Abgrenzungskriterien ergibt sich, daß der Erblasser seinen Kommanditanteil mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden auf seine Frau übertragen hat. Der Erblasser und seine Ehefrau haben in § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages sich gegenseitig für den Fall des Todes ihren Anteil übertragen und bestimmt, daß beim Tode des zuletzt Versterbenden der Anteil auf die Kinder übergehen soll. Sie haben damit - für beide Seiten verbindlich - geregelt, was zum Todeszeitpunkt eines Gesellschafters mit dessen Anteil geschehen soll. Den Umständen nach wollten sie eine endgültige Regelung treffen. Jeder sollte an die Vereinbarung gebunden sein. Die Regelung war so vollständig, daß eine Verfügung von Todes wegen nicht mehr nötig war und eine Abweichung nicht mehr möglich sein sollte. Unabhängig von der erbrechtlichen Situation sollte der Überlebende mit dem Tode des Erblassers den Gesellschaftsanteil erhalten.

3. Danach ergibt sich folgende Gebührenberechnung:

a) Für die Testamentseröffnung fällt nach § 102 KostO eine halbe Gebühr an. Nach § 103 KostO sind die Wertvorschriften des § 46 Abs. 4 KostO entsprechend anzuwenden mit der Folge, daß vom Aktivnachlaß die vorhandenen Schulden, nicht aber später entstehende oder erst durch den Erbfall entstehende Verbindlichkeiten wie Vermächtnisse, Pflichtteilsansprüche, Auflagen usw. (Korintenberg/Reimann KostO 14. Aufl. § 46 Rn. 20) abzuziehen sind. Der Aktivnachlaß ohne die Gesellschaftsbeteiligungen beträgt nach den Feststellungen des Landgerichts 2 700 666 DM. Hinzu kommen noch 12 500 DM als Beteiligung an der GmbH. Der Erblasser war Gesellschafter der Komplementär-GmbH zu 1/4. In der Anlage I zum Nachlaßverzeichnis wurde das Gesamtvermögen der GmbH mit 50 000 DM angegeben. Die Beteiligung gehört zum Nachlaß, da GmbH-Anteile vererbbar sind. Der Aktivnachlaß beträgt danach 2 713 166 DM. Abzüglich der vom Erblasser herrührenden Nachlaßverbindlichkeiten in Höhe von 3 622 DM ergibt sich ein Geschäftswert von nur 2 709 544 DM. Eine halbe Gebühr beträgt 2 095 DM.

b) Für die Erteilung des Erbscheins und die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung wird die volle Gebühr erhoben (§ 107 KostO). Maßgeblich ist nach § 107 Abs. 2 KostO der Wert des nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten verbleibenden reinen Nachlasses im Zeitpunkt der Erbfolge. Vom Aktivnachlaß in Höhe von 2 713 166 DM sind demnach abzuziehen 3 622 DM vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten, Beerdigungskosten in Höhe von 25 500 DM; ferner der Grundbesitz in Österreich im Wert von 100 000 DM gemäß § 107 Abs. 2 Satz 3 KostO (Korintenberg/Lappe § 107 Rn. 54 letzter Satz). Weiter sind die Pflichtteilsansprüche der Kinder zu berücksichtigen. Diese belaufen sich auf 1/4 des Nachlasses (§§ 2303, 1924 Abs. 1, 4, § 1931 Abs. 1, 3, § 1371 Abs. 1 BGB), der nach Abzug der übrigen Nachlaßverbindlichkeiten (vgl. Palandt/Edenhofer § 2311 Rn. 3, 4) verbleibt, somit auf [2 713 166 DM - (3 622 DM + 25 500 DM + 100 000 DM)]./. 4 = 646 011 DM. Der Wert des Nachlasses beträgt damit 2 713 166 DM - 129 122 DM - 646 011 DM = 1 938 033 DM. Eine volle Gebühr ist 3 200 DM.

Insgesamt betragen die Gebühren danach 2 095 DM + 3 020 DM + 3 020 DM + 5 DM (Schreibauslagen gemäß § 136 KostO) = 8 140 DM.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 14 Abs. 5 KostO).

Ende der Entscheidung

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