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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 127/02
Rechtsgebiete: GG, FGG, UnterbrG


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 104 Abs. 1 Satz 1
FGG § 69f Abs. 1
FGG § 70h Abs. 1
FGG § 70m
UnterbrG Art. 1 Abs. 1
Erledigt sich eine öffentlichrechtliche Unterbringung während des Beschwerdeverfahrens, so kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit sowohl der ursprünglichen Anordnung wie auch der Durchführung der Unterbringung bis zur Erledigung in der Hauptsache angestrebt werden.
Gründe:

I.

Die Betroffene leidet an einer Manie im Sinne einer Persönlichkeitsstörung. Nach fernmündlicher Mitteilung ihrer Mutter ging die Betroffene am 8.12.2001 mit erhobenem Schürhaken unter Drohungen auf diese zu, nachdem sie einige Wochen vorher bereits Türen im Elternhaus eingetreten hatte. In mehreren Telefongesprächen mit Mitarbeitern verschiedener Behörden drohte die Betroffene, bestimmte Behördenmitarbeiter und Polizeibeamte müssten dringend beseitigt, erschossen oder schwer verletzt werden, sie werde die Beseitigung selbst vornehmen und habe ihre Leute schon beauftragt. Weiter äußerte sie am 21.12.2001 gegenüber der Sekretärin einer Anwaltskanzlei, sie wolle ihre Mutter umbringen.

Nach einer Untersuchung durch den Arzt des zuständigen Gesundheitsamtes am 18.12.2001 diagnostizierte dieser bei der Betroffenen in einer schriftlichen Stellungnahme vom 19.12.2001 eine affektive Psychose mit manischer verbaler Aggressivität, fehlender Krankheitseinsicht und Wahnsymptomatik. Einen vom Amtsgericht angesetzten und der Betroffenen telefonisch mitgeteilten Anhörungstermin am 21.12.2001 nahm die Betroffene nicht wahr. Daraufhin ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.12.2001 ihre vorläufige Unterbringung bis längstens 31.1.2002 in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Noch am gleichen Tag wurde die Betroffene in ein Bezirkskrankenhaus verbracht.

Am 27.12.2001 legte sie gegen die Anordnung sofortige Beschwerde ein. Der Amtsrichter hörte sie am selben Tag in Anwesenheit ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten an. Bei dieser Anhörung diagnostizierte der Oberarzt des Bezirkskrankenhauses eine gereizte maniforme Psychose, die sich bei nicht ausreichender Kritik- und Einsichtsfähigkeit in Logorrhöe und gesteigerter Aktivität äußere. Die Betroffene habe auch in der Klinik Drohungen gegen ihre Eltern sowie Mitarbeiter der Klinik ausgesprochen. Das Amtsgericht hörte die Betroffene an, lehnte die Aufhebung der vorläufigen Unterbringung ab und legte die Akten dem Beschwerdegericht vor.

Nach Verlegung in ein anderes Bezirkskrankenhaus willigte die Betroffene in den Verbleib in diesem Krankenhaus und die Behandlung ein. Das Landgericht hob daraufhin die vorläufige Unterbringung mit Beschluss vom 23.1.2002 auf. Ende Januar 2002 wurde die Betroffene aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen erklärte, er stelle die Beschwerde auf die Feststellung um, dass die Anordnung des Amtsgerichts vom 21.12.2001 rechtswidrig gewesen sei.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 28.3.2002 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer gegen diesen Beschluss eingelegten weiteren Beschwerde verfolgt die Betroffene ihr Feststellungsbegehren weiter.

II.

Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde zulässig. Es ist insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1, § 70m Abs. 1 i.V.m. § 70g Abs. 3 Satz 1 FGG), da die Beschwerdeentscheidung im Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsmittels bei Gericht weder der Betroffenen noch ihrem damaligen Verfahrensbevollmächtigten zugestellt war. Die Niederlegung des Mandats durch den früheren Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen nach Einlegung des Rechtsmittels hat auf dessen Zulässigkeit keinen Einfluss (vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 29 Rn. 34), weil das Gesetz nur die Unterzeichnung der Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt verlangt, nicht hingegen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt während des gesamten Rechtsbeschwerdeverfahrens (vgl. Keidel/ Kahl § 29 Rn. 14; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 29 FGG Rn. 4 und 10; Jansen FGG 2. Aufl. § 29 Rn. 23). Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die angeordnete vorläufige Unterbringung der Betroffenen sei rechtmäßig gewesen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, welcher bei der Bedeutung der Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG streng zu beachten sei, sei gewahrt worden. Eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles habe ergeben, dass angesichts der erheblichen Gefährdung, welche von der Betroffenen ausgegangen sei, die vorläufige Unterbringung erforderlich gewesen sei. Nach der ärztlichen Feststellung des Leiters des zuständigen Staatlichen Gesundheitsamtes leide die Betroffene an einer affektiven Psychose mit manischer Auslenkung, die zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses zu einem verbal äußerst aggressiven Verhalten und einer völligen Einschränkung der Kritik- und Urteilsfähigkeit der Betroffenen geführt habe. Diese Feststellung habe der über langjährige Erfahrung verfügende Arzt am 19.12.2001 nach einer Untersuchung der Betroffenen getroffen. An der Richtigkeit seiner Einschätzung bestehe kein Zweifel. Infolge dieser psychischen Erkrankung habe auch eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bestanden, da zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses dem Amtsgericht eine Vielzahl von Informationen über Drohungen der Betroffenen gegenüber ihren Mitmenschen vorgelegen habe und diese zudem mit einem Schürhaken auf ihre Mutter losgegangen sei. Unter Berücksichtigung ihrer Erkrankung sei zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses die Ernsthaftigkeit der Drohungen schwer einzuschätzen gewesen. Es habe dringender Anlass zu der Annahme bestanden, dass eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit vorliege. Auf die subjektive Einschätzung der Betroffenen, sie müsse ihre Manie verbal ausleben und werde dabei tatsächlich nie gewalttätig, komme es für die Annahmeeiner objektiven Gefährdung nicht an.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung des Amtsgerichts zulässig ist. Obwohl sich die Hauptsache durch die Entlassung der Betroffenen erledigt hatte, fehlt der sofortigen Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, auch in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. zuletzt, BVerfG NJW 2002, 2456; Demharter FGPrax 2002, 137/138). Ob hiervon im Einzelfall Ausnahmen gerechtfertigt sein können (vgl. Demharter aaO), bedarf keiner weiteren Erörterung, da im vorliegenden Fall einer kurzfristigen Freiheitsentziehung bereits nach den bisher maßgebenden Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. BVerfG NJW 1998, 2432; BayObLG NJW 2002, 146 m. w. N.) der Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist.

b) Zutreffend hat das Landgericht die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Anordnung des Amtsgerichts geprüft und sich hierauf beschränkt. Denn Gegenstand der Beschwerdeentscheidung kann nicht nur die Rechtmäßigkeit der Unterbringung im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, sondern auch deren Anordnung durch das Amtsgericht sein.

aa) Nach der früher herrschenden Meinung war im Beschwerdeverfahren nach Beginn einer Freiheitsentziehung auf der Grundlage einer gerichtlichen Anordnung nur die Rechtmäßigkeit des Fortbestands der Freiheitsentziehung zu prüfen. War die freiheitsentziehende Maßnahme beendet, insbesondere der Betroffene entlassen, stand die Frage, ob die Anordnung selbst oder der Vollzug der freiheitsentziehenden Maßnahme bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts rechtmäßig gewesen waren, nicht zur Entscheidung des Beschwerdegerichts (vgl. Bürgle und Pentz FamRZ 1996, 1453/1454 und 1456 m. w. N.). Begründet wurde dies damit, dass die vom Grundgesetz gewährte Rechtsschutzgarantie lediglich die Prüfung verlange, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung gegeben seien oder nicht. Aufgabe des Richters im Freiheitsentziehungsverfahren sei es, den Betroffenen einen denkbar besten Schutz vor Freiheitsentziehung zu gewähren. Hierzu müsse eine im Vollzug befindliche Freiheitsentziehung so schnell wie möglich beendet werden. Sei die Freiheitsentziehung beendet, sei dieser richterliche Auftrag erfüllt. Einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der bereits vollzogenen Freiheitsentziehung bedürfe es nicht. Aus diesem Grund sei auch ein entsprechendes Feststellungsbegehren von vornherein unzulässig.

bb) Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch zwischenzeitlich wiederholt ausgesprochen (vgl. nur BVerfGE 58, 208/219; NJW 1998, 2432; NJW 2002p 2456), dass der Betroffene auch nach Beendigung einer Freiheitsentziehung ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung habe, ob die Freiheitsentziehung auf der Grundlage der sie anordnenden gerichtlichen Entscheidungen verfassungsgemäß gewesen sei. Bei dem Freiheitsgrundrecht handele es sich um ein Grundrecht mit besonders hohem Rang. Daher bestehe auch nach Beendigung des Eingriffs ein Rechtsschutzinteresse für eine nachträgliche Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit, jedenfalls wenn die freiheitsentziehende Maßnahme diskriminierenden Charakter habe. Die Gerichte dürften deshalb in einem solchen Fall das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses nicht verneinen, es ändere sich lediglich der Verfahrensgegenstand (vgl. BVerfG NJW 2002, 2456/ 2457 m. w. N. für den Fall der Abschiebungshaft). Nach dieser Rechtsprechung kann der Betroffenen im vorliegenden Fallein Rechtsschutzinteresse auch an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen, die Freiheitsentziehung anordnenden Maßnahme nicht abgesprochen werden.

cc) Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat auch Konsequenzen für den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

(1) Zum Teil werden solche Auswirkungen abgelehnt. Ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit bestehe zwar, könne sich aber nur auf die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung im Zeitpunkt der Erledigung der Hauptsache beziehen. Das Beschwerdegericht habe bei einem entsprechenden Feststellungsbegehren daher nur darüber zu entscheiden, ob die Unterbringung im Zeitpunkt der Erledigung rechtswidrig gewesen sei (vgl. Demharter FGPrax 2002, 137/138), wobei stillschweigend die Nichtberücksichtigung des erledigenden Ereignisses vorausgesetzt wird. In diese Richtung deuten auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm (17. Zivilsenat) in zwei Entscheidungen, welche jeweils die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung betrafen (vgl. Beschluss vom 30.4.2001 15 W 83/01, nicht veröffentlicht, und Beschluss vom 29.5.2001 15 W 139/01 BtPrax 2001, 212). Danach erfordere das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ungeachtet der eingetretenen Erledigung der Hauptsache lediglich den Eintritt in die sachliche Prüfung des eingelegten Rechtsmittels, es führe jedoch nicht zu einer Änderung des durch die Verfahrensordnung allgemein vorgegebenen Umfangs der Prüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts. Verfahrensmängel könnten deshalb nicht zum Erfolg des Rechtsmittels führen, wenn sie geheilt worden seien. Auch der von einer freiheitsentziehenden Maßnahme Betroffene müsse diese durch die Verfahrensordnung allgemein vorgegebene Beschränkung hinnehmen. Es bestehe keine Grundlage für eine Erweiterung des Rechtsschutzes gegenüber den Fällen, in denen das Rechtsmittelgericht über die Aufrechterhaltung einer noch fortbestehenden freiheitsentziehenden Maßnahme zu entscheiden habe. Die Entscheidungen betrafen allerdings die Prüfungsbefugnis des Gerichts der weiteren Beschwerde.

(2) Zum Teil beziehen die Gerichte hingegen, wenngleich ohne nähere Erörterung des Problems, die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Erstgerichts im Zeitpunkt ihres Erlasses in die Prüfung mit ein, wenn im Verfahren der Erstbeschwerde nach Erledigung der Hauptsache durch Beendigung der Freiheitsentziehung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit zu entscheiden ist. So hat der Senat (vgl. BayObLGZ 2000, 220 ff.) die Rechtswidrigkeit einer solchen Anordnung ausgesprochen, weil das Amtsgericht die grundgesetzlich gebotene vorherige persönliche Anhörung des Betroffenen unterlassen hatte, obwohl die Anhörung noch während der Dauer der Unterbringung nachgeholt worden war. Der in der unterlassenen Anhörung liegende Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG werde, im Gegensatz zu dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, nicht rückwirkend geheilt. Bis zur Durchführung der Anhörung drücke er der Unterbringung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf. Auch das Oberlandesgericht Hamm (19. Zivilsenat) hat in einem vergleichbaren Fall auf die Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Anordnung im Zeitpunkt ihres Erlasses abgestellt und bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit berücksichtigt, dass die gebotene Anhörung zunächst unterblieben, wenn auch später nachgeholt worden war (Beschluss vom 14.9.2001 19 W 78/01 FGPrax 2001, 263; vgl. auch OLG Karlsruhe InfAuslR 2001, 179).

(3) Nach Auffassung des Senats kann Gegenstand der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht nur die Rechtmäßigkeit der Unterbringung im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, sondern auch die Anordnung und die bis zur landgerichtlichen Entscheidung durchgeführte Unterbringung sein.

Die Freiheitsentziehung bezieht sich nicht, wie zahlreiche andere Maßnahmen, auf einen bestimmten Zeitpunkt, sondern wird über einen Zeitraum hinweg vollzogen. Es handelt sich um eine Dauermaßnahme. Innerhalb dieses Zeitraums kann die Freiheitsentziehung zeitweise rechtmäßig, zeitweise nicht rechtmäßig sein. So ist etwa, im Gegensatz zu anderen Verfahrensmängeln, ein Verstoß gegen das Gebot der Anhörung gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nicht für die Vergangenheit heilbar (vgl. BVerfGE 58, 208/222; BayObLGZ 2000, 220/224). Die nachgeholte Anhörung beseitigt den Mangel nur für die zukünftige Freiheitsentziehung. Dem Betroffenen kann es aber nicht nur um Verhinderung des weiteren Vollzuges, sondern auch um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Anordnung und der anschließenden Freiheitsentziehung gehen. Manche Gesetze unterscheiden ausdrücklich zwischen diesen beiden Rechtsschutzzielen (vgl. z.B. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 PAG).

Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat der Betroffene einen Anspruch darauf, dass nicht nur eine künftige unrechtmäßige Freiheitsentziehung vermieden, sondern auch die Rechtmäßigkeit der bereits durchgeführten Freiheitsentziehung überprüft wird. Das Bundesverfassungsgericht hat, wie bereits dargelegt, wiederholt ausgesprochen, dass der Betroffene auch nach Beendigung der Freiheitsentziehung ein schutzwürdiges Interesse an der Prüfung hat, ob die Freiheitsentziehung auf der Grundlage der sie anordnenden gerichtlichen Entscheidungen verfassungsgemäß war (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2002, 2456). Es hat in Art. 19 Abs. 4 GG als dem Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine Gewährleistung dafür gesehen, dass dann, wenn das Prozessrecht eine weitere Instanz eröffnet, eine wirksame gerichtliche Kontrolle stattfinden muss (vgl. BVerfG aaO m. w. N.).

Diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen entspricht es, wenn die Betroffenen im anhängigen Beschwerdeverfahren die Rechtmäßigkeit von Anordnung und Durchführung der Unterbringung der gerichtlichen Kontrolle zuführen können. Anderenfalls wären sie gezwungen, zur Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung und der bereits durchgeführten Freiheitsentziehung ein isoliertes Feststellungsverfahren in der ersten Instanz einzuleiten, obwohl die erforderliche Tatsachenfeststellung und rechtliche Würdigung derjenigen im anhängigen Beschwerdeverfahren weitgehend entspricht. Ein solches Ergebnis ist weder mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes noch dem Grundsatz der Verfahrensökonomie vereinbar. Die Einbeziehung der erstgerichtlichen Entscheidung in die Überprüfung wird im übrigen auch durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt, das nach § 70 m Abs. 1 und Abs. 2 FGG die sofortige Beschwerde gegen Unterbringungsmaßnahmen (vgl. hier § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FGG: Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung) zulässt.

(4) Aus der Möglichkeit der Einbeziehung folgt nicht, dass das Beschwerdegericht stets auch über die Rechtmäßigkeit der Ausgangsentscheidung und der bereits vollzogenen Freiheitsentziehung zu entscheiden hätte. Vielmehr bestimmt der Inhalt der Beschwerde, welches der verschiedenen möglichen Beschwerdeziele der Betroffene mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel verfolgt. Er legt durch sein Rechtsschutzbegehren fest, ob er - wie im Regelfall - nur die Beendigung der Unterbringung oder darüber hinaus die Rechtswidrigkeitsfeststellung von Anordnung und bisheriger Durchführung der Unterbringung erreichen will. Macht er ausdrücklich auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung und der bisherigen Durchführung der Freiheitsentziehung zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, hat das Beschwerdegericht auch diese zu überprüfen. Legt er ohne nähere Angaben hierzu sofortige Beschwerde ein, kann im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass er nur die Beendigung der Freiheitsentziehung anstrebt, wie dies auch der bisherigen Auffassung entspricht. In diesem Fall kann er aber seine Rechtsschutzziele auch noch nach Erledigung der Hauptsache festlegen und die Rechtmäßigkeit von Anordnung und Durchführung der Unterbringung zur Überprüfung stellen.

(5) Diese Grundsätze können in den Fällen, in denen die Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts eintritt, nicht auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde herangezogen werden. Der Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird durch den Gegenstand begrenzt, über den das Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat. Nur diese Entscheidung ist Gegenstand der Nachprüfung. Die nachträgliche Erledigung der Hauptsache beseitigt zwar nach den durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht das Rechtsschutzbedürfnis an der Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung. Sie gestattet aber andererseits auch nicht die Einbeziehung von Verfahrensgegenständen, über die das Landgericht nicht entschieden hat.

dd) Hier hat die Betroffene nach ihrer Entlassung aus dem Bezirkskrankenhaus ausdrücklich beantragt, die Anordnung des Amtsgerichts bzw. die Beschlussfassung des Amtsgerichts zur vorläufigen Unterbringung für rechtswidrig zu erklären. Damit hat sich das Landgericht zu Recht mit diesem Antrag befasst und sich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Anordnung beschränkt. Nur sie ist Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde, da dem Senat nur dieser Verfahrensgegenstand angefallen ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Betroffene im Verfahren der weiteren Beschwerde zusätzlich auch die Verzögerung der nachträglichen Anhörung gerügt hat.

c) Das Landgericht hat die Anordnung des Amtsgerichts zur vorläufigen Unterbringung der Betroffenen rechtsfehlerfrei für rechtmäßig erachtet.

aa) Gegen oder ohne seinen Willen kann in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wer psychisch krank oder infolge Geistesschwäche oder Sucht psychisch gestört ist und dadurch in erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG). Kann die Gefährdung durch weniger einschneidende Maßnahmen abgewendet werden, darf die Unterbringung nicht angeordnet werden (Art. 1 Abs. 1 Satz 3 UnterbrG). Da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut ist, dass sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf, ist bei einer Unterbringungsanordnung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streng zu beachten (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774/1775). Er ist nicht nur zentrales Auslegungskriterium für die einzelnen Unterbringungsvoraussetzungen, sondern auch Maßstab für die Sachverhaltsaufklärung; er verlangt eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, bei der die vom Betroffenen ausgehenden Gefahren zur Schwere des Eingriffs in seine persönliche Freiheit ins Verhältnis zu setzen sind (vgl. BVerfGE 70, 297/313 = NJW 1989, 767; BayObLGZ 1998, 116/118 NJW 1999, 1789 und 2001, 352/354, jeweils m. w. N.). Bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass diese Voraussetzungen gegeben sind und mit dem Aufschub der Unterbringung Gefahr verbunden ist, kann das Vormundschaftsgericht gemäß § 9 UnterbrG, § 70h FGG die Unterbringung vorläufig anordnen. Für den Erlass einer vorläufigen Anordnung müssen konkrete Umstände mit erheblicher Wahrscheinlichkeit (vgl, BayObLGZ 1997, 142/145) darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG vorliegen, und konkrete Tatsachen nahe legen, dass mit dem Aufschub der Unterbringung Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen würde (vgl. BayObLGZ 1999, 267/269).

bb) Die Beurteilung, ob der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet, ob er infolge dieser Krankheit die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und ob seine zwangsweise vorläufige Unterbringung deshalb erforderlich ist, obliegt dem Tatrichter. Das Rechtsbeschwerdegericht kann sie nur auf Rechtsfehler überprüfen, also darauf hin, ob der Tatrichter die betreffenden unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zu Stande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer acht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLGZ 1999, 216/218 = NJW 2000, 881).

cc) Das Landgericht hat den maßgebenden Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt. Auf der Grundlage dieser den Senat bindenden Feststellungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO) ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

(1) Die Feststellung des Landgerichts, die Betroffene leide an einer affektiven Psychose mit manischer Auslenkung und damit an einer psychischen Erkrankung, beruht auf den Darlegungen eines erfahrenen Medizinaldirektors, der die Betroffene am 18.12.2001 untersucht hatte. Zweifel an seiner Sachkunde bestehen nicht. Dass er die Notwendigkeit einer vorläufigen Unterbringung nicht am Untersuchungstage, sondern erst am darauffolgenden Tage bejaht hat, ändert an der rechtsfehlerfreien Feststellung der psychischen Krankheit der Betroffenen nichts, sondern betrifft nur die Beurteilung der infolge der psychischen Krankheit auftretenden Gefahren.

(2) Das Landgericht durfte auch von einer erheblichen und konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Betroffene zum Zeitpunkt der Anordnung ausgehen. Nach seinen Feststellungen hat die Betroffene gegenüber verschiedenen Personen schwerwiegende Drohungen ausgestoßen und ihre Mutter mit einem Schürhaken bedroht. Die Betroffene hatte zwar in der Vergangenheit ihre faktischen und verbalen Drohungen nicht in die Tat umgesetzt. Gleichwohl durfte das Landgericht annehmen, in Anbetracht der psychischen Erkrankung und des schwerwiegenden Inhalts der Drohungen bestehe bei objektiver Betrachtung Anlass zu erheblichen Befürchtungen. Es ist nicht fernliegend, dass sich eine psychische Krankheit in ihrem weiteren Verlauf verschlimmern und tatsächlich zu erheblichen Ausfällen mit schwerwiegenden Folgen führen kann. Auf das subjektive Empfinden der Betroffenen, sie werde niemals ihre Drohungen in die Tat umsetzen, kann nicht verlässlich abgestellt werden, da die Betroffene den weiteren Krankheitsverlauf nicht vorhersehen kann. Die Einschätzung der von der Betroffenen ausgehenden wirklichen Gefahr kann nur nach objektiven Gesichtspunkten erfolgen. Hierbei ist zu prüfen, ob ein objektiver Betrachter in Kenntnis der psychischen Erkrankung und der vorliegenden Drohungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bejaht. Eine derartige Gefahr war nach den massiven verbalen Drohungen, die sich gegen Leib und Leben und damit hochwertige Rechtsgüter Dritter richteten, der durchaus realen Bedrohung der eigenen Mutter mit einem Schürhaken und dem Eintreten von Türen im Elternhaus nicht von der Hand zu weisen. Die Betroffene hatte mit diesen Handlungen die Schwelle vom Wort zur Tat bereits überschritten. Da sie nach ihrer eigenen Darstellung die manische Phase ausleben, also nicht behandeln und eindämmen will, war eher eine Verstärkung als eine Verringerung der manischen Symptome zu erwarten. Die angeordnete vorläufige Unterbringung, die ausdrücklich nur solange aufrechterhalten werden sollte, wie die Behandlung der Betroffenen erforderlich war, ist demzufolge als verhältnismäßig anzusehen.

dd) Die einstweilige Anordnung war auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig.

(1) Das Amtsgericht durfte von der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung der Betroffenen gemäß § 70h Abs. 1 Satz 2, § 69f Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 FGG absehen. Es hat rechtsfehlerfrei Gefahr im Verzug bejaht (§ 69f Abs. 1 Satz 3 FGG). Die Betroffene hatte durch ihr Verhalten zu der Befürchtung Anlass gegeben, sie werde hochwertige Rechtsgüter Dritter beeinträchtigen. Sie hatte den vor der Unterbringung anberaumten Anhörungstermin, der ihr bekannt war und Gelegenheit geboten hätte, diese Befürchtung zu entkräften, nicht wahrgenommen. Unter diesen Umständen durfte das Gericht die einstweilige Anordnung auch ohne Anhörung der Betroffenen erlassen.

(2) Das Amtsgericht hat auch die Pflicht zur Durchführung der gebotenen Ermittlungen (§ 12 FGG) nicht verletzt. Zwar setzt auch insoweit das hohe Rechtsgut der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit den Maßstab für die Aufklärung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 70, 297/308; BayObLGZ 1999, 216/217 und 2001, 352/354). Gleichwohl kann im Verfahren der vorläufigen Unterbringung keine vollständige Aufklärung erwartet werden (vgl. § 69f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGG). Unter diesen Umständen ist es insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Richter vor der Anordnung keinen Kontakt mit dem die Betroffene behandelnden Arzt aufgenommen hat. Es war ungewiss, ob der Arzt im Hinblick auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) überhaupt Auskünfte hätte geben dürfen oder gegeben hätte. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass dem Richter der im Zeitpunkt der Anordnung behandelnde Arzt bekannt war. Die Möglichkeit, die von der Betroffenen nunmehr vorgebrachten entlastenden Umstände zu berücksichtigen, war wegen des Fernbleibens der Betroffenen bei der Anhörung nicht gegeben. Der Eingriff in die persönliche Freiheit ist damit weder verfahrensfehlerhaft noch rechtswidrig; die angeordnete vorläufige Unterbringung trägt nicht den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung (vgl. BVerfGE 58, 208/223 zu dem anders gelagerten Sachverhalt der vom Gericht unterlassenen Anberaumung eines Anhörungstermins).

ee) Da die Anordnung rechtmäßig ergangen ist, bestand keine Verpflichtung des Gerichts, einen Verfahrensmangel zu heilen. Es bestand aber die Pflicht, die Anhörung unverzüglich nachzuholen (§ 70h Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 69f Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 FGG), also die Betroffene nach der Aufnahme in das psychiatrische Krankenhaus anzuhören. Diese Anhörung war notfalls durch einen Bereitschaftsrichter durchzuführen (vgl. BVerfG Beschluss vom 15.5.2002 - 2 BvR 2292/00; BayObLGZ 2000, 220/224). In den Akten sind Unterlagen über eine Anhörung der Betroffenen durch einen Eilrichter nicht enthalten. Das Landgericht musste aber der Frage, ob die Anhörung der Betroffenen mehrere Tage nach ihrer Aufnahme in einem psychiatrischen Krankenhaus noch rechtzeitig erfolgte, nicht nachgehen. Denn der Feststellungsantrag war ausdrücklich auf die Rechtswidrigkeit der Anordnung der vorläufigen Unterbringung beschränkt.

ff) Soweit die Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgetragen und Beweisanträge gestellt hat, konnten diese in der Rechtsbeschwerdeinstanz ebenso wenig berücksichtigt werden wie die teilweise von den Feststellungen des Landgerichts abweichende Sachdarstellung. Der Senat ist an die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts gebunden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO).

d) Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG war nicht veranlasst. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (vgl. oben b cc (1)) betrafen einen anderen Sachverhalt, da die Erledigung der Hauptsache erst nach der Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts eingetreten war.

Ende der Entscheidung

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