Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.08.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 116/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1899 Abs. 1
BGB § 1899 Abs. 3
FGG § 27
1. Die Bestellung von vier Betreuern mit Einzelvertretungsmacht hinsichtlich des gesamten Aufgabenkreises muss durch besondere Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt sein.

2. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die landgerichtliche Entscheidung betreffend eine Betreuerbestellung auch dann insgesamt aufheben und die Sache zurückverweisen, wenn nur einzelne abtrennbare Teile der Entscheidung rechtlich zu beanstanden sind.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 13.1.2003 auf Anregung des Vermieters der Betroffenen für diese auf die Dauer von fünf Jahren vier Mitarbeiterinnen eines Betreuungsvereins, jeweils mit Einzelvertretungsbefugnis, als Betreuerinnen für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge je für psychiatrische Behandlung sowie Wohnungsangelegenheiten.

Das Landgericht hat die von der Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde am 28.4.2003 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie aus Rechtsgründen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Betroffene leide an einem Verfolgungswahn. Aufgrund dieser psychischen Krankheit könne sie ihre Angelegenheiten in den genannten Aufgabenkreisen nicht mehr besorgen und bedürfe daher eines Betreuers. Die Bestellung von vier Vereinsbetreuerinnen mit Einzelvertretungsmacht wurde vom Landgericht nicht beanstandet.

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.

a) Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht im Stande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1994, 209/211; BayObLG FamRZ 2000, 189). Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist; dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLGZ 1994, 209/212).

Zum Betreuer bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Das Vormundschaftsgericht kann mehrere Betreuer bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. In diesem Falle bestimmt es, welcher Betreuer mit welchem Aufgabenkreis betraut wird (§ 1899 Abs. 1 BGB). Soweit mehrere Betreuer mit demselben Aufgabenkreis betraut werden, können sie die Angelegenheiten des Betreuten nur gemeinsam besorgen, es sei denn, dass das Gericht etwas anderes bestimmt hat oder mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§ 1899 Abs. 3 BGB). Das Abweichen von dem in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Einzelbetreuung muss durch besondere Umstände gerechtfertigt sein (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1502).

b) Die Feststellungen des Landgerichts zum Vorliegen einer psychischen Krankheit begegnen entgegen der mit dem Rechtsmittel geäußerten Meinung keinen rechtlichen Bedenken. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich klar, dass die Betroffene an einem Verfolgungswahn erheblicher Schwere leidet. Die im Gutachten angeführten Befunde sind eindeutig und deckungsgleich mit den Angaben der Betreuungsbehörde und letztlich auch jenen des Vermieters in der Anregung, einen Betreuer zu bestellen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, in welchem Zustand sich die Wohnung der Betroffenen befindet bzw. befunden hat. Der Sozialbericht der Betreuungsbehörde spricht von "recht verwahrlost", der Sachverständige von "nahezu verwahrlost", eine der Betreuerinnen von "unaufgeräumt, chaotisch, aber nicht verwahrlost". Dies kann bei der Beurteilung des Betreuungsbedarfs und bei dem Zuschnitt des Aufgabenkreises des Betreuers eine Rolle spielen. Für das Bestehen eines Verfolgungswahns lässt sich hieraus nichts herleiten. Deshalb kann hier dahinstehen, ob der Rippenbruch der Betroffenen der Grund für die Unordnung in der Wohnung der Betroffenen war. Ebenfalls kann dahinstehen, in welche medizinische Kategorie die Erkrankung der Betroffenen letztlich einzuordnen ist, zumal die Übergänge zwischen diesen Kategorien, wie dem Senat aus einer Vielzahl von Betreuungs- und Unterbringungsverfahren bekannt ist, häufig fließend sind.

Das Landgericht hat sich offensichtlich auch die Bekundung des Sachverständigen bei der Anhörung am 21.3.2003 zu Eigen gemacht, wonach die Betroffene aufgrund ihrer Krankheit ihren Willen nicht mehr frei bestimmen kann. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

c) Hingegen lassen die bisher getroffenen Feststellungen noch keine abschließende Beurteilung des erforderlichen Umfangs der Betreuung zu. Keine hinreichende Stütze findet sich insbesondere für die Anordnung der Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern in den Akten. Einzige Anhaltspunkte sind nicht näher ermittelte Unregelmäßigkeiten bei Mietzinszahlungen und das nicht notwendigerweise ausschließlich damit im Zusammenhang stehende Räumungsverfahren. Hinsichtlich der Mietzinszahlungen kann nach dem Akteninhalt nicht ausgeschlossen werden, dass die Betroffene diese zumindest zum Teil berechtigterweise gemindert oder zurückgehalten hat. Somit kann dieses Verhalten für sich genommen ohne weitere Feststellungen nicht die Erforderlichkeit einer Betreuung im Bereich Vermögenssorge tragen. Die Hilfe bei mit einer eventuellen Zwangsräumung verbundenen Schwierigkeiten sowie im gerichtlichen Räumungsverfahren ist durch den Bereich Wohnungsangelegenheiten bereits abgedeckt.

Für etwaige Probleme der Betroffenen gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern gibt der Akteninhalt nichts her. Gleiches gilt für den Bereich Vermögen/Schulden über den Bereich der Mietzahlungen hinaus.

d) Schließlich ist nicht ersichtlich, weshalb vier Betreuerinnen mit Einzelvertretungsmacht bestellt wurden. Das Landgericht ist auf diese Frage nicht eingegangen. Es hat lediglich die Eignung der Betreuerinnen bejaht. Das Amtsgericht führte dazu aus, es sei dem bedenkenfreien Vorschlag der Betreuungsbehörde gefolgt. Diese hat jedoch den Betreuungsverein, allerdings unter Benennung zweier Namen von offenbar dortigen Mitarbeiterinnen, vorgeschlagen.

e) Da noch weitere Ermittlungen erforderlich sind, ist die angefochtene Entscheidung insgesamt aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Zwar betreffen die aufgeführten rechtlichen Mängel nur Teilbereiche der Betreuerbestellung. Eine Abschichtung einzelner Teilbereiche erscheint dem Senat jedoch nach den Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung nicht sinnvoll.

Ende der Entscheidung

Zurück