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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 109/02
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 14
ZPO § 127
Gewährt das Landgericht keine Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren, besteht die zulassungsbedürftige sofortige weitere Beschwerde.
Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 10.1.2002 bestellte das Amtsgericht einen Berufsbetreuer für den Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Sorge für die Gesundheit, Entgegennahme und Öffnen der Post, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden sowie Vermögenssorge. Ferner ordnete das Amtsgericht an, dass der Betroffene zu Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis Vermögenssorge betreffen und einen Wert von 100 DM übersteigen, der Einwilligung des Betreuers bedarf.

Der Betroffene legte hiergegen Beschwerde bzw. sofortige Beschwerde ein und beantragte zudem jeweils Prozesskostenhilfe. Das Landgericht hat dem Betroffenen mit Beschluss vom 20.2.2002 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt und die Beschwerden des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts mit Beschluss vom 10.4.2002 zurückgewiesen. Gegen beide Entscheidungen richten sich Rechtsmittel des Betroffenen.

II.

Die,(sofortige) Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 20.2.2002 war als unstatthaft zu verwerfen, weil die eine Prozesskostenhilfe ablehnende Entscheidung im Beschwerdeverfahren ergangen ist. Das Gesetz sieht die (sofortige) Beschwerde bei Ablehnung von Prozesskostenhilfe in Betreuungssachen gemäß § 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur vor, soweit die Entscheidung im ersten Rechtszug ergangen ist (§ 567 Abs. 1 ZPO). Gegen entsprechende Entscheidungen im Beschwerdeverfahren ist die sofortige Beschwerde unstatthaft (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 127 Rn. 6; BayObLG Z 2002, 89/91). Statthaft ist hier allenfalls, entsprechend der Rechtsbeschwerde im Zivilprozeß (§ 574 Abs. 1 ZPO), die zulassungsbedürftige sofortige weitere Beschwerde (vgl. BayObLG Z 2002 Nr. 26). Eine Zulassung ist im vorliegenden Falle nicht erfolgt.

III.

Die weitere und sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts vom 10.4.2002 sind zulässig. Die formwidrige Begründung der Rechtsmittel hindert nicht die volle Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung (BayObLG ZMR 2000,'321/322).

Beide Rechtsmittel erweisen sich indessen als unbegründet. Das Landgericht hat die Beschwerden des Betroffenen ohne Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) zurückgewiesen.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung wie auch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes im vorliegenden Falle vorgelegen hätten. Nach beiden zur Person des Betroffenen erholten fachärztlichen Gutachten leide der Betroffene an einer Alkoholerkrankung. Diese habe - so das nervenärztliche Gutachten des zuletzt vom Vormundschaftsgericht zugezogenen Sachverständigen - zu einem organischen Psychodrom, nämlich zu einer Wesensänderung und einer beginnenden Demenz, geführt. Es seien Veränderungen im Affekt und im Antriebsverhalten des Betroffenen sowie ein Verlust der Fähigkeit zu konstatieren, die Konsequenzen eigenen Verhaltens einzuschätzen und realistisch zu beurteilen. Aufgrund der Beeinträchtigungen des Betroffenen seien die freie Willensbildung und ein einsichtsgemäßes Handeln derart eingeschränkt, dass der Betroffene zu einer eigenen Lebensgestaltung nicht mehr in der Lage sei und sich durch einen fortgesetzten Alkoholkonsum sowie durch Verwahrlosung weiterhin erheblich gesundheitlich schaden würde. Die Fortführung der bereits begonnenen Betreuung in den eingangs erwähnten Aufgabenkreisen sei aus medizinischer Sicht notwendig. Darüber hinaus könne der Betroffene aufgrund seines kritiklosen Umgangs mit finanziellen Mitteln Rechtsgeschäfte vornehmen, vor deren Folgen er geschützt werden müsse. Einschlägige Vorkommnisse seien bereits bekannt geworden (Handy-Vertrag, Bestellungen bei Versandhäusern). Von daher sollte auch der Einwilligungsvorbehalt für Vertrags- und Finanzangelegenheiten bis zu einer Höhe von 100 DM beibehalten werden.

Die Kammer habe keinen Grund, an den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen der Gutachter zu zweifeln, zumal diese in Übereinstimmung stünden mit dem persönlichen Eindruck, den die Kammer bei der Anhörung des Betroffenen gewonnen habe. Angesichts des Zustandes des Betroffenen müsse in seinem Interesse dafür Sorge getragen werden, dass in den vorbenannten Aufgabenkreisen vernünftige Entscheidungen getroffen werden könnten. Insbesondere komme angesichts des Zustandes des Betroffenen auch eine Unterbringung zur Durchführung einer Alkoholtherapie in Betracht. Was den Einwilligungsvorbehalt betreffe, so sei eine solche Entscheidung zur Abwehr erheblicher Gefahren für das Vermögen des Betroffenen erforderlich. Dies ergebe sich nicht nur aus den erholten Gutachten, sondern auch aus Mitteilungen des früheren Betreuers.

2. Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht ihm einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt daneben voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 454/455). Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLG aaO).

Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes setzt außer dem Bestehen entsprechender Aufgabenkreise des Betreuers voraus, dass der Betroffene im Bereich des Vorbehalts zu einer freien Willensbestimmung nicht imstande ist, dass eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betroffenen besteht und dass zur Abwendung dieser Gefahr der Einwilligungsvorbehalt erforderlich ist (§ 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. BayObLGZ 1993, 63).

3. Die Entscheidung des Landgerichts entspricht diesen Grundsätzen. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass im Falle des Betroffenen nach den erholten Gutachten die Voraussetzungen sowohl für die Anordnung einer Betreuung als auch eines Einwilligungsvorbehaltes vorliegen. Der Betroffene besitzt danach aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr die Fähigkeit, in den einzelnen dem Betreuer übertragenen Aufgabenkreisen seine Angelegenheiten zu besorgen. Aufgrund seiner Erkrankung kann er insoweit auch seinen Willen nicht mehr frei bestimmen. Insbesondere seine Wohnungssituation hatte der Betroffene bis zuletzt nicht mehr im Griff. Es kam zu einer Zwangsräumung. Dessen ungeachtet stellt der Betroffene weiterhin Erwägungen an, wieder eine eigene Wohnung zu übernehmen. Er denkt hier nach den Feststellungen des Sachverständigen an die Wohnung seiner Mutter. Mit Blick hierauf besteht auch in diesem Punkt weiterhin Regelungsbedarf (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 117; 1997, 902/903).

Der Aufgabenkreis Postangelegenheiten durfte dem Betreuer übertragen werden, weil dieser vor allem angesichts der Neigung des Betroffenen zu unvernünftigen Vermögensverfügungen seine Aufgaben auf diesem Sektor ansonsten nicht in der gebotenen Weise erfüllen könnte und hierdurch wesentliche Rechtsgüter des Betroffenen erheblich gefährdet würden (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 871).

Entsprechendes gilt für den angeordneten Einwilligungsvorbehalt; dieser ist erforderlich, um zu verhindern, dass sich der Betroffene durch unvernünftige finanzielle Transaktionen selbst schädigt. Das Amtsgericht war in diesem Zusammenhang berechtigt, einen Grenzbetrag festzusetzen, bei dessen überschreiten der Einwilligungsvorbehalt wirksam wird (vgl. BayObLGZ 1993, 346; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1903 BGB Rn. 32). Der vom Amtsgericht festgesetzte Betrag von 100 DM entspricht 51,13 EUR.

Von der Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Landgericht im Beschwerdeverfahren gemäß § 69g Abs. 5 Satz 4 FGG ohne Rechtsfehler abgesehen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Unzulänglichkeiten der Begutachtung oder eine Änderung im Zustand des Betroffenen dessen erneute Begutachtung gemäß § 12 FGG erforderlich machen würden (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 69g FGG Rn. 27).

IV.

Soweit der Betroffene in seiner Rechtsmittelbegründung Anzeige gegen den bestellten Betreuer und eine weitere Person erstattet, ist er darauf hinzuweisen, dass für die Entgegennahme von Strafanzeigen und die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen die Staatsanwaltschaften berufen sind. Über den Antrag des Betroffenen auf Ablösung seines Betreuers wird das Vormundschaftsgericht nach Rückleitung der Akten zu befinden haben.



Ende der Entscheidung

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