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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 118/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836a
BGB § 1908e
Teilt ein Betreuungsverein dem Vormundschaftsgericht eine länger dauernde Verhinderung eines bestellten Vereinsbetreuers mit und regt die Bestellung eines vereinsintern zur Vertretung eingeteilten Mitarbeiters zum Ergänzungsbetreuer an, wird aber der benannte Vereinsmitarbeiter erst mit erheblicher Verzögerung bestellt, kann für von ihm zwischenzeitlich erbrachte Tätigkeiten der Verein Vergütung und Aufwendungsersatz fordern (vgl. OLG Brandenburg MDR 2002, 397).
Gründe:

I.

Für die Betroffene wurde mit Beschluss des Amtsgerichts W. vom 11.3.2002 eine Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1 als Vereinsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung, Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen sowie Vermögenssorge einschließlich Wohnungsangelegenheiten bestellt.

Mit Schreiben vom 11.7.2002 an das Vormundschaftsgericht teilte der Beteiligte zu 1 mit, dass die Betreuerin derzeit erkrankt sei. Wörtlich wird ausgeführt: "Da sie längere Zeit, voraussichtlich noch ca. vier bis fünf Monate fehlen wird, wäre es gut, eine Bestellung als Vertreter zu erhalten."

Weiterhin legte das Schreiben dar, dass aufgrund vereinsinterner Aufteilung dem weiteren Mitarbeiter Herrn M. die Vertretung bezüglich der Betroffenen übertragen worden sei. Auf dieses ohne Verfügung oder Bearbeitungsvermerk in der Betreuungsakte abgeheftete Schreiben reagierte das Vormundschaftsgericht nicht.

Eine Anfrage des Gerichts, ob die Betreuerin mit der Abgabe des Verfahrens einverstanden sei, beantwortete Herr M. mit Schreiben vom 31.7.2002, wobei er mit "i.A." unterzeichnete.

Nach Abgabe des Verfahrens schrieb Herr M. am 20.9.2003 an das nunmehr zuständig gewordene Vormundschaftsgericht:

"Anbei schicke ich Ihnen in meiner Funktion als Krankheitsvertretung für meine Kollegin S. den alten Betreuerausweis des Amtsgerichts W. zu.

Beim Amtsgericht W. wurde beantragt, eine offizielle Vertretungsbetreuung auf meinen Namen einzurichten. Da Frau S. aller Voraussicht nach noch mindestens bis Ende des Jahres krankheitsbedingt ausfallen wird, bitte ich Sie hiermit, diese Angelegenheit weiter zu bearbeiten."

Am 24.10.2002 bestellte das nunmehr zuständige Amtsgericht nach Anhörung der Betreuungsstelle Herrn M. zum "Ersatzbetreuer als Mitarbeiter der Beteiligten zu 1" in dem bestehenden Aufgabenkreis.

Mit Abrechnung vom 8.11.2002 beantragte der Beteiligte zu 1 Vergütungs- und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 2.342,04 Euro für den Zeitraum vom 4.4. bis 23.9.2002. Auf Rückfrage des Gerichts erläuterte der Beteiligte zu 1, dass bis einschließlich 14.6.2002 alle abgerechneten Tätigkeiten ausschließlich von der Betreuerin erbracht worden seien. Im nachfolgenden Zeitraum sei Herr M. tätig geworden; nur an zwei Tagen habe die Betreuerin selbst u.a. mehrere abgerechnete Telefongespräche geführt.

Unter Berücksichtigung dieser Angaben entfiel somit wesentlicher Teil des Gesamtbetrages auf Tätigkeiten, die Herr M. in dem in Rede stehenden Zeitraum erbracht hatte.

Der Beteiligte zu 2 sprach sich gegen die Zahlung dieses Teilbetrages aus, da Herr M. seinerzeit noch nicht zum Ergänzungsbetreuer bestellt gewesen sei.

Der Vergütungsanspruch entstehe erst mit der Bestellung. Eine abweichende Beurteilung sei auch bei der hier gegebenen Sachlage nicht gerechtfertigt.

Das Vormundschaftsgericht setzte mit Beschluss vom 25.3.2003 die beantragten Beträge gegen die Staatskasse fest.

Hiergegen legte der Beteiligte zu 2 "insoweit Beschwerde ein, als ein höherer Betrag als 1.583,70 Euro festgesetzt wurde."

Das Landgericht hat am 6.5.2003 den erstinstanzlichen Beschluss unter Kürzung der geltend gemachten Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche um die im Zeitraum zwischen dem 15.6. bis 14.7.2002 angefallenen Beträge dahingehend abgeändert, dass dem Beteiligten zu 1 ein Betrag von 2.327,37 Euro aus der Staatskasse zu erstatten sei. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen.

Sie ist aber nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seinem Beschluss ausgeführt:

Der Grundsatz, dass ein Betreuer Vergütung und Aufwendungsersatz erst für Tätigkeiten nach seiner Bestellung verlangen könne, gelte auch für Vereinsbetreuer und die von ihnen begründeten Ansprüche des Betreuungsvereins. Vereinsbetreuer könnten nicht mit anspruchsbegründender Wirkung die ihnen persönlich obliegenden Tätigkeiten etwa im Wege der Vollmachtserteilung auf Dritte - auch nicht auf andere Vereinsmitarbeiter - übertragen.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz fehlender Vergütungsfähigkeit müsse aber dann gelten, wenn - wie hier - der Verein dem Vormundschaftsgericht die Verhinderung des bestellten Vereinsbetreuers mitteile und zugleich die Bestellung eines anderen Vereinsbetreuers oder eines Ergänzungsbetreuers desselben Vereins anrege. Reagiere hierauf das Vormundschaftsgericht nicht und äußere andererseits aber auch keine Bedenken gegen die vom Betreuungsverein getroffene Vertretungsregelung, müsse dies als stillschweigende Zustimmung zu der Handhabung erscheinen und den Eindruck erwecken, es sei in Kürze mit einem entsprechenden Beschluss über die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung zu rechnen.

Deshalb seien hier die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vergütung der Arbeitsleistung und der Aufwendungen des Ergänzungsbetreuers bereits für einen Zeitraum vor seiner Bestellung gegeben. Dieser beginne mit dem Zeitpunkt, ab dem bei einem ordnungsgemäßen Handeln des Vormundschaftsgerichts spätestens ein Ergänzungsbetreuer hätte bestellt werden müssen. Dies sei hier jedenfalls binnen drei Tagen nach Eingang des Antrags möglich gewesen, so dass die geltend gemachten Aufwendungen und angesetzte Arbeitszeit des tätig gewordenen Vereinsmitarbeiters ab dem 15.7.2002 zu vergüten seien. Die Kammer weiche nur insoweit von der Auffassung des OLG Brandenburg (MDR 2002, 397) ab, welches bei grundsätzlich übereinstimmender Beurteilung bereits den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bzw. der Anregung zur Bestellung eines Ergänzungsbetreuers als maßgeblich angesehen habe.

Da das Schreiben des Beteiligten zu 1 mit der Mitteilung der Verhinderung der Vereinsbetreuerin und der Anregung, Herrn M. zum Ergänzungsbetreuer zu bestellen, am 12.7.2002 beim Vormundschaftsgericht eingegangen sei, könnten erst ab dem 15.7.2002 erbrachte Betreuungsleistungen als vergütungs- und aufwendungsersatzfähig angesehen werden.

2. Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Das Landgericht hat zutreffend als Ausgangspunkt zugrundegelegt, dass ein Betreuungsverein bei voraussichtlich länger dauernder Verhinderung des bestellten Vereinsbetreuers einen anderen Mitarbeiter des Vereins zum Ergänzungsbetreuer bestellen lassen kann (§ 1899 Abs.4 BGB). Ohne eine solche Bestellung von dem Mitarbeiter allein aufgrund einer vereinsinternen Vertretungsregelung erbrachte Tätigkeiten lösen grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz und Vergütung aus, weil dieser gem. § 1908e Abs.1 BGB voraussetzt, dass die zugrunde liegenden Tätigkeiten von einem Vereinsbetreuer erbracht werden (OLG Brandenburg MDR 2002, 397 m.w.N.).

Allerdings kann ein Verein, der die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers beim Vormundschaftsgericht angeregt hat, auch nicht etwa notwendige Tätigkeiten im Aufgabenkreis des bestellten Vereinsbetreuers solange zurückstellen, bis das Vormundschaftsgericht entschieden hat. Dies widerspräche einer pflichtgemäßen Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen im Rahmen der dem Betreuer gem. § 1902 BGB obliegenden gesetzlichen Vertretung (OLG Brandenburg aaO). Auch wenn ein Mitarbeiter persönlich zum Vereinsbetreuer bestellt wird, trifft den Verein - der auch Gläubiger des Vergütungsanspruchs gem. § 1908e Abs.1 BGB ist - eine Organisationsverantwortung für den Fall der Verhinderung des Vereinsbetreuers. Dieser wird er durch interne Vertretungsregelungen und die rechtzeitige Anregung an das Vormundschaftsgericht zur Bestellung des Vertreters als Ergänzungsbetreuer gerecht. Der Verein muss dann aber auch darauf vertrauen können, dass das Gericht aufgrund der Mitteilung in angemessener Zeit über die Anregung entscheidet. Ergeht diese Entscheidung erst mit erheblicher Verzögerung, kann dies nicht zu Lasten des Vereins gehen, indem ihm Vergütung und Aufwendungsersatz erst ab dem Zeitpunkt der Ergänzungsbetreuerbestellung zugebilligt werden.

Zwar ist von einem Verein, auf dessen Anregung das Gericht nicht reagiert hat, zu erwarten, dass er diese in angemessener Zeit wiederholt. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zuständige Richter z.B. infolge einer fehlerhaften Zuordnung des Schreibens innerhalb des Gerichts von der Anregung keine Kenntnis erhalten hat.

Hier hat der später bestellte Ergänzungsbetreuer mit Schreiben vom 20.9.2002 das nach der Abgabe zuständige Vormundschaftsgericht an die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung erinnert. Der damit seit Eingang der erstmaligen Anregung vergangene Zeitraum von etwas über zwei Monaten kann nicht als unangemessen lang bezeichnet werden. Dies gilt hier umso mehr, als zwischenzeitlich das Verfahren an das nunmehr zuständige Vormundschaftsgericht abgegeben worden war und damit auch gerichtsinterne Verzögerungen der Abläufe in Rechnung zu stellen waren.

b) Dem Beteiligten zu 1 kann auch nicht angelastet werden, dass er sich nicht von vornherein um die Bestellung eines weiteren Vereinsbetreuers für etwaige Verhinderungsfälle bemüht habe. Es mag zwar zweckmäßig sein, wenn ein Betreuungsverein anlässlich der Einwilligung in die Bestellung eines Mitarbeiters als Vereinsbetreuer gemäß § 1897 Abs.2 Satz 1 BGB zugleich die Bestellung eines weiteren Mitarbeiters für den Verhinderungsfall anregt. Eine gesetzliche Pflicht zu einer solchen Vorkehrung besteht aber nicht. Sie erscheint auch deshalb entbehrlich, weil im Regelfall das Vormundschaftsgericht in der Lage sein muss, kurzfristig auf entsprechende Anregung hin einen Ergänzungsbetreuer zu bestellen.

Daher kann dem Verein auch kein vergütungsrechtlicher Nachteil daraus erwachsen, dass er es hingenommen hat, wenn zunächst nur ein einziger Mitarbeiter als Vereinsbetreuer bestellt wurde. Im Übrigen würde selbst eine vorsorgliche Bestellung eines Ergänzungsbetreuers in jedem Fall, in dem ein Vereinsbetreuer bestellt wird, keine Gewähr dafür bieten, dass gerade dieser Ergänzungsbetreuer im Verhinderungsfall auch zur Verfügung steht und nicht etwa selbst längerfristig verhindert ist. Der Auffassung des Beteiligten zu 2, dass der Verein bei einer vom Gericht zu vertretenden Verzögerung der Ergänzungsbetreuerbestellung für den davor liegenden Zeitraum Vergütung und Aufwendungsersatz nicht verlangen könne, weil er von vornherein einen Ergänzungsbetreuer habe bestellen lassen müssen, kann deshalb nicht gefolgt werden.

c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob, wofür Gründe der Klarheit und Einfachheit sprechen könnten, der Beginn des Zeitraums, für den Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Vereins entstehen können, mit dem Eingang der Anregung zur Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bei dem Vormundschaftsgericht anzusetzen ist (so OLG Brandenburg aaO), oder ob, wie das Landgericht meint, erst mit dem Zeitpunkt, zu dem bei zügiger Behandlung eine Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag zu erwarten gewesen wäre. Denn für die Zeitspanne von drei Tagen (hier: 11. bis 14.7.2002), die das Landgericht insoweit sachgerechterweise in Betracht gezogen hat, hat der Verein im vorliegenden Fall vergütungs- oder aufwendungsersatzfähige Tätigkeiten eines Vereinsmitarbeiters nicht geltend gemacht.

Ende der Entscheidung

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